Ratsfrau Gisela Ohnesorge (DIE LINKE) will mit ihrem Beschlussantrag auch „in den Köpfen aufräumen“. Foto: Klaus Knodt
Die Einladung des Braunschweiger Oberbürgermeisters Ulrich Markurth zum „Herrenabend des Technikervereins“ (ca. 950 Mitglieder) brachte den Stein ins Rollen: Ratsfrau Gisela Ohnesorge (DIE LINKE) forderte den Rat auf zu beschliessen, dass dessen Mitglieder und der OB nicht mehr an Veranstaltungen teilnehmen, bei denen Frauen ausgeschlossen sind. „Gleichstellung muss mehr als ein leeres Versprechen sein“, sagt DIE LINKE. Aber was ist mit Veranstaltungen, an denen nur Frauen und keine Männer teilnehmen dürfen? Und geht diese Geschlechtertrennung nicht irgendwo an der Realität vorbei?
Der braunschweig-spiegel befragte dazu Ratsfrau Gisela Ohnesorge (DIE LINKE). Das Interview führte Klaus Knodt.
Frage: Handelt es sich bei dem beispielhaft angegebenen „Herrenabend“ des Technikerclubs um einen Einzelfall, oder gibt es mehrere Veranstaltungen dieser Art, die Sie aufzählen und nachweisen können?
Ohnesorge: „Die wesentliche Veranstaltung, auf die wir uns beziehen, ist die des Technikervereins. Die hatte mit rund 900 rein männlichen Teilnehmern eine Dimension, die viele andere Veranstaltungen übersteigt. Und im Vergleich zu anderen Veranstaltungen war bei dieser symptomatisch, dass es sich um eine Berufsgruppe handelt, in der Frauen stark unterrepräsentiert sind. Ein solcher Verein stellt ein Netzwerk dar und hat ein anderes Gewicht als ein Kegelclub. Die Frauenfeindlichkeit besteht darin, Frauen aus solchen Netzwerken fernzuhalten.“
Frage: Warum ist eine Veranstaltung per se „frauenfeindlich“ oder „diskriminierend“, wenn sich die Ladung an eine nicht weibliche Zielgruppe richtet?
Ohnesorge: „Das ist sie nicht per se. Man kann sich in Geschlechtern getrennt treffen. Aber es wird frauenfeindlich, wenn man Frauen aus bestimmten Netzwerken, Berufsgruppen und Kontaktbörsen ausschliesst. Bei einer solchen Veranstaltung geht es ja nicht um die aufgetischte Schweinshaxe, sondern um persönliche Kontakte, die in der Wirtschaft sehr bedeutend sind. Deshalb hat eine Veranstaltung wie die des Technikervereins ein ganz besonderes Gewicht.“
Frage: Gibt es Veranstaltungen in Braunschweig, zu denen nur Frauen, aber keine Männer eingeladen werden ? Etwa Weiberfastnacht, IHK-Gründerinnen-Verein, Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Frauen, Frauen-Union, Ver.di-Frauenstammtisch, Frauenzentrum, Landfrauen-Verein etc. ?
Ohnesorge: „Ja, alle die Sie aufgelistet haben. Dazu kommt noch das 8.-März-Bündnis und viele Frauenstammtische. Aber man muss doch sehen, welchen Zweck diese Veranstaltungen erfüllen, welche Funktion die haben. Man will damit die unterrepräsentierte Gruppe der Frauen stärken. Das kann sinnvoll und notwendig sein.“
Frage: Gibt es Vereine und Verbände in Braunschweig, die nur weibliche Mitglieder aufnehmen?
Ohnesorge: „Das weiß ich nicht. Aber der Technikerverein soll laut Braunschweiger Zeitung – außer einer Stipendiatin – keine weiblichen Mitglieder haben.“
Frage: Sind diese Veranstaltungen, Vereine und Verbände mit rein weiblichen Mitgliedern in Ihrer Anschauung automatisch „männerfeindlich“ oder „männerdiskriminierend“?
Ohnesorge: „Es wäre so, wenn sie in einem Bereich agieren, in dem Männer stark unterrepräsentiert sind. Beispielsweise Erzieher im Kindergarten. Gäbe es da eine Organisation, die Männer grundsätzlich ausschliesst, wäre das sicher männerfeindlich.“
Frage: Würde DIE LINKE auch gegen solche Veranstaltungen, Verbände und Vereine mit einem Antrag im Rat vorgehen, der städtischen Mitarbeitern in offizieller Funktion verbietet, diese zu besuchen?
Ohnesorge: „Wenn wir das entdecken würden, täten wir das auch. Aber das ist eine theoretische Diskussion, weil es keine Beispiele dafür gibt.“
Frage: Dürfen Ihrer Ansicht nach städtische Mitarbeiter in Zukunft nur noch unter der Sortierung m/w/d Veranstaltungen besuchen, wenn diese als m/w/d ausgewiesen sind?
Ohnesorge: „Nein. Wir reden über Repräsentanten der Stadt und nicht über einfache Mitarbeiter.“
Frage: Schadet nicht eventuell der verbale Stempelhammer „frauenfeindlich“ oder „diskriminierend“ in der Diskussion zur Durchsetzung des Ziels einer gleichberechtigten Gesellschaft, weil er a priori die Fronten verhärtet?
Ohnesorge: „Nein. Verhärtet werden die Fronten dadurch, dass eine Gruppe, nämlich die Männer, in eine vermeintliche Verteidigungshaltung geht. Es geht nicht ohne die Worte ‚Diskriminierung‘ oder ‚Frauenfeindlichkeit‘. Man muss das Problem klar definieren. Es wird nur öffentlich diskutiert, wenn man es auf den Punkt bringt. Und da setzt ein Ratsbeschluss nach unserer Vorlage ein kleines Zeichen. Man muss in den Köpfen aufräumen, wie bei der Quote.“