Düsenjäger zischen durch die Luft, französische Truppen marschieren mit deutschen Soldaten durch Paris, viele bunte Fahnen wehen, Vertreter der zehn Mitgliedsstaaten der „europäischen Interventions-Initiative“ nehmen die Parade ab (für Deutschland Kanzlerin Merkel).
Drei Tage zuvor hatte Macron in Cherbourg ein neues atomgetriebenes U-Boot vorgestellt, doppelt so groß wie die bisherigen. Es kann von hoher See aus Marschflugkörper auf Ziele in 1000 Kilometer Entfernung abfeuern. Fünf weitere sind bestellt. Kosten: über 9 Milliarden Euro. Am Vorabend der Parade teilte Macron mit, dass er nun ein militärisches Weltraumkommando aufbauen werde. Vor wenigen Wochen wurden erste Entwicklungsaufträge für das französisch-deutsch-spanische Projekt eines neuen Kampfflugzeuges FCAS vergeben, Deutschland und Frankreich teilen sich die Kosten der Konzeptstudie von 65 Millionen Euro. Die Entwicklungskosten bis zur Serienreife liegen bei geschätzten 8 Milliarden Euro. Insgesamt dürfte das Gesamtprojekt bis Mitte des Jahrhunderts mehrere Hundert Milliarden verschlingen. Ins Auge gefasst ist bereits ein weiteres Projekt: die Entwicklung und Produktion eines europäischen Kampfpanzers (unter deutscher Führung), eines Projektes, für das an die 100 Milliarden aufzubringen sein werden.
Flugzeugträger, um der globalen Rolle der EU Ausdruck zu verleihen?
Das von Frau Kramp-Karrenbauer vorgeschlagene Projekt eines deutsch-französischen Flugzeugträgers, von der Kanzlerin öffentlich befürwortet, zeigt den Geist, der hinter all dem steht: Es gelte, „der globalen Rolle der Europäischen Union als Sicherheits- und Friedensmacht Ausdruck (zu) verleihen“ (Welt, 13. März 2019). Die Neue Zürcher Zeitung spricht von „Frankreichs Weltmachtambitionen“, Präsident Macron dagegen betont: „Der Aufbau einer europäischen Verteidigung ist unsere Priorität.“ Deshalb hat er die Parade auch unter das europäische Motto „Agir ensemble“ (Gemeinsam handeln) gestellt.
„Gemeinsam besser und schneller Militärinterventionen durchführen“?
Zweierlei wird deutlich: Wenn die europäischen Völker all das ohne Widerspruch über sich ergehen lassen, müssen sie die Pläne ihrer Führungen teuer bezahlen. Und das bedeutet, sie müssten in vielen anderen Dingen Abstriche hinnehmen. Vor allem aber: Es geht nicht wirklich um Verteidigung (die Frage „gegen wen?“ hier einmal ausgeklammert), sondern um Machtexpansion und um den Aufbau eines militärisch-industriellen Komplexes. Wenn es noch eines Beweises bedurft hätte, so wäre er mit der „europäischen Interventions-Initiative“ erbracht, die seltsamerweise so gut wie keiner kennt. Die Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik benennt als Ziel dieses Projektes, „besser und schneller gemeinsame Militärinterventionen durchführen zu können“ (DGAP kompakt, 10. Juni 2018). Dabei sei vor allem an Afrika gedacht, aber es könne ja durchaus mehr daraus werden. Und, siehe oben, Deutschland ist dabei.
Wollen wir „so werden wie die USA“?
Die EU eifert also der Supermacht USA nach. Auch wenn sie weit von deren Machtstellung entfernt ist, auch wenn es Reibereien zwischen Frankreich und Deutschland um die Führung gibt – das ist nicht das, was die Bürger Europas im Sinn haben! Die meisten glauben immer noch an das Friedensprojekt Europa, sie hoffen auf einen eigenen friedlichen Weg, der Abhängigkeiten von den USA abbaut, der Machtkämpfe und kriegerisches Gehabe ebenso vermeidet wie den Versuch, anderen Völkern den Willen der EU aufzuzwingen.
Sobald sie erkennen, dass dieser eigene Weg gar nicht gesucht, sondern im Gegenteil Schritt für Schritt geradezu verbaut wird, wird es Probleme geben. Die Gelbwesten waren dann vielleicht nur die Vorboten. Bilder wie die von der Militärparade und Nachrichten über immer neue unsinnige Rüstungsprojekte könnten diesen Erkenntnisprozess beschleunigen. Zu hoffen wäre es.