Festkleben in Braunschweig kostet jetzt 3000 Euro

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Aus Angst um das Weltklima klebten sich auch in Braunschweig junge Menschen auf der Straße fest.

KlimaaktivistInnen stören die „Leichtigkeit des Verkehrs“, sagt das Rathaus

Mit viel Geschwurbel und allerlei Nebelzauber hat das SPD-regierte Braunschweiger Rathaus die niedlich-naiven „Klimakleber“ zu Kriminellen gemacht. Bis zu 3000 Euro Strafe drohen den zumeist jugendlichen AktivistInnen für ihre Proteste.

Das sieht jedenfalls eine „Allgemeinverfügung auf Grundlage des „Niedersächsischen Versammlungsgesetzes“ vor, die die Stadt jetzt erlassen hat. Rund 20 Sitz- und Klebeblockaden seit dem 31.05.2023 werden in der Verfügung aufgelistet und reichen der Stadt als Rechtfertigung.

Den ganzen Quatsch zu wiederholen, den die Stadt in ihre Verfügung geschrieben hat, ist müßig. Im Wesentlichen stützt sie sich auf vier Argumente in einem hilflosen Satz:

„Die Versammlungen, insbesondere das Ankleben im Straßenverkehr, sind erhebliche Gefahren für das Leben und die Gesundheit der Versammlungsteilnehmenden, die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs, die rechtzeitige Information von Polizei, Feuerwehr und Rettungsdiensten für Einsatzplanungen sowie die Unversehrtheit der Fahrbahnbeläge.“

Wenn „unversehrte Fahrbahnbelege“ wichtiger als das Demonstrationsrecht sind, sollte sich der SPD-Oberbürgermeister Kornblum mal um sein Demokratieverständnis kümmern. Und die „Leichtigkeit des Verkehrs“ ist nun auch nicht gerade ein Rechtsgut, dass vom Grundgesetz explizit geschützt wird.

Um das Ganze fix zu machen, fährt die Stadt Kanonen auf: „Eine erhebliche Gefahr für unbeteiligte Dritte besteht dadurch, dass Feuerwehr und Rettungsdienst nicht im Vorfeld über das Stattfinden einer Versammlung und über die genaue Aufzugstrecke unterrichtet werden können, sodass Einsatzfahrzeugen die Möglichkeit genommen wird, auf dem Weg zum Einsatzort gezielt entsprechende Alternativrouten zu befahren, wodurch Verzögerungen entstehen, die den hilfsbedürftigen Dritten erheblichen Gefahren für Leib und Leben aussetzen.“ Abgesehen von den Gefahren grammatikalischer Verstümmelung kann der Autor hingegen kaum Gefährdungen erkennen. Wenn der Bohlweg dicht ist, weil Fussballfans feiern oder irgendein Weihnachtsmarkt Freibier ausgibt, schwafelt auch kein verantwortlicher Politiker über die „erhebliche Gefahr für hilfsbedürftige Dritte“.

Übt sich Braunschweig in vorauseilendem Euphemismus oder ist die Stadtverwaltung völlig verblödet? Anstatt junge Menschen ins Boot zu holen, die nackte Angst um das Weltklima haben, will sie diese jetzt offensichtlich bestrafen und kriminalisieren.

6 Kommentare

  1. volle Zustimmung zum Artikel, lieber Klaus

    Eine ernüchternde Offenbarung städtischer Klima-Politik.

    Denn wie scheinheilig steht das Rathaus auch noch da, wenn Braunschweig vor einigen Tagen von der Süddeutschen Zeitung bundesweit vorgeführt wurde wg. der klimaschädlichen Fliegerei einiger betuchter VW-Granden vom Flughafen in Waggum.

    Aber nicht nur ein Klima-Skandal !

    Im Rathaus sollte man sich dafür schämen, dass im Haushalt der Stadt erneut eine hohe Subventionierung des Flughafens durchgewunken und nicht einmal kritisch hinterfragt worden ist –
    Obendrein auch noch EU- regelwidrig.

    Aber das hat seinen Grund:
    https://braunschweig-spiegel.de/rathaus-verfangen-im-lobbyismus-fuer-vw/

    Die Stadt steuert nämlich – umgerechnet auf die Passagiere – für jeden Passagier aus öffentlichen Mitteln pro Flug auch noch rd. 80 € bei !

    – wieso 80 Euro ?
    Die Einnahmen des Flughafens in Waggum liegen mit 2,9 Mio.€ (*) weit unter den Ausgaben für den Flughafen von rd. 10,75 Mio.€ (*)
    – bei rd. 100.000 Flugpassagieren pro Jahr sind das rd. 80 € fehlende Kostendeckung pro Passagier.
    (*) Zahlen aus Wirtsch.plan 2023 der Flughafengesellschaft.

    Und wie resümmierten die Süddeutsche Zeitung, NDR u.a. die Umwelt-Sauerei?

    „Klimaschutz hin oder her: Die Nachfrage nach Flügen mit den Privatjets von VW und Porsche ist enorm. Und durch eine geschickte Konstruktion seines Flugbetriebs spart der Konzern Millionen an Steuern.“
    „Recherchen des NDR und der „Süddeutschen Zeitung“ (SZ) zufolge hat VW mit seiner Firmenflotte im vergangenen Jahr mehr als 2.800 Flüge durchgeführt – das sind acht am Tag. Und deutlich mehr als vorher! Demnach stieg der Kerosin-Verbrauch innerhalb eines Jahres um eine Million Liter – auf mehr als acht Millionen Liter.“

    https://www.news38.de/wolfsburg/vw/article300201260/vw-flugzeuge-jets-braunschweig-ndr-emissionen-co2-news.html?fbclid=IwAR1fAF43u11KBuUMbqQlw8MogTAWmYnSrXTBbI3MyMoGL61C8jR48a0CVDc

  2. Herr Dr. Kornblum sollte mal deutlich machen was Braunschweig bisher geleistet hat, um klimaschädliche Gase zu reduzieren. Wieviel qm Solarmodule liegen z.B. auf stadteigenen Dächern? Nach meiner Information wollen Kornblum und seine SPD einen Teil von Viewegs Garten zerstören, um seine Konzerthalle zu bauen. Geht`s noch? Noch mehr Beton statt Grün. Er hat anscheinend kaum was verstanden, trotz massiver Überschwemmungen in der Stadt vor wenigen Tagen.

  3. „In Deutschland gilt derjenige, der auf den Schmutz hinweist, für viel gefährlicher als derjenige, der den Schmutz macht.“ (Kurt Tucholski)

  4. Der/die Bürgermeister/in sind für ALLE Bürger einer Stadt da und nicht nur für ihre wählende Klientel. [„Verwaltungschef“] – Eben auch die Interessen der Wirtschaft und ALLER Bürger beachten.
    u.a.
    • die Leitung der Verwaltung,
    • die Gesetze auszuführen
    Der/die Bürgermeister/in hat eine Stimme im Rat der Stadt. Es ist die „Bürgerstimme“ und NICHT die seiner Partei, wo er Mitglied ist.

    Der/die Bundeskanzler/in hat (sollte) Gesamtdeutschland und die Interessen aller Bürger im Blick (haben) und nicht die Parteiinteressen.

    Das verstehen manche eben nicht wirklich oder eben absichtlich nicht.
    Was die einzelnen Parteien im Bundestag oder in dem Rat der Stadt machen, ist eben Parteipolitik.
    Im Bundestag oder in dem Rat der Stadt ist der Ort der politischen Auseinandersetzung.

    Alles andere ist nur Polemik.

    Info:
    Der Bürgermeister – Aufgaben, Rechte und Pflichten
    Konrad-Adenauer-Stiftung MV
    https://www.youtube.com/watch?v=duPCN4OJgPg

    • Dein Kommentar ist leider völlig unqualifiziert.

      Ein ehemaliger Oberbürgermeister in Braunschweig hat mit seiner Ratsstimme die Vernichtung des Schlossparks und den Neubau der „“Schloss-Arkaden“ besiegelt.
      Entgegen Deines Halbwissens hat der Oberbürgermeister eine Ratsstimme und kann politische Entscheidungen beeinflussen.

      Ich anempfehle einen kurzen Blick in die Niedersächsische Gemeindeordnung, bevor das Internet mit fragwürdigen Halbwahrheiten überschwemmt wird. Check your facts before posting.

  5. Natuerlich hat dieser ‚braunschweiger‘ voellig Recht: der Buergermeister vertritt alle Menschen in Braunschweig, die von der Klimakatastrophe betroffen sind, nicht nur irgendwelche Leute, die zur Stunde x im Stau y stehen.
    Kornblum toetet die Botin wegen der Nachricht, die sie ueberbringt.
    Das wird das Problem nicht loesen.

    Und mal ernsthaft: das bisschen Klimakleberei, was ist das verglichen mit dem Theater, wenn mal wieder die Autobahn gesperrt ist und alles ueber Braunschweigs Ring fliesst?
    Kornblum, uebernehmen Sie 😉 – fix ein Gesetz gebastelt!

    Wir brauchen weniger Verkehr. Und soziale Absicherung fuer die _ganze_ Gesellschaft – frei nach Kennedy: „Eine Gesellschaft, die ihre vielen Armen nicht ernaehren kann, wird ihre wenigen Reichen nicht schuetzen koennen.“

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