Diplomat fordert vom Westen grundlegende Wende der Außenpolitik (Teil I)

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Angesichts der Corona-Pandemie wissen wir heute, dass sich unsere Gesellschaft zu wenig mit der drohenden Gefahr befasst hat, so dass sie schlecht vorbereitet war, und dass die Auswirkungen deshalb viel schlimmer waren (und sind), als sie es bei vorausschauendem Handeln hätten sein können. Ein ähnliches Desaster droht in einer anderen Frage. Wir schliddern immer tiefer in eine Weltlage hinein, die immer spannungsgeladener wird und die in einem schlimmen kriegerischen Konflikt enden kann. Quatsch? Das haben viele vor der Pandemie auch gesagt.

Der Diplomat im Ruhestand Michael von der Schulenburg hat 2017 mit seinem Buch „On building peace“ seine warnende Stimme erhoben; in der Internetzeitschrift „Internationale Politik und Gesellschaft“ (IPG), herausgegeben von der SPD-nahen Ebert – Stiftung, hat er seine Kritik an der Politik des Westens seitdem weiter vertieft und ergänzt. Wir stellen seine Analyse in Kurzform vor und hoffen, so das Interesse des Lesers am jeweiligen Original zu wecken (siehe link am Ende des Artikels).

Das „Ende mit Schrecken“: der NATO-Einsatz in Afghanistan war ein Fiasko

Schulenburg stellt fest, dass die USA im Februar in Afghanistan mit ihrem Abkommen mit den Taliban die Reißleine gezogen haben. Sie würden nun dort bis 2021 ihre Truppen abziehen, die anderen NATO-Staaten würden folgen. Es handele sich um das Eingeständnis einer Niederlage. Von 2001 bis 2017 seien von den USA 2,4 Billionen US-Dollar für diesen Krieg aufgewendet worden, bis zum endgültigen Abzug rechne er mit insgesamt 4 Billionen („Was hätte man mit solchen Beträgen alternativ machen können?“). Und trotz dieses Aufwands, trotz vollkommener Lufthoheit und trotz technischer Überlegenheit habe die NATO ihre Niederlage nicht verhindern können. Es war ihr nicht möglich, in Afghanistan ein westliches politisches System durchzusetzen.

Damit sei nun aber endgültig die globale Vormachtstellung des Westens gebrochen. Nach der Auflösung des Ostblocks und dem Ende des Kalten Krieges habe der Westen geglaubt, nun breche eine von ihm dominierte Ära an, in der er – vor allem natürlich die USA – überall auf der Welt sein westliches politisches System durchsetzen könne. Zu diesem Zweck sei mit militärischen Mitteln versucht worden, autoritäre und rückständige Regime zu beseitigen.

Diese Politik sei nun gescheitert. Sie habe viele menschliche Opfer gekostet und großen Schaden in den betreffenden Ländern angerichtet. Im Zuge der militärischen Operationen habe es massive Menschenrechtsverletzungen gegeben: „Wir haben damit unsere eigenen Werte verraten.“

Eine liberale Weltordnung, die man nach dem Ost-West-Konflikt erwartet und durchzusetzen versucht habe, werde es nicht geben. Der Westen sei nur Teil einer multipolaren und politisch diversen Welt und müsse endlich aufhören, das zu verdrängen. „Militärische Aufrüstung nutzt uns da wenig.“

Bundesregierung: mehr Militäreinsätze = mehr Verantwortung?

Leider scheine aber die Bundesregierung eine völlig entgegengesetzte Haltung zu haben. Sie zeige auch nicht den Hauch eines Zweifels am Sinn oder an der Durchführung des deutschen Militäreinsatzes in Afghanistan. Mit der Parole, Deutschland müsse „mehr Verantwortung zeigen“, untermauere sie ihre gewachsene Bereitschaft zu Militäreinsätzen auch anderswo und weigere sich, den Sinn von Militäreinsätzen in Kriegsregionen auch nur zu hinterfragen. Statt immer mehr Waffen auch in Krisenregionen zu exportieren, sollte Deutschland nun endlich beginnen, das Wort von „mehr Verantwortung“ ganz anders zu verstehen.

Michael von der Schulenburg: Ende mit Schrecken

Zum 2.Teil

Zum 3. Teil: Diplomat von der Schulenburg: „Deutschland legt eine ähnliche Überheblichkeit an den Tag wie der Westen nach dem Kalten Krieg

1 Kommentar

  1. In einem ansonsten guten Artikel unterstellt Michael von der Schulenburg den USA fälschlich gute Absichten:
    „Es ist eine Niederlage des Versuchs, autoritäre und rückständige Regime militärisch zu beseitigen, um damit den Weg für Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und wirtschaftliches Wachstum freizumachen.“

    Die USA verfolgen nicht Demokratie sondern Weltherrschaft, mit dem Ziel beliebiger Staaten zu ihrem eigenen wirtschaftlichem Vorteil zu erpressen und die Weltwährung Dollar aufrecht zu erhalten. Die USA ist völlig überschuldet und kann trotzdem Dollar ohne Ende „drucken“ und mit diesem wertlosem Papier bezahlen. (Naja in der Regel handelt es sich noch nicht einmal um Papier)

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