Auf einer Gedenktafel am Gebäude Bruchtorwall 1 in Braunschweig ist u.a. folgendes zu lesen:
„Ihre Prinzipien von Humanität und Freiheit vertrat sie konsequent in ihrer `Deutsche Geschichte` und trat damit in Widerspruch zur offiziellen Geschichtsauffassung der nationalsozialistischen Diktatur, was sie mit dem Austritt aus der Preußischen Akademie der Künste demonstrativ verdeutlichte. Ihr hervorragender Ruf als Schriftstellerin schützte sie vor weiterer Verfolgung.
1944 erhielt Ricarda Huch den Wilhelm-Raabe-Literaturpreis der Stadt Braunschweig“.
Dazu folgende Anmerkungen:
Ihr hervorragender Ruf bei völkischen, ultranationalistischen und deutsch-konservativen Kreisen war begründet durch ihre Teilnahme an der völkischen Bewegung seit 1914 mit diversen Publikationen und Reden (Deutsche Tradition, 1931). Ihre „urdeutsche“ Gesinnung hätte mit dazu beigetragen, dass die völkisch-nationale Bewegung 1933 an die Macht gelangte. So hatte der Präsident der Preußischen Akademie der Künste an Ricarda Huch im April 1933 geschrieben , um sie vom Austritt aus dieser abzuhalten. Sie würde ihr restliches Leben im Zuchthaus verbringen, wenn sie in dieser Zwangsanstalt bliebe, so Ricarda Huchs Begründung zu ihrem Austritt. Ihre Verdienste waren für die maßgebenden Nationalsozialisten ihre geistige Mobilmachung in ihren Werken, wie Entpersönlichung u.a Bausteine/Beiträge völkischer Weltanschauung, vor allem während der Weimarer Republik.
Im August 1933 teilt Die Neue Literatur, Hg. Will Vesper, mit: „Im Reichsverband deutscher Schriftsteller wurde ein Ehrensenat gebildet. Als erste Mitglieder wurden ernannt: Walter Bloehm, Rudolf Presber, Heinrich Sohnrey, Fedor von Zobeltitz, Atz von Rhyn, Oberregierungsrat Dr. Glasenapp, Ricarda Huch, Agnes Miegel, Ina Seidel, Lulu von Strauß und Torney, Hermann Stehr.“
Dieser von Goebbels initiierte nationalsozialistische Verband nahm nur zuverlässige Mitglieder auf. Im Oktober 1934 trat sie auch als Mitglied diesem Verband bei, der dann 1935 in die Reichsschrifttumskammer aufging. Sie stellte sich damit in den Dienst des völkischen deutschen Staats und setzte sich deutlich ab von beiden Literatur-Nobelpreisträgern Thomas Mann und Hermann Hesse.
Ihre beiden Bände zur Deutschen Geschichte, Römisches Reich deutscher Nation (1935) und Zeitalter der Glaubensspaltung (1938) entsprachen sehr wohl nationalsozialistischer Geschichtsschreibung und Literaturverständnisses. Dazu folgende Rezensionen: „Ich wüsste kein besseres Hausbuch deutscher Geschichte zu nennen. Man sollte es abends im häuslichen Kreise vorlesen und dafür ruhigfür eine Stunde den Lautsprecher abstellen.“
In. Die Neue Literatur, Heft 2, 1939 zu Glaubensspaltung
„Die Willensanspannung mit der sie weiter schaffte, ließ erstaunliche und reife Werke entstehen … und [wie] die glänzenden Kapitel `Römisches Reich Deutscher Nation‘.“
In: Der Mut zur Verwandlung, Völkischer Beobachter, 16. Juli 1944, Seite 4.
Diese „Hüterin deutscher Tradition“ wurde hochgeschätzt wegen ihrer diversen Beiträge zur völkischen Weltanschauung von Adolf Hitler, Josef Goebbels und Alfred Rosenberg. Zu ihrem 80. Geburtstag 1944 erhielt sie von Hitler ein Glückwunschtelegramm und einen steuerfreien Ehrensold in Höhe von 30.000 RM bewilligt. Goebbels gewährte ihr Reisen in die Schweiz und ständig Neuauflagen ihrer Werke. Rosenberg gestattete, dass mehrere Artikel von ihr und über sie im Völkischen Beobachter erschienen.
Frau Huch erhielt 1944 den Wilhelm-Raabe-Literaturpreis der Stadt Braunschweig, der mit Genehmigung von Josef Goebbels, Bernhard Rust und Gauleiter Hartmann Lauterbacher auf Betreiben von Braunschweiger Nationalsozialisten (Ehepaar Hoppe) erstmals und eigens für Ricarda Huch ins Leben gerufen wurde und mit 10.000 RM dotiert war.
Mit Gästen und Einwohnern auf Spurensuche in Braunschweig auf Veranlassung der Stadt und des Arbeitskreis „Andere Geschichte“ nach Dr. Ricarda Huch zugehen, ist abträglich für den Ruf unsere Stadt. Auch nicht hinnehmbar ist, dass Straßennamen nach Ricarda Huch, Agnes Miegel, Ina Seidel und Else Hoppe im Stadtteil Stöckheim benannt sind und erst Recht nicht, dass eine von Nationalsozialisten 1944 umbenannte Schule noch heute den Namen Ricarda Huch Schule trägt. So wird unser Braunschweig zu einer Pilgerstätte der Neuen Rechten.
So schwarz-weiß wie sie hier gemalt wird, ist die Welt nicht. Es werden hier in tendenziöser Weise nur Sachverhalte dargestellt, die gegen Ricarda Huch zu sprechen scheinen.
Das kann man eigentlich nur dadurch erklären, dass hier bewusst der Teil weggelassen wurde, der den Autor des Artikels beim Malen seines einseitigen Bildes störte.
Bei der Recherche musste der Autor zwangsläufig auch auf Fakten gestoßen sein, die für Ricarda Huch sprechen. Er hat sie ganz bewusst weggelassen. Warum? Keine Ahnung.
Ihrer Bitte zu differenzieren, ist meine Absicht als Historiker gewesen. Die von mir dargestellten Details sind bisher nicht veröffentlicht worden und gehörten auch auf die Denktafel.
Bitte lesen Sie meine Dokumentation:
Ricarda Huch – die erste Frau im „Dritten Reich“.
Wenn ich gemalt hätte, hätte ich die Farben schwarz-braun gewählt.
Friedrich Walz