Über die Gefährlichkeit von Vorurteilen

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Michael Walther referierte im Rahmen der VHS-Reihe „Wege zu einer Kultur des Friedens“

Es fängt mit scheinbar harmlosen Klischees an, die über bestimmte Menschengruppen, seien es Türken, Schwule oder Behinderte, verbreitet werden. Jeder kennt sie, Kinder schnappen sie von ihren Eltern oder Spielkameraden auf und wenden sie gedankenlos auf ihre Opfer an. Dass aus solchen ungeprüften Einsortierungen in eine bestimmte Denkschublade rasch Schlimmeres erwachsen kann, belegte Michael Walther in einem eindrucksvollen Vortrag, den er am 19. 11. 2007 im Rahmen der von Friedenszentrum und Volkshochschule veranstalteten Vortrag in der „Alten Waage“ hielt. Die inzwischen traditionsreiche Reihe „Wege zu einer Kultur des Friedens“ bemüht sich seit Jahrzehnten um Alternativen zur kriegerischen Austragung von Konflikten; durch die Verbreitung des Gedankens von Prävention und Verständigung will sie ein Gegenstück zum offiziellen Korvettenkult unserer Stadt bilden.

Michael Walther machte am Beispiel der „Hass-Pyramide“ deutlich, wie aus dem gängigen Vorurteil handfeste Diskriminierung erwachsen kann, die im Extremfall in Mord bis hin zum Genozid führt. Die „ethnischen Säuberungen“ des 20. (und 21.) Jahrhunderts haben das zur Genüge bewiesen. Wie leicht sich Hass inszenieren lässt, demonstrierte der Referent am Beispiel des US-amerikanischen „Blue Eyes“-Experiment, bei dem alle Blauäugigen zu Bösewichten erklärt werden: über Nacht hatten die jungen Teilnehmer die (völlig willkürliche) Spielregel verinnerlicht – die Farbgrenze wurde zur unüberwindlichen Verständigungsbarriere.

Auch unsere Gesellschaft kennt solche Barrieren; es sind die Grenzen zwischen Einheimischen und „Menschen mit Migrationshintergrund“. Die hier geborenen Türken usw. haben die negativen Erfahrungen ihrer Eltern bereits verinnerlicht und rechnen sich selbst zu den „Verlierern“ in unserer Gesellschaft. Ihre schulischen Erfolge sind äußerst gering – im Gegensatz zu den Migranten der ersten Generation, deren Selbstbewusstsein nicht in früher Kindheit einen entscheidenden Knick erhalten hat.

Für die deutsche Mehrheitsgesellschaft stellt sich angesichts dieser Situation die frage, was mit der Integration schiefgelaufen ist. Michael Walther zeigte in einem Diagramm. Wie Ideologie, institutionelle Vorgaben (z.B. Gesetze), interpersonelles Verhalten und schließlich die Internalisierung bei den Betroffenen ineinander greifen. Während die Migranten der Nachkriegszeit, die Heimatvertriebenen, von der Adenauer-Regierung konsequent gefördert wurden, wurde dies bei den „Gastarbeitern“ und ihren Kindern versäumt. Damals konnten die – durchaus vorhandenen – ideologischen Vorbehalte der Mehrheitsbevölkerung überwunden werden. Dreißig Jahre später genossen die „Gastarbeiter“ keine offizielle Wertschätzung, geschweige denn Förderung. Das Ergebnis: Die Gräben werden immer tiefer.

Diese Gegenüberstellung macht zugleich den Schwachpunkt des ansonsten sehr kenntnisreichen und reflektierten Vortrag deutlich: Es fehlte an einer gesellschaftlichen und ökonomischen Einbindung des Modells. Das Wirtschaftwunder war es, das letztlich zur Integration der Schlesier und Ostpreußen beitrug; die BRD brauchte ihre Arbeitskraft. Die „Gastarbeiter“ dagegen wurden als Arbeitskräfte zwar angefordert, aber die abflauende Konjunktur der siebziger und achtziger Jahre gab ihrer Ausgrenzung erst den richtigen Drive. Der Konkurrenzkampf, der heute unsere Gesellschaft in Arme und Reiche polarisiert, trägt entschieden dazu bei, dass schon die Schulkinder nach Gewinnern und Verlierern sortiert werden. Hier entsteht ein gewaltiger Nährboden für Diskriminierung.

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