Seit vielen Jahren fährt der Domprediger, Joachim Hempel, mit Interessierten nach Äthiopien. Vor 42 Jahren absolvierte er in Addis Abeba sein Vikariat und hat noch immer vielfältige Beziehungen in dieses spannende Land, in dem die Mehrheit ein orthodoxes Christentum lebt. Die religiöse Geschichte reicht bis zur Königin von Saba zurück.
Der folgende Bericht handelt vom letzten Tag der Reise nach Äthiopien. Dieser Tag diente dem Besuch einer besonderen und bemerkenswerten Schule in Addis, die der Dom St. Blasii seit Jahren über Spenden finanziell unterstützt. (um)
Unsere Studienreise über Djibouti nach Äthiopien unter Leitung des Dompredigers, Joachim Hempel, geht mit der Ankunft in Addis Abeba am 13.02.14 zu Ende. Zum Abschluß wollen wir jedoch die German Church School besuchen. Diese Schule wurde von den Evangelischen Kirchen Deutschlands in den 70er Jahren gegründet und lebt nur von Spenden. Hier werden Kinder unterrichtet aus äußerst schwierigen sozialen Verhältnissen, die niemals eine Chance hätten, eine Schule zu besuchen. Der Dom St. Blasii gehört zu den größten Einzelspendern, und jedes Jahr wird auf verschiedene Art und Weise um Spenden gebeten, damit dieses einzigartige Projekt weiterhin gefördert werden kann.
Wir sind also sehr gespannt, als wir am Morgen dort eintreffen. Natürlich ist Unterricht.
Zuerst besuchen wir die Klasse mit den blinden Kindern. Hier gibt es drei Gruppen verschiedenen Alters. Um jede Gruppe kümmert sich eine Lehrerin. Die Kinder lernen dort mit der Blindenschrift das Lesen.
Bei zwei größeren Mädchen geht das Lesen erstaunlich schnell. Die schlanken Finger berühren die Punkte kaum, es sieht aus, als wenn sie darüber fliegen, und schon wird die Seite umgeblättert. Um diese Kinder muß man sich besonders intensiv kümmern. Sie sind nicht von Geburt an blind, sondern haben durch eine Augenkrankheit die starke Sehschwäche oder Blindheit bekommen. Würde die Schule sich nicht um diese Kinder kümmern, dann bliebe nur das Betteln, um zu überleben.
Wenn die Kinder lesen können, bekommen sie einen gesunden Paten oder eine Patin aus dem Kreis der Schüler. Die Blinden gehen dann in die normalen Klassen. Das nennt man bei uns Inklusion, über die seit Jahren gestritten wird. An der German-Church-School wird das Gemeinsame wie selbstverständlich praktiziert. Soziale Verantwortung lernt man so alltäglich.
Alle tragen Schuluniformen und machen einen zufriedenen Eindruck. Wir kommen mit solchen Schicksalen ja nie so hautnah in Berührung und sind tief beeindruck.
In der nächsten Klasse sehen wir Jungen und Mädchen von ca. 9 Jahren und werden fröhlich empfangen. Sie stehen alle auf als wir eintreten und sind sehr diszipliniert. Wann hat es so etwas zuletzt an unseren Schulen gegeben? Die Kinder freuen sich, uns zu sehen und machen einen glücklichen Eindruck. Es wird auch Deutsch gelehrt, und wir hören eine kleine Kostprobe. Danach hören wir zwei Lieder, und man merkt, daß die Kinder das mit Begeisterung tun. Es macht Spaß, diese kleine Horde anzusehen. Man sieht große Kulleraugen und hübsche Gesichter. Die schöne feinporige Haut ist faszinierend. Jetzt weiß man auch, warum immer gesagt wird: „Black is beautiful.“
Wir haben bei Gemeinschaftskunde den Unterricht gestört und begeben uns in die nächste Klasse.
Hier treffen wir auf die „Kleinen“. Auch sie benehmen sich vorbildlich. Alle stehen auf als wir eintreten und sehen uns voller Vertrauen an. Sie lächeln, und man sieht, es geht ihnen hier gut.
Doch dann ist die Disziplin vorbei. Es klingelt. Es ist Pause, und die Kinder stürmen aus den Klassenzimmern. Es gibt Milch und Weißbrot. Danach werden wir von der kleinen Bande umringt. Sie haben 1000 Fragen, zuerst unseren Namen und sind glücklich, wenn sie ihn aussprechen können. Danach wollen alle fotografiert werden. Es werden immer mehr, und man weiß gar nicht, wo man anfangen soll. Die Kinder haben keine Berührungsängste. Es sind eben fröhliche Kinder, wie man es sich wünscht, und wie es auch sein sollte.
Die Jungen sind etwas mutiger als die Mädchen. Sicher liegt das mit an der Erziehung, denn Frauen führen hier immer noch ein Schattendasein in Bezug auf Gleichberechtigung. Das bedeutet aber nicht, daß die Mädchen verschüchtert sind, eben nur zurückhaltender.
Der Schulhof ist nicht sehr groß, trotzdem gibt es keine Streitereien, wie das leider sehr oft an unseren Schulen üblich ist. Hier kümmern sich gesunde Kinder um die Blinden und Behinderten, weil es einfach selbstverständlich ist.
In der Pause gibt es zweimal wöchentlich Milch und ein Stück Brot. Wie am Milchausschank ersichtlich, ist sie heiß begehrt. Am liebsten würde man täglich Milch ausschenken, doch das scheitert vorerst an den finanziellen Mitteln.
Wir müssen uns langsam auf den Rückweg machen und erhalten noch einige Informationen. An dieser Schule arbeiten 24 Lehrer, eine Krankenschwester, die auch Gesundheit und Hygiene unterrichtet, Sozialarbeiter und technisches Personal, also etwa 39 Arbeitskräfte.
Ein richtig großes menschliches Problem ist die Aufnahme. Wer darf in diese Schule ohne Schulgeld, und wer nicht? Der Andrang ist riesig. Jedes Jahr prüft eine Kommission, die in die Slums von Addis geht, wer die Kriterien erfüllt, und wer damit aufgenommen werden kann. Die Ärmsten und sozial Schwächsten, darunter die Waisen, haben die größten Chancen. Für die Auswahlkommission, die die Entscheidung treffen muß, ist das eine hoch schwierige Aufgabe.
Eigentlich möchte man die Kinder ganztags betreuen, damit sie nicht so viel Zeit in ihrer armseligen Umgebung verbringen müssen. Denn wenn man gesehen hat, wie dort gelebt wird, haben sie verglichen damit in der German Church School ein Paradies. Das liegt auch an den hoch engagierten Lehrkräften, vor denen man nur Respekt haben kann. Sie leisten Außergewöhnliches.
Es ist zu hoffen, daß dieses Projekt nie zu Ende geht, und daß sich immer wieder Menschen
finden, die bereit sind, die bisher erlangten Erfolge am Leben zu erhalten oder noch zu verbessern.
Wir verlassen diese fröhlichen Kinder in der Hoffnung, daß die Wünsche in Erfüllung gehen, dieses Projekt durch Spenden immer wieder zu unterstützen. Es müssen nicht immer große Summen sein, auch kleine Beträge helfen.
Wer noch mehr Informationen und spenden möchte: www.germanchurchschool.de