Geheimsache Wolfenbütteler Gedenkstättenforum?

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Es ist geschehen, und folglich kann es wieder geschehen. Darin liegt der Kern dessen, was wir zu sagen haben. (Primo Levi)

Die Post brachte mir Anfang Mai die obige Postkarte der JVA-Gedenkstätte Wolfenbüttel mit Informationen über das 3. Wolfenbütteler Gedenkstättenforum (siehe oben). Der rückseitige Text weist auf eine Podiumsdiskussion hin, die am Donnerstag, 22. Mai, um 19 Uhr in der Wolfenbütteler Kommisse stattfinden soll:

Gedenkstätten bieten eine Brückenfunktion, um sich in der Gegenwart mit der Vergangen­heit auseinanderzusetzen. Welche Bedeutung haben hierbei die histori­schen Orte? Welche Fragen sind bei Erhaltung und Restaurierung zu beachten? Wie können Gedenkstätten gestaltet werden, um das Ver­mächtnis der Opfer und ihrer Angehörigen sowie die Erwartungen der Besucherinnen zu erfüllen?

Ein anspruchsvolles Thema, finde ich. Ob alle diese Fragen in einer ca. eineinhalbstündigen Podiumsdiskussion mit hoffentlich anschließender Diskussion ins Publikum hinein einigermaßen sinnvoll geklärt werden können, wage ich zu bezweifeln. Meine Bedenken wurden größer, als ich die Qualifikationen der Teilnehmerinnen las:

Dr. Kerstin Klein (Niedersächsisches Landes­amt für Denkmalpflege), Martina Scheitenberger (ikon Ausstellungen) und Martina Staats (Gedenkstätte in der JVA Wolfenbüttel) disku­tieren u. a. diese Fragen anlässlich eines Neu­gestaltungssymposiums.

Hätte das Podium nicht besser mit qualifizierteren Fachleuten besetzt werden müssen, die sich möglichst erfahren bereits mit der obigen Thematik – mit besonderem Blick auf Wolfenbüttel – befasst haben? Es geht in Wolfenbüttel nicht nur um die Gedenkstätte im Gefängnis, sondern auch um den seit Jahren in einem schlimmen Zustand befindlichen Friedhof der Opfer im Gräberfeld 13 a auf dem Wolfenbütteler Hauptfriedhof, auf dem Rasenmäher über die Gräber pesen. Die jetzige Gestaltung hat die frühere Gedenkstättenleitung zu verantworten.

Stattdessen eine Denkmalschützerin, die Vertreterin einer Firma (IKON) für Ausstellungsarchitektur und die neue Leiterin der Gedenkstätte? Dann fällt mir der mir mysteriös erscheinende Hinweis auf ein „Neugestaltungssymposium“ auf. Was ist das denn? Ich bin verwirrt – und hoffe, weitere Informationen auf den Websites der JVA-Gedenkstätte oder der Stiftung niedersächsischer Gedenkstätten zu finden. Fehlanzeige. Zu einem Symposium finde ich auf beiden Websites keine Hinweise, auf der der JVA Wolfenbüttel aber immerhin die o.g. Einladung. Was bedeutet das?, frage ich mich. Soll ich dieses Forum, das doch offenbar nichts weiter als eine Podiumsdiskussion ist, besuchen? Es interessiert mich natürlich. Aber mit der Besetzung?

Beim zweiten Forum vor ein paar Wochen war ich vom damaligen Geschäftsführer der niedersächsischen Gedenkstätten, Habbo Knoch, lautstark während eines Beitrages zur Diskussion unterbrochen worden. Er verbot mir, weitere kritische Anmerkungen zur JVA Gedenkstätte zu machen. Vorsichtshalber bat ich deshalb die jetzige Leiterin, Martina Staats, um Auskunft: Sollte nach der Podiumsdiskussion eine Diskussion stattfinden – ob dann auch kritische Beiträge oder Fragen der Besucher erlaubt seien und ohne Unterbrechung oder Verbot gestellt werden könnten? (Vgl.im http://www.braunschweig-spiegel.de

Um keinem Missverständnis zu unterliegen – was ist eigentlich ein Forum? – habe ich vorsichtshalber Wikipedia befragt und fand u. a. diese Antwort: Ein Forum im allgemeinen Sinn ist ein realer Ort oder ein virtueller (Internetforum) Raum, wo Fragen gestellt und beantwortet werden und Menschen miteinander Ideen und Meinungen austauschen können.

Ja, so stelle ich mir ein Forum vor. Leider hat mir Frau Staats auf mein Schreiben vom 5. Mai bis heute, 19. Mai, nicht geantwortet. Eine weitere Frage: Soll ich das Risiko eingehen und das Forum besuchen? Wie kann ich einen erneuten Eklat verhindern? Einfach nichts mehr sagen, gar keine kritische Äußerung mehr machen?

Und dann passierte es: Über gut informierte Kreise erhielt ich eine umfangreiche – offenbar nur für ganz besondere Menschen gedachte – Information über ein Symposium zum Thema „Gedenkstätten an Hinrichtungsorten und Gefängnissen im Nationalsozialismus: Neugestaltung“. Das Programm enthält zwölf interessante Vortragsthemen von elf Referentinnen und Referenten, darunter auch Habbo Knoch. Und nun die Überraschung: Dieses Symposium beginnt am Donnerstag, 22. Mai um 10 Uhr in der Wolfenbütteler Bundesakademie für Kulturelle Bildung und endet am Freitag, 23. Mai, nach dem Mittagessen mit einer Besichtigung der Gedenkstätte. Die mir inzwischen ominös erscheinende Podiumsdiskussion ist Teil dieses Symposiums – aus meiner Sicht nun tatsächlich nichts weiter als ein Feigenblatt, um belegen zu können, dass die Öffentlichkeit beteiligt wird.

Von dem zwei Tage dauernden Symposium werden gerade mal zwei Stunden öffentlich sein.

Schon wieder eine Frage, eine kritische: Was beabsichtigen die Veranstalter mit dieser Geheimhaltung?  Einige Vortragsthemen würde ich mir auch gern anhören. Zum Beispiel das Referat über die Berliner Gedenkstätte im ehemaligen SA-Keller-KZ in der Papestraße. Hier wurde 1933 vor seiner Flucht in die Tschechoslowakei der jüdische Wolfenbütteler Kaufmann und Schriftsteller Werner Ilberg übel gefoltert. Schade, aber ich bin ja nicht eingeladen.

Teilnehmen dürfen offenbar nur Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen von Gedenkstätten an Orten von Gefängnissen, Zuchthäusern und Hinrichtungsstätten im Nationalsozialismus. Zu denen gehöre ich nun mal nicht, und an die Zulassung von interessierten Gasthörern aus Wolfenbüttel oder Braunschweig hat man offenbar nicht gedacht. Das wäre ja eine Beteiligung der Öffentlichkeit …

Ein schales Fazit: Diese Gedenkstätte, aus der kürzlich verkündet wurde, man würde gern mit lokalen Initiativen zusammen arbeiten, scheint das Gegenteil zu tun. In der BZ vom 6. Dezember 2012 wird Frau Staats, Historikerin und Diplom-Bibliothekarin, so zitiert: Schließlich will sie die Wolfenbütteler mit öffentlichen Foren und regelmäßigen öffentlichen Führungen stärker als bisher für die Gedenkstättenarbeit sensibilisieren. Wann wird sie tatsächlich damit beginnen?

Vgl.: http://www.braunschweig-spiegel.de/index.php/politik/politik-kultur/4463-gedenkstaetten-forum-eine-mogelpackung

In Wolfenbüttel ist die durch Habbo Knoch und Martina Staats im vergangenen Jahr erfolgte Diskreditierung der Stolperstein-Initiative – auch im Verborgenen – immer noch ungeklärt. Glücklicherweise durchschauten Vertreter der Stadt Wolfenbüttel diesen Versuch der Denunziation. Die in einer nichtöffentlichen Sitzung des städtischen Kulturvereins begangene Intriganz der Gedenkstätten-Wissenschaftler blieb erfolglos. Die ehrenamtlich tätigen und nicht studierten Historiker in der Gruppe konnten die Stadtvertreter mit ihrer bisherigen Arbeit überzeugen. Die nächsten Stolperstein-Verlegung wird daher mit noch größerer Unterstützung der Stadt Wolfenbüttel durch Gunter Demnig am 25. Oktober erfolgen.

Die Gedenkstätte in der JVA hat in den letzten ca. 15 Jahren unter der Inkompetenz der hiesigen früheren Leitung und nicht zuletzt auch durch die niedersächsische Direktion gelitten. Der erhoffte Neubeginn mit der neuen Leiterin ist bereits gescheitert, da das im Voraus geleistete Vertrauen durch das o. e. Verhalten bereits verspielt wurde.

Warnung: Sollten Sie der Podiumsdiskussion ohne kritische Bemerkungen zuhören wollen, wird das wahrscheinlich ein langweiliger Abend werden. Sollten Sie jedoch vorhaben, kritische Fragen zur JVA Wolfenbüttel zu stellen, rate ich Ihnen, fernzubleiben. Es besteht erneut die Gefahr eines Eklats, der Ihnen dann womöglich auch noch angelastet werden wird.

Alle Gedenkstätten sind leider nicht gleich. Es gibt mindestens eine in Wolfenbüttel, die zwar auch an Opfer erinnert, die zwischen 1933 und 1945 kritische Meinungen vertraten und dafür oft hingerichtet wurden, aber das war damals: heute ist heute …

An allem Unfug, der passiert, sind nicht etwa nur die schuld, die ihn tun, sondern auch die, die ihn nicht verhindern.                                                                                    Erich Kästner

             

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