Jürgen Scharna ist seit 1995 Geschäftsführer der Stadtbad GmbH, zum Jahresende geht er in den Ruhestand. Laut Braunschweiger Zeitung vom 24.11.15 hat er sich bereits von seinen Mitarbeitern verabschiedet und einen Resturlaub angetreten.
Die Amtszeit Scharnas war durch den Drei-Bäderbeschluss von 2007 geprägt. Für viele ist er der Hauptverantwortliche für die Schließung der Stadtteilbäder Wenden, Gliesmarode und Nordbad. Als Geschäftsführer einer kommunalen GmbH war sein Handlungsspielraum in Wirklichkeit begrenzt. Das Sagen hat die Ratsmehrheit, die auch die Aufsichtsratsposten der jeweiligen städtischen Gesellschaft entsprechend der Sitzverteilung im Rat besetzt.
In der Dienstzeit Scharnas hatten SPD und CDU im Rat stets die meisten Sitze. Die Hauptverantwortung für die Braunschweiger Bäderpolitik liegt daher bei diesen beiden Parteien. SPD und CDU wurden von „starken Männern“ geführt, die sich in der Bäderfrage weitgehend einig waren. Für die SPD war das der langjährige Fraktionsvorsitzenden Klaus Winter und für die CDU ab 2001 Oberbürgermeister Gerhart Hoffmann.
Winter erklärte z.B. am 30.09.2004 gegenüber der Braunschweiger Zeitung: „Das Drei-Bäderkonzept trägt entscheidend Züge der SPD und auch von mir.“ Und auch Hoffmann legte sich mächtig für das Drei-Bäderkonzept ins Zeug und stimmte in der entscheidenden Ratssitzung 2007 nur dagegen, weil er das Spaßbad gerne noch kleiner gehabt hätte.
Die Fraktionsmitglieder von SPD, CDU und Grünen folgten ihnen. „Spaßbäder“ waren in Mode, und was Wolfsburg bereits hatte, wollte man nun auch für Braunschweig. Kritische Stimmen von BIBS, Linken, FDP und in einigen Bezirksräten auch von SPD, CDU und Grünen blieben unbeachtet. Die von über 30.000 Bürgern unterstützte Initiative zur Einleitung eines Bürgerbegehrens wurde mit fragwürdigen Mitteln zum Scheitern gebracht.
Um die persönliche Rolle Scharnas genauer einschätzen zu können, müsste man über den Gesellschaftsvertrag der Stadtbad Braunschweig Sport und Freizeit GmbH hinaus auch seinen Anstellungsvertrag kennen, evtl. informelle mündliche Absprachen, Vereinbarungen, Aufträge usw., Insiderwissen, das wir nicht haben.
Bei Presse-Interviews und Auftritten in der Öffentlichkeit zeigte sich Scharna jedenfalls als eifriger Befürworter des Drei-Bäderkonzepts und wortreicher Erklärer der Pleiten-, Pech- und Pannen-Serie beim Spaßbadbau mit immer neuen Eröffnungsterminen und explodierenden Bau- und Betriebskosten. Die spätestens nach der Eröffnung erkennbar gewordenen Planungsmängel der „Wasserwelt“ (fehlendes Nichtschwimmerbecken, unzureichende Schwimmmöglichkeiten für die Öffentlichkeit) wurden kleingeredet.
Das Zurückbleiben der Besucherzahlen gegenüber den Prognosen führt Scharna auf ein Imageproblem zurück, für das er die Spaßbad-Kritiker, „Schicksalsschläge“ in der Bauphase und Vorurteile derjenigen, die das Bad noch nie besucht haben, verantwortlich macht. Die Rettung wird dementsprechend in Marketingmaßnahmen gesehen, was zur Einstellung eines entsprechenden Experten geführt hat.
Unser Hauptkritikpunkt sind die oberflächlichen und unrealistischen Kostenschätzungen, die Scharna als Grundlage der Ratsbeschlüsse von 2007 von Mitarbeitern anfertigen ließ. Sie wurden bereits 2007 vielfach angezweifelt. Denn die Sanierungskosten für die Stadtteilbäder z.B. wurden nicht konkret ermittelt, sondern lediglich auf Basis von „Erfahrungswerten mit ähnlichen Gebäuden“ „grob geschätzt und hochgerechnet“ (Heidemarie Mundlos, CDU, Bezirksratsantrag vom 14.06.07).
In Verbindung mit den ebenfalls im Hause Scharna errechneten, viel zu niedrig angesetzten Kosten für Bau und Betrieb der „Wasserwelt“ konnte so ein Kostenvorteil für das Drei-Bäderkonzept konstruiert werden. Ein „Trick“, der half, die Öffentlichkeit zu beeinflussen und schwankende Ratsmitglieder bei der Abstimmung über das Drei-Bäderkonzept am 27.02.2007 mit ins Spaßbad-Boot zu holen.
Dass die 2007 vorgelegten Kostenberechungen für die Sanierung der Stadtteilbäder tatsächlich viel zu hoch waren, konnte Anfang 2014 am Beispiel des Gliesmaroder Bades bewiesen werden. Die durch den Förderverein Badezentrum Gliesmarode e.V. beauftragten unabhängigen Experten ermittelten für Gliesmarode in einer detaillierten und transparenten Ausarbeitung Kosten, die nur rund halb so hoch waren wie die 2007 von der Stadtbad GmbH behaupteten 9-12 Millionen Euro.
Die Verdopplung der 2007 genannten Baukosten für das Spaßbad auf 35 Mio. ist seit Anfang 2015 bekannt (BZ vom 10.03.15). Der jährliche Zuschuss aus dem städtischen Haushalt an die Stadtbad GmbH ist von 4,8 Millionen Euro im Jahre 2007 auf 8 Millionen gestiegen (BZ vom 24.11.15). Alle dem Drei-Bäderbeschluss von 2007 zugrunde liegenden Zahlen haben sich damit als falsch erwiesen.
Der Nachfolger von Scharna, Christoph Schlupkothen, ist nicht zu beneiden. Er hat ein schweres Erbe angetreten. Dass er im BZ-Interview vom 24.11.15 trotzdem darauf verzichtet, an der Rettung des Gliesmaroder Bades herumzumäkeln und es als weiteres Angebot mit „eigenem Charme“ sogar lobt, finden wir sympathisch. Seiner Hoffnung, dass nach der Wiedereröffnung „insgesamt mehr Braunschweiger schwimmen gehen werden“, können wir uns nur anschließen.
Als Kritiker der Drei-Bäderpolitik werden wir – und alle anderen, die sich für den Erhalt der Stadtteilbäder eingesetzt haben – den bisherigen Geschäftsführer der Stadtbad GmbH nicht allzu sehr vermissen. Dem Pensionär Jürgen Scharna wünschen wir für seinen Ruhestand aber natürlich alles Gute.
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Das 1. Foto zeigt Scharna (vierter von links) zusammen mit Ratspolitikern bei der öffentlichen Vorstellung unseres Gegengutachtens zu den Sanierungskosten des Gliesmaroder Bades am 21.01.14 im BegegnungsZentrum. – Foto: Hans-Holger Schroeder
2. Foto: Die Initiatoren des Bürgerbegehrens „Schwimmen in Braunschweig“ vor dem Rathaus nach Abgabe ihres Antrags am 15.03.2007 (von links): Heinrich Betz, Hansi Volkmann und Ingeborg Wender.
Foto: Jörn Stachura, veröffentlicht in der BZ am 16.03.2007
Zur Bäderdiskussion seit 2007 noch immer unverzichtbar:
Homepage der Initiative zur Einleitung eines Bürgerbegehrens „Schwimmen in Braunschweig“