Die internationale Staatengemeinschaft will entschlossener gegen das Artensterben vorgehen. Im chinesischen Kunming wurde eine entsprechende Erklärung unterzeichnet. Doch die hat gravierende und zukunftsentscheidende Makel: Die völlige Unverbindlichkeit, die Ausweglosigkeit und ein auf Ausbeutung orientiertes Weltwirtschaftssystem, das dem Schutz der Biodiversität diametral entgegen steht. Erkennbar ist das sowohl lokal in Braunschweig beim Flächenmanagement als auch weltweit.
Auf der Weltnaturschutzkonferenz im chinesischen Kunming wurde in den vergangenen Tagen darauf hingewiesen wie wichtig es wäre, den Verlust von Tieren und Pflanzen innerhalb der kommenden zehn Jahre wenigstens zu bremsen. Es lehrt die Erfahrung, dass die Appelle und Pläne – und mehr sind es nicht – nichts nützen werden.
Die fast 200 Teilnehmerstaaten verpflichteten sich auf der Konferenz, die Artenvielfalt bei allen Regierungsentscheidungen zu fördern. Das soll laut einer Mitteilung der Vereinten Nationen dazu beitragen, dass sich die bedrohte Biodiversität bis spätestens 2030 erholt. Es soll ein starkes Signal an die internationale Gemeinschaft sein, wie der chinesische Umweltminister Huang Runqiu sagte. Das geplante Abkommen sei jedoch nicht „rechtlich bindend“. In der “Erklärung von Kunming“ legen sich die Staaten auch nicht auf konkrete Maßnahmen fest, um bestimmte Ziele im Bereich des Artenschutzes zu erreichen.
Einem bisherigen Entwurf für das globale Abkommen zufolge, sollen sich die Länder dazu verpflichten, bis 2050 „im Einklang mit der Natur zu leben“. Dafür werden 21 „Ziele für dringende Maßnahmen“ formuliert. So sollen 30 Prozent der Fläche an Land und im Meer bis zum Jahr 2030 unter Schutz gestellt werden und die Ausgaben für den Artenschutz innerhalb eines Jahrzehnts auf umgerechnet 173 Milliarden Euro jährlich steigen.
Das Abkommen soll bei einem Präsenztreffen vom 25. April bis 8. Mai kommenden Jahres wieder in Kunming verabschiedet werden. Es wird gerne mit dem Pariser Klimaabkommen verglichen, wird aber weniger bindend sein.
Kommentar: Die gravierenden Fehler, vor allen Dingen Zeitverzögerungen, die wir schon beim Klimawandel hatten, werden wiederholt bei dem großen Thema „Schutz der Artenvielfalt“. Wie beim Klimawandel hoffen wir bei der Artenvielfalt, dass es schon nicht so schlimm kommen wird. Das Prinzip Wissen wird ersetzt durch das Prinzip Hoffnung. Wenn nämlich der Punkt erreicht ist an dem sich der Schwund von Tieren, Pflanzen und Mikroorganismen derart drastisch bemerkbar macht, dass es das Leben beeinträchtigt, wie derzeit der Klimawandel, dann ist es bereits zu spät und nicht mehr rückholbar. Das ist seit Jahren wissenschaftliche Erkenntnis.
Grob geschätzt gibt es auf dieser Welt etwa acht Millionen Tier- und Pflanzenarten. Eine Million, so wird geschätzt, sind vom Aussterben bedroht, und zwar nicht in ferner Zukunft sondern viele schon in den kommenden Jahrzehnten. Und alle diese Lebewesen haben auch mit der Überlebensfähigkeit des Menschen zu tun. Und der Mensch ist auch derjenige, der die Umwelt dieser Pflanzen und Tiere zerstört. Er überdüngt die Böden, betoniert das Land. Der Mensch überfischt Meere und vermüllt den Planeten bis in die tiefsten Tiefen und in die höchsten Höhen. Es ist nicht erkennbar, dass sich das positiv ändern wird. Im Gegenteil. Sei es mit oder ohne Abkommen von Kunming.
Ignoranz, Bevölkerungswachstum und Wachstumsdogma der Wirtschaft sind die Ursachen
Warum glaubt der Mensch, dass ihn das alles nichts anginge? Den meisten Menschen, vor allem in den Industrienationen, ist offensichtlich nicht bewusst wie sehr sie von einer intakten Natur abhängen, mit all den Lebewesen, die in der Erde, auf der Erde und im Wasser leben. Es ist dringend Zeit, dass man sich diese Situation deutlich klar macht, denn der Artenschwund gefährdet die Grundbedürfnisse des Menschen, wie Essen Trinken und Atmen.
Leider besteht nicht viel Hoffnung, dass der Mensch aus seiner wissenschaftlichen Erkenntnis lernt und Konsequenzen zieht. Kunming steht mit seinen Ergebnissen für das ökonomische Paradigma. Hinzu kommt die wachsende Bevölkerung auf den Kontinenten. Sie alle brauchen Lebensressourcen und nehmen den Platz der natürlichen Habitate ein, die wir eigentlich schützen müssten.
Weiterhin ist es auch äußerst schwierig, die komplexen Zusammenhänge in einem Artengefüge belastbar darzustellen. Teilweise werden die bis heute auch noch nicht richtig verstanden. Der Artenschwund wird nicht so ernst genommen, wie z.B. der Klimawandel. Das liegt auch an den oft „weichen Daten“ in der ökologischen Forschung im Gegenatz zu den „harten Daten“ der Physik beim Klimawandel. Klar ist jedoch, dass Ökosysteme, je vielfältiger die aufgebaut sind umso stabiler sind und sie entwickeln sich zum Wohle der Menchen umso zuverlässiger, je mehr verschiedene Tiere, Pflanzen und Mikroorganismen darin leben.
Wenn Arten aus diesem funktionierenden Systemen wegfallen, kommt es zu ökologischen Zusammenbrüchen. Für den Menschen heißt das es droht Gefahr von Missernten, Bodenzerstörung, Pandemien, Hunger und Migration.
30 % des Festlandes und der Meere sollen unter Schutz gestellt werden. Pestizide und Düngemittel sollen eingespart werden. Das gelingt seit Jahren noch nicht mal in Deutschland, geschweige denn EU- oder weltweit. Warum sollte es sich unter gleichen ökonomischen Rahmenbedingungen verändernn?
Schutzmaßnahmen werden vom Menschen hintergangen werden
Die Lage der geplanten Schutzgebiete ist bekannt. Sie sind nach wissenschaftlichen Kriterien sorgfältig ausgesucht worden und sollen den größtmöglichen Effekt haben. Schutzgebiete auszuweisen wäre ein guter Anfang, weil Tiere und Pflanzen dort Rückzugsorte hätten wo sie sich vom Menschen ausruhen und unbehelligt ihren Nachwuchs großziehen können. Doch sind berechtigte Zweifel angebracht, ob dieser Weg die Lösung ist. Der Raubbau der Meere hat sich noch nie an Schutzgebieten orientiert, weil er profitgesteuert ist. Wir wissen, dass all das getan wird, was sich ökonomisch lohnt – mit oder ohne Schutzstatus. Sei es in einer Kommune, Region (Gewerbegebiete z. B.) oder weltweit – auch über die vielfach erwünschte und als Heilsbringer dargestellte Digitalisierung.
In Deutschland sind schon jetzt etwa 50% von Nord- und Ostsee unter Schutz gestellt. Siehe auch: „Leere Meere: Fischbestände am Limit.“ Das hört sich gut an. Ist es aber nicht! In mehr als der Hälfte darf absurderweise ganz legal und im großen Stil gefischt und nach Öl gebohrt werden. Mit derart faulen Tricks hat man gegen das Artensterben keine Chance. Wer das bekämpfen will, muss als erstes damit aufhören die Gefahr zu unterschätzen. Die Gefahr ist aber nicht mal in der Bevölkerung und Regierungen bekannt.
Aktuelle Politik
Ohne Verzicht auf Konsum und Wachstum wird sich der Schwund von Tieren und Pflanzen nicht stoppen lassen, vielleicht verlangsamt. Dass der Artenschwund auch in Deutschland nicht ernst genommen wird als Bedrohung der Menschheit, wird sich nach den Koalitionsvereinbarungen zeigen. Schon jetzt ist erkennbar, dass höchstens kleinste politische Stellschrauben bedient werden, denn die Menschen und Wähler wollen keinen Wandel. der ihnen Verzicht auf Konsum oder Event abverlangt. Und damit will das auch nicht die zukünftige rot-gelb-grüne Regierung. Es gibt keinerlei begründeten Anlass zur Hoffnung – trotz Kunming!
Lieber Uwe,
Du schreibst wirklich messerscharf genau wie es ist, mit aller gebotenen Dramatik!
wenn man bedenkt, dass unsere besonders umweltfreundlichen Radfahrer nun einen fast 6m breiten Weg als „Veloroute“ benötigen, wo vorher ca 3-3,5m für Radfahrer, Fußgänger und Anlieger mit KFZ ausreichten kann man auch mit dem Kopf schütteln:
https://www.braunschweiger-zeitung.de/braunschweig/article233611341/Braunschweigs-Uferstrasse-wird-zum-schicken-Fuss-und-Radweg.html
Eigentlich ist nur die Oberfläche der Uferstraße/Feuerwehrstraße schlecht, aber seit dem der ADFC-Bundesverband, ADFC-Kreisverband, Rad-Arbeitskreise im BS-Forum und die Initiative Fahrradstadt vehement mit Nachdruck überall breite Schnellradwege, Velorouten und Ringgleisausbau fordern und dabei auf ganz hohem Niveau jammern, lenkt die Verwaltung mit ein und plant solche absurden Projekte.
Von Umweltschutz hier keine Spur, fragt sich nur, wie viele Bäume für die Radfahrer fallen werden und wie viele Quadratmeter Wiese im Überschwemmungsbebiet der Oker für eine „Teststrecke“ zuasphaltiert werden müssen.
Teststrecke ist wieder so ein schöner Begriff, Braunschweig muss wieder eigene Wege gehen und Testen, kann man sich nicht bundeseweit oder landesweit mal auf einen verbindlichen Standard einigen?
Und wenn man sowas bemängelt, bei Wahlständen die Parteien anspricht und bei Demos die Fahrradclubs drauf hinweist, dass sowas unötig ist oder bereits mehrere asphaltierte Wege dort existieren wo man Schnellradwege fordert, drehen sich alle irgendwie weg, wollen nicht sachlich diskutieren, haben keine Argumente. Oder man sucht nen Ansprechpartner, der dann auch nichts sagen kann, hauptsache die unerwünschte Diskussion ist abgewürgt.
Gegen die A39 und gefällte Bäume im Hinterhof geht der Ede da oben ja auf die Barrikaden und demonstriert, leider anscheinend nicht gegen unnötige Radwegschneisen durch Biotope, Naherholungs- und Überschwemmungsgebiete.
Sicherlich brauchen wir ne Verkehrswende und mehr Raum für Fahrräder, aber gerade die Uferstraße ist ausreichend breit. Unsere Radelinitiativen und -Clubs haben es geschafft nun Projekte anzustoßen, die nur noch mehr Flächen versiegeln, statt zu schützen und die echten Probleme im Radverkehr wie Schäden und gefährliche Verkehrsführungen zu bemängeln.
Und nicht wenige von den Persönlichkeiten der Öko- und Radclubs gehen fürs gute Gewissen noch brav in Reformhaus und Bioladen einkaufen, hinterfragen aber nicht, was sie selbst mittlerweile angerichtet haben und durch mehr Asphalt anrichten werden.
Ist irgendwie schon so peinlich, wie bei FFF-Demos Menschen symbolisch durch (Plastik-)Blumentöpfe und Kerzen aus Paraffin (aus Erdöl oder Braunkohle) ersetzt werden und die üblichen Verdächtigen alle mitmachen, auf Kritik nicht reagiert wird.
Wenn wir immer nur auf die anderen mit dem Finger zeigen, aber uns selbst nicht in Bescheidenheit und klimaneutraler und umweltschonender Lebensweise üben, sind wir keine Vorbilder.
Wer für mehr Klimaschutz ist, vorgibt Klimaschutz- und Bienenschutzstadt werden zu wollen, kann nicht gleichzeitig 6 Meter breite Geh- und Radwege bauen und damit die Flächen versiegeln, sowie überall Beleuchtung (=Energieverbrauch) aufstellen weil die Radinitiativen das so wollen.