Was für eine Frau! Die 89jährige Karola Schaaf aus Hamburg legte ihren regelmäßig erscheinenden Pressespiegel über die Situation in Afghanistan auf den Tisch und sprach ihren Vortrag in der Reihe WEGE ZU EINER KULTUR DES FRIEDENS in der Volkshochschule völlig frei.
Sie arbeitet seit vielen Jahren für amnesty international und leitet deren Koordinationsgruppe für dieses Land im Nahen Osten. Dabei kennt sie wie kaum ein anderer die Verhältnisse, bewahrt aber sie ihre eigene kritische Sicht. So begann sie gleich mit der Grundsatzfrage, ob wir als Männergesellschaft denn auf Seiten der Frauen stünden. Und die Zerstörung des Landes durch Geldraffer gibt es übrigens nicht nur dort, sondern auch bei uns.
In Anlehnung an Bischöfin Kässmann formulierte sie: „Es läuft vieles falsch in Afghanistan!“ In Deutschland gebe es noch 50.000 AfghanInnen, die sich nicht zurückzukehren trauen. Sie seien fast alle während der kommunistischen Herrschaft hierher gekommen. Aber während der Sowjetzeit sei es den Frauen wesentlich besser gegangen als unter den Taliban. Sie studierten und nahmen am politischen Leben teil.
Nach dem Abzug der Sowjets hätten es die Mudschaheds versäumt, das Land aufzubauen, und die Taliban hätten sogar die Trümmer der Zerstörungen weiß anmalen wollen, um ihre Herrschaft zu dokumentieren. Diese seien – ebenso wie Al Quaida – in Pakistan mit Hilfe der USA ausgebildet worden. Seitdem arbeiteten 80 Nichtregierungsorganisationen (NGOs) für die Entwicklung des Landes.
Karola Schaaf richtete einen Appell an die Anwesenden, mehr Sprachen zu lernen. Dolmetscher fehlen! Dieses Defizit behindere heute die Verständigung zwischen ISAF-Truppen und Einheimischen. Außerdem bemängelte sie die mangelnde Bereitschaft der Afghanen zu arbeiten, selbständig zu arbeiten. Weitere empörende Nöte seien verschmutztes Wasser und wie man dort dagegen vorgehe, die geringe landwirtschaftlich nutzbare Fläche von nur 20 % des Landes.
Ein Taliban sei äußerst schwer erkennbar. Teilweise verhalte er sich am Tage wie ein normaler Bewohner, teilweise gingen die jungen Leute nur aus Geldnot zu den Taliban. Diese zahlten 200 Dollar im Monat, während die von der ISAF ausgebildeten Polizisten nur 50 Dollar bekämen. Die Taliban bräuchten nur über das deutsche Lager hinweg zu schießen und schon erhielten sie „Schutzgelder“.
Die Polizistenausbildung werde nicht intensiv genug betrieben. Gelder kämen nicht an. Den Frauen im Parlament werde oft das Wort entzogen.
Es gebe immer noch Zwangsheiraten trotz der Vorschriften der neuen Verfassung. Aber dafür existiere auch noch keine wirksame Justiz. Töchter würden weiterhin – auch als Einsatz im Glücksspiel – verhökert. Wenn die internationalen Truppen jetzt abzögen, wären die Taliban sofort wieder an der Macht und alles würde wieder schlimmer. Dennoch sollten die 40.000 ausländischen Truppen ihre Waffen sofort abstellen und besser Hand anlegen für den Aufbau des Landes.
Das einzige, was im Überfluss vorhanden sei, seien Waffen. Dazu wies der Moderator darauf hin, dass das Friedensbündnis den bekannten Rüstungsexportgegner Deutschlands Jürgen Grässlin am 7.4. im Rahmen der diesjährigen Osteraktionen für Abrüstung nach Braunschweig eingeladen habe.