Brauchen wir mehr Auslandseinsätze?

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Die Bundeswehr zwischen Grundgesetz, NATO-Bündnis und UNO-Charta – Eine Rückschau auf die Entwicklung der Bundeswehr zeigt, wie die Bundeswehr immer mehr zum Instrument der Politik wird.

Ein Beitrag von Elke Almut Dieter
für das Friedenszentrum/Friedensbündnis

Während die Aufgaben der Bundeswehr im Grundgesetz klar umrissen und auf die Landesverteidigung innerhalb seiner Grenzen eng begrenzt waren, fand in den letzten Jahrzehnten eine stete Entgrenzung der Aufgaben statt. So beinhaltet der Artikel 24 bereits, dass sich die Bundesrepublik in ein System gegenseitiger kollektiver Sicherheit einordnet und dabei die Beschränkung seiner Hoheitsrechte billigend in Kauf nimmt.Das war als Kontrolle gedacht und den Nachkriegsbedingungen geschuldet. Die erste Entgrenzung findet im Rahmen des Bündnisses statt. Der Nordatlantikvertrag von 1949 enthält im Art. 3 bereits die Formulierung, „ dass die gemeinsame Widerstandskraft gegen bewaffnete Angriffe erhalten und fortentwickelt wird.“ Der Art. 5 enthält die Bündnisverpflichtung, „… um die Sicherheit des nordatlantischen Gebietes wieder herzustellen.“ Dieser Sicherheitsbegriff erweist sich als äußerst flexibel. Mit dem Strategiekonzept, das die Staats- und Regierungschefs der NATOMitgliedsstaaten 1999 unterzeichnet haben, tritt eine Veränderung des Aufgabenspektrums in der Form ein, dass „ die Allianz notfalls auch außerhalb des Bündnisgebietes in Krisen eingreifen darf…“

Der erste Einsatz der Bundeswehr außerhalb Deutschlands erfolgte 1999 im Kosovo auf der Basis der UN-Resolutionen 1160 und 1199 und wurde vom deutschen Bundestag beschlossen. Begründung: Wiederherstellung des Friedens in der Krisenregion , da die Sicherheit des euroatlantischen Raumes gefährdet sei.

Eine Friedenssicherung durch militärische Einsätze in Drittländern ist in den Augen des Friedenszentrums sehr fragwürdig. Waffen schaffen Zerstörungen und zivile Opfer und ersetzen keine Konfliktlösungen. Statt Geld in die militärische Aufrüstung zu geben, ist es sinnvoller, Geld zur friedlichen Vermittlung oder zur Vorbeugung vor Konflikten einzusetzen.

Eine weitere Entgrenzung der Aufgaben der Bundeswehr fand im Rahmen der Terroranschläge vom 11. 9. 2001 statt. Die UN-Resolutionen 1368 und 1373 von 2001 qualifizierten die Anschläge auf das World Trade Center in New York als Bedrohung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit. Aufgrund der UN-Resolutionen und auf Grundlage des Artikel 51 der Satzung der UNO beantragt die Bundesregierung den Einsatz bewaffneter Streitkräfte zur Unterstützung der USA bei der Terrorbekämpfung weltweit. Der Deutsche Bundestag stimmt daraufhin am 16.11.2001 der Beteiligung bewaffneter Streitkräfte an der Operation ENDURING FREEDOM zu. Seit 2001 unterstützt die Bundeswehr die amerikanischen Streitkräfte: Lufttransport, Seeund Seeluftstreitkräfte, sowie Spezialkräfte (!?!). Der Einsatz der Streitkräfte darf erfolgen, sobald der Bundestag seine konstitutive Zustimmung erteilt hat. In der Praxis erwies es sich, dass militärische Geheimnisse und Sicherheitsbedenken eine Kontrolle des Parlamentes stark einschränkten und bei entsprechendem Zeitdruck eine Zustimmung nachträglich eingeholt wurde.

Als Ergebnis der Bündnisverpflichtungen ist die Aufgabe der Bundeswehr völlig entgrenzt: – weltweite Einsätze im Auftrag der UN zur Gewährleistung von Sicherheit und Ordnung – NATO-Einsätze im Kampf gegen den Terrorismus Die Zahl der Auslandseinsätze steigt, ihr Erfolg ist fragwürdig. Die Operation ENDURING FREEDOM hat zum Ziel, Führungs- und Ausbildungseinrichtungen von Terroristen auszuschalten, Terroristen zu bekämpfen, sie gefangen zu nehmen und vor Gericht zu stellen, sowie Dritte dauerhaft von der Unterstützung terroristischen Aktivitäten abzuhalten. „Deutsche bewaffnete Streitkräfte tragen dazu mit ihren Fähigkeiten bei. Der Beitrag schließt auch Leistungen zum Zweck humanitärer Hilfe mit ein.“

Die Bundeswehr bezeichnet sich als Diener des Friedens. Die genannten Ziele dienen der Zerstörung eines Feindes, der vom Bündnispartner als Terrorist bezeichnet wird. Deutsche bewaffnete Streitkräfte sind dabei. Der Hinweis auf humanitäre Hilfe ist in meinen Augen ein populistischer Beitrag zur Öffentlichkeitsarbeit, zur Beruhigung der Bevölkerung. Umfragen ergeben immer noch eine große Mehrheit gegen militärische Einsätze. Gehört nicht auch der Export von Waffen in Krisenregionen zu den Vorbereitungen, eine Krise zu verschärfen und einen Waffengebrauch zu ermöglichen? Ergibt sich dann wieder eine neue Möglichkeit, einen Konflikt zu be“frieden“??

Bei dem Umbau der Bundeswehr im Jahre 2006, dokumentiert im Weißbuch 2006 mit dem Untertitel zur Sicherheitspolitik Deutschlands und zur Zukunft der Bundeswehr, erfolgt eine weitere Ausweitung der Aufgaben der Bundeswehr. Die Bundeswehr wird zum Instrument deutscher Sicherheitspolitik. Wolfgang Schneiderhan: „Globalisierung bedeutet .. aus sicherheitspolitischer Sicht vor allem eine Globalisierung der Unsicherheiten und der Bedrohungen…. Die künftige sicherheitspolitische Entwicklung wird bestimmt durch gesellschaftliche, ökonomische, ökologische und kulturelle Bedingungen, die nur im multinationalen Zusammenwirken beeinflusst werden können… Schneiderhan: „Wir benötigen eine zeitgemäße, vernetzte Sicherheitspolitik, deren Ziel es ist, Gefährdungen unserer Sicherheit bereits am Entstehungsort zu begegnen. Militärische Mittel und Fähigkeiten behalten dabei auch zukünftig ihren hohen Stellenwert bei der Friedenssicherung und bleiben entscheidend für die Glaubwürdigkeit unserer Politik.“

Die Interessen der deutschen Sicherheitspolitik sind völlig entgrenzt: regionale Krisen und Konflikte weltweit..Krisenbewältigung…globale Herausforderungen.. Internationaler Terrorismus…internationale Ordnung… Hinter dieser Ausweitung des Sicherheitsbegriffs stehen handfeste wirtschaftspolitische Interessen. In den verteidigungspolitischen Richtlinien/ im Weißbuch 2006 steht: Die Sicherheitspolitik Deutschlands wird … von dem Ziel geleitet, die Interessen unseres Landes zu wahren, … insbesondere den freien und ungehinderten Welthandel als Grundlage unseres Wohlstandes zu fördern und dabei die Kluft zwischen armen und reichen Weltregionen überwinden zu helfen. Das Friedensbündnis sieht in diesem Sicherheitsbegriff eher einen Vorwand zu kriegerischen Einsätzen mit dem Ziel, einen wirtschaftlichen Vorteil zu erreichen. Die Kriegseinsätze im Irak und in Afghanistan zeigen deutlich, dass die militärische Überlegenheit der USA und der NATO zu keinem Frieden geführt hat, dass die Probleme der Länder völlig ungelöst sind, ihre wirtschaftliche Lage durch die Kriegszerstörungen desolat und die Bevölkerung völlig verarmt ist. Bekannt ist, dass sich die amerikanischen Ölfirmen am irakischen Öl bedienen. Wie hieß es doch im Weißbuch? Die Sicherheitspolitik Deutschlands wird … von dem Ziel geleitet, die Interessen unseres Landes zu wahren, … insbesondere den freien und ungehinderten Welthandel als Grundlage unseres Wohlstandes zu fördern und ….. den Zugang zu wichtigen Rohstoffen und ihre Transportwege frei zu halten… Die Entwicklung der Bundeswehr von einer reinen Verteidigungsarmee hin zu einer Berufsarmee mit weltweiten Einsatzmöglichkeiten ist erschreckend linear. Dem gegenüber steht eine mehrheitliche Friedfertigkeit des Volkes. Bei Umfragen ergaben sich hohe Mehrheiten gegen Kriegseinsätze und die Ablehnung einer Bundeswehr, die der Politik als Instrument dient.

Frau von der Leyen vertritt die Interessen des wirtschaftlichen Standortes Deutschland und schwor, Unheil vom Volk abzuwenden und seinen Reichtum zu mehren. Meint sie, dass die wirtschaftlichen Interessen nur mit Hilfe der Sicherheitspolitik vertreten werden können? Dann wäre es nur folgerichtig, wenn sie vermehrte Auslandseinsätze befürwortet. Ich traue ihr das zu, ihr Handeln war immer zielgerichtet. Ihr Interesse an den Streitkräften hat sie durch den sehr frühen Truppenbesuch in Afghanistan deutlich gemacht. Es war eine ihrer ersten Amtshandlungen. Die Versicherung mütterlicher Fürsorge und die Aussicht auf soziale Wohltaten für die Soldaten und ihre Angehörigen diente der Attraktivitätssteigerung einer Bundeswehr, die seit der Transformation auf Freiwillige angewiesen ist. Man braucht sie. Auf der Münchner Sicherheitskonferenz wurde diese Politik von den Vertretern der Bundesregierung und vom Bundespräsidenten Herrn Gauck unterstrichen.

Es kann nicht um Großmachtspiele einer Berliner Republik gehen, die ihr wirtschaftliches und militärpolitisches Gewicht neben der Hegemonialmacht USA aufwerten will. Der Minister des letzten Kabinetts aus dem Verteidigungsressort wurde für die “ Kultur der Zurückhaltung in militärischen Angelegenheiten“ gelobt, obgleich die Auslandseinsätze und die Expansion der Rüstungsexporte eine andere Sprache sprechen. Das Friedenszentrum lehnt den Paradigmenwechsel der jetzigen Bundesregierung entschieden ab und wird sich auch weiterhin für einen anderen Friedensbegriff, eine Welt ohne Atomwaffen, einen Abbau der Rüstungsexporte und für friedliche Konfliktlösungen einsetzen.

 


Kommentare   
 
0 #1 Heiner Waßmuß 2014-02-06 20:48Ein sehr guter fundierter Artikel, den man Wort für Wort lesen muss! Was haben militärische „Friedens“-einsätze in den letzten Jahren oder überhaupt je bewirken können? Mehr Frieden jedenfalls nicht!Aber man muss sich entscheiden: Billige Importe und sichere Exporte erfordern militärische Sicherung, das kriegt man nicht geschenkt.Das schafft jedoch immer mehr Konfliktstoffe.
 
 

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