Anmerkungen zum Artikel „Quadriga oder wie man städtisches Geld zu sich umleitet …“

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Im meinem -zugestanden: polemischen- Artikel „Quadriga oder wie man städtisches Geld zu sich umleitet …“ vom 18.10.08 kam ich zu dem Schluss, dass die Borek-Stiftung der Stadt ein Geschenk macht, das dieser Stiftung gemäß Schenkungsvertrag verblüffenderweise -die städtischen Prognosen zugrunde gelegt- 160 000 € im Jahr Gewinn einbrächten.Von verschiedenen Seiten habe ich gehört, dass diese Vereinbarung dennoch in Ordnung sei, weil die Borek-Stiftung das so gewonnene Geld für kulturelle oder soziale Zwecke verwenden würde.

Tatsächlich wird im Schenkungsvertrag sogar explizit festgelegt, das die Borek-Stiftung die Einnahmen aus dem Quadriga-Kartenverkauf, die die Stadt ihr alljährlich überweisen wird, für das „Schloss-Museum“ verwenden wird.1

Der im Schenkungsvertrag zwischen Borek und der Stadt festgelegte Handel ist also -die städtischen Prognosen zugrunde gelegt- wie folgt zu beschreiben:

– Die Stiftung übereignet der Stadt die Quadriga, die die Stiftung 700 000 € (= 40 000 € p.a. bei ~5 ½ % Zinsen) kostet.
– Dafür verpflichtet sich die Stadt, der Borek-Stifung jährlich alle Einnahmen aus dem Quadriga-Kartenverkauf zu geben ( = prognostizierte 200 000 € p.a.), über die sie sonst -bei Kauf der Quadriga- frei hätte verfügen können.
– Die Borek-Stiftung verpflichtet sich im Gegenzug, Gelder in genau dieser Höhe für das ‚Schlossmuseum’ aufzuwenden.

In knapperer Form lässt sich dieser Handel wie folgt beschreiben:

Die Stiftung gibt der Stadt 40 000 € p.a.
Die Stadt gibt der Stiftung dafür 200 000 € p.a. zurück.
Die Stiftung wendet dafür 200 000 € p.a. für das ‚Schloss-Museum’ auf.

Und ganz knapp heißt dass:

Die Stadt gibt der Stiftung 160 000 € p.a.
Die Stiftung wendet dafür 200 000 € p.a. für das ‚Schloss-Museum’ auf.

Also behält die Borek-Stiftung am Ende kein Geld für sich zurück, sondern steckt mit 200 000 € jährlich sogar 40 000 € mehr in eine öffentliche Einrichtung, als sie der Stadt vorher -durch ihre „Schenkung“- abgenommen hat. Macht also die Stiftung hier am Ende doch kein Geschäft auf Kosten der Stadt, sondern ist die selbstlos Gebende? Ist meine Darstellung im Quadriga-Artikel also böswillig und unzutreffend, weil darin wesentliches verschwiegen wird?

Dazu ist festzustellen:

a.) Seit nach dem Abriss der Ruine des Ottmer-Schlosses im Jahr 1960 ist die Wiederherstellung dieses Gebäude ein ganz besonderes Anliegen der Familie Borek. Konsequenterweise ist die Borek-Stiftung laut Aussage von Richard Borek 1981 mit dem Ziel der Schloss-Rekonstruktion gegründet worden.2

Da Herr Borek bekanntermaßen das ECE-Schloss als wiederaufgebautes Ottmer-Schloss ansieht, ist die Regelung, dass die Borek-Stiftung die vereinnahmten Gelder für das Schloss-Museum ausgeben soll, keine Überraschung und legt ihr auch keinerlei nennenswerte Fesseln an. Die vereinbarte Verwendung der Gelder liegt schließlich im Hauptinteressenfeld der Stiftung.3 Zudem ist der Stiftung vertraglich völlig freie Hand gelassen, in welcher Form sie das von der Stadt erhaltene Geld dem ‚Schlossmuseum’ zukommen lassen will. Wie es aussieht, kann die Borek-Stiftung dieses auch in Form von Sachleistungen tun, die sie für passend hält.4

D.h.: Die Stiftung kann über das Geld aus dem Kartenverkauf, das ihr dank ihrer Schenkung jährlich von der Stadt zufließt, abgesehen vom generellen Verwendungszweck ‚Schloss-Museum’ (der aber -wie gesagt- ohnehin zum zentralen Anliegen der Stiftung gehört) frei nach eigenem Gutdünken und im eigenen Sinn verfügen.

b.) Nun lenkt die Stiftung mittels Schenkung 160 000 € städtischer Gelder in die eigene Kasse, legt aber noch 40 000 € drauf, um dann insgesamt 200 000 € für das ‚Schloss-Museum’ zu verwenden. Könnte es sich hierbei nicht einfach um eine glückliche Symbiose handeln, von der beide Seiten -Stiftung und Stadt- profitieren?

Das wäre nur dann ohne weiteres der Fall, wenn die Interessen der Stadt und der Stiftung bezüglich des ‚Schloss-Museum’ deckungsgleich wären und die Stadt wenigstens Leistungen im Wert von 160 000 € p.a., mit der nun die Borek-Stiftung das ‚Schloss-Museum’ bedenken wird, sonst hätte selbst finanzieren wollen. Eine entsprechende Absichtserklärung des Rates hat es aber nie gegeben. Mehr noch: Der Oberbürgermeister hat ausdrücklich erklärt hat, dass kein Cent Steuergelder ins „Schloss“ gehen solle, weil andere Dinge vordringlicher sind. Auch wenn er dieser Position nach schwerem Ringen ein einziges Mal untreu geworden ist ( wofür er sich auch prompt massiven Protest eingehandelt hat), hat er damit doch eine Positionsmarke gesetzt.

Somit ist das „Schloss-Museum“ erst einmal nicht mehr als ein öffentliches Projekt neben vielen anderen, die die Stadt vielleicht für prinzipiell förderungswürdig hält, die sie aber aufgrund der Begrenztheit ihrer finanziellen Mittel nicht alle in wünschenswertem Maß fördern kann.

Sicher wird es Braunschweiger geben, denen das „Schloss-Museum“ von all diesen Projekten am wichtigsten ist. Es wird aber auch viele Menschen in Braunschweig geben, die ganz andere öffentliche Einrichtungen, z.B. ein Jugendzentrum oder eine Verbraucherzentrale mit Schuldenberatung, auch die Förderung von Kleinkunst, des Kunstvereins oder anderer kulturellen Einrichtungen, für fruchtbarer und wichtiger halten.

Der Rat der Stadt -die gewählte Vertretung der Bürger- ist in solchen Fällen dazu da, einen Interessenausgleich zu finden und die knappen Gelder so gerecht wie möglich zu verteilen.

Wenn Herr Borek mit der Stadt einen Handel machen will, der im Kern beinhaltet, dass die Borek-Stiftung 200 000 € p.a. in das ‚Schloss-Museum’ steckt, wenn die Stadt dafür der Stiftung 160 000 € p.a. zuweist, dann soll das offen gesagt und im Rat der Stadt darüber aggestimmt werden. Wenn das nicht gemacht wird, sondern dieser Handel gegenüber der Stadt als „Schenkung“ kaschiert wird, muss Borek sich vorwerfen lassen, dass dies nicht im Interesse des Gemeinwohls geschieht, das andere Anliegen kennt als das „Schloss-Museum“, sondern allein im stiftungseigenen Interesse.

Daran ändert auch der Umstand nichts, dass die Borek-Stiftung dem aus der Stadtkasse ins „Schloss-Museum“ umgeleiteten Geld 40 000 € p.a. hinzufügt. Angesichts der klammen finanziellen Lage, in der sich die Stadt befindet (die Verkehrsbetriebe müssen aus Geldmangel ihren Fahrplan einschränken, die Straßen können nur noch teilweise beleuchtet werden) mögen 160 000 €, dort eingesetzt, wo es dem Rat der Stadt dringlich scheint, für das Gemeinwohl unvergleichlich viel wertvoller sein als die 200 000 €, die für Teegeschirr von Victoria Luise u.ä. im „Schloss-Museum“ verwendet werden.

Die Rechtfertigung, dass große Vorhaben nicht durch Ratsdebatten zerredet werden dürften, trifft nicht. Denn was einigen groß oder mindestens förderungswürdig erscheint: das „Schlossmuseum“, erscheint anderen vielleicht schon aufgrund der Räume, in denen es untergebracht werden soll (am Rande eines Einkaufszentrums, in einem frei phantasierten sogenannten „Thronsaal“ in „schlossähnlicher Anmutung“), als ein peinliches Projekt. Um hier zu einer Entscheidung zu gelangen, ist -wie gesagt- der Rat der Stadt gefragt. Wer meint, dass seine Meinung bezüglich der Verwendung städtischer Gelder schwerer wiegt als die der politischen Vertretung, weil er einer besonderen Familie angehört, verkennt er die Grundlagen unseres demokratischen Gemeinwesens.

c.) Erwähnenswert ist noch ein weiterer Vorteil, den die Borek-Stiftung durch die Regelung des Schenkungsvertrages erlangt, dass die Gelder, die die Stadt aus den Kartenverkauf einnimmt, den Umweg über die Stiftung nehmen, ehe sie ins ‚Schloss-Museum’ fließen:

Mit einem Einsatz von einmalig 700 000 € / jährlich 40 000 € kann die Stiftung dadurch auftreten:

1. als Spenderin der Quadriga im Wert von einmalig 700 000 € / jährlich 40 000 € (womit das eingesetzte Geld eigentlich aufgebraucht wäre)
2. und zudem als Spenderin von Leistungen in Höhe von erwarteten 200 000 € jährlich an das „Schloss-Museum“.

D.h.: Obwohl die Stiftung die Stadt de facto mit einer Spende im Wert von 40 000 € p.a. bedenkt, erscheint sie aufgrund der Gestaltung des Schenkungsvertrages als Spenderin von 240 000 € p.a. Aus der vermeintlichen zusätzlichen Großspende in Höhe von 200 000 € p.a. resultiert ein entsprechender Ansehens- und (indirekt) Machtgewinn der Borek-Stiftung und der Familie Borek, der ihr eigentlich nicht zukommt.

Weitere Anmerkungen zu meinem Artikel ‚Quadriga….’

1.) Ob die Prognosen der Stadt (100 000 zahlende Quadriga-Besucher pro Jahr – das erste Jahr sogar 150 000) aufgehen, sei dahingestellt. Diese Prognosen scheinen mir übertrieben – aber offensichtlich wird bei den ‚Schloss’-Freunden von solchen Zahlen ausgegangen. Und das allein zählt, wenn es darum geht, das Agieren der beiden Vertragspartner zu beurteilen.

Die städtischen Zahlen zugrundegelegt, erübrigt sich auch das Argument, dass ein Quadriga-Kauf seitens der Stadt im Rat nicht durchzubekommen gewesen wäre. Bei den Besucherzahlen, mit denen die Stadt rechnet, ist der Kauf der Quadriga ein Gebot wirtschaftlicher Vernunft. Und mein Artikel beruht ausdrücklich auf diesen Zahlen.

2.) Folgende Überlegung scheint auf den ersten Blick zu zeigen, dass die Annahme der Quadriga zu den von der Stiftung gesetzten Konditionen für die Stadt jedenfalls finanziell vorteilhaft ist:

‚Es ist gerechtfertigt, dass die Borek-Stiftung sämtliche Einnahmen aus dem Quadriga-Betrieb für ihre Zwecke verwenden will, weil sie schließlich die Quadriga gespendet hat. Wenn die Stadt Boreks Geschenk annimmt, macht sie dennoch in jedem Fall -wenn sie denn eine Quadriga haben will- ein gutes Geschäft. Schließlich hätte die Stadt auch dann, wenn sie die Quadriga von Borek nicht annähme, keine Einnahmen – und zudem keine geschenkte Quadriga.’

Diese Überlegung wäre jedoch nur korrekt, wenn die erwarteten Einnahmen von 200 000 € pro Jahr aus dem Quadriga-Betrieb wirklich allein der Quadriga selbst zu verdanken wären. Ist aber für einen Quadriga-Betrieb, der solche hohen Einnahmen erwarten lässt, die von der Borek-Stiftung gestiftete Quadriga allein hinreichend? Wenn das so wäre, wäre die Produktion von Monumentalplastik-Repliken ein florierender Wirtschaftszweig. Wo sonst könnte man sonst mit 700 000 € Investition einen Reingewinn von 165 000 € ( Einnahmen nach Abzug der Betriebs – und Unterhaltungskosten) pro Jahr erzielen?
Tatsächlich würde aber die Quadriga-Replik, in Boreks Garten oder in einem Freizeitpark aufgestellt, kaum Besucher anlocken und sich schwerlich rentieren. Entscheidend für den finanziellen Erfolg des Quadriga-Betriebes ist eindeutig dessen Standort. Nur im Zusammenhang mit der von der Stadt (und nicht von Borek!)mit über 13 Millionen € finanzierten Schlossfassade kann die Quadriga eine große Anziehungskraft entfalten, nur hier umgibt sie die Aura des Authentischen, da hier auch ihr Vorgängerin stand. Die Rechte an diesem Platz hat sich die Stadt in Verhandlungen mit ECE gesichert, das Stadtmarketing bewirbt mit großem Aufwand das ‚Schloss’ etc. D.h.: die Stadt hat mit erheblichen finanziellen Aufwand den Boden dafür bereitet, dass der Quadriga-Betrieb Aussicht auf Erfolg hat. Die Quadriga selbst ist nur die offensichtliche Spitze des Quadriga-Betriebes. Und deshalb ist es ungerechtfertigt, die erwarteten Einnahmen aus dem Quadriga-Betrieb vollständig der Borek-Stiftung zu überlassen: Die Stadt verzichtet damit auf sämtliche Einnahmen aus einem Betrieb, in den von städtischer Seite indirekt schon erhebliche Gelder geflossen sind und direkt weiter fließen werden (sämtliche Betriebskosten), in den die Borek-Stiftung aber nur einmalig 700 000 € investiert hat.

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1 Der entsprechende Passus lautet:

‚Wenn der Betrag der Refinanzierung [des Quadriga-Treppenaufgangs ( Amn. des Verfassers)] erreicht ist, fließen die Gelder in voller Höhe der Stiftung für das Schlossmuseum zu.’ Eine ‚Stiftung für das Schloss-Museum’ gibt es laut aktuellem Stiftungsverzeichnis nicht, mit ‚Stiftung’ wird im Schenkungs-Vertrag die Borek-Stiftung bezeichnet: der besagte Satz ist also so zu interpretieren, dass letztere die Gelder irgendwie für das Schloss-Museum verwenden soll.

2 siehe dazu nB vom 15.10. 08, Seite 20, in der Richard Borek wie folgt zitiert wird: ‚Mein Vater hat versucht, den Abriss des ehemaligen Residenzschlosses zu verhindern. 1981 gründete ich die Borek-Stiftung mit dem Ziel des möglichen Wiederaufbaus.’

3 Dieses wird auch dadurch sichtbar, dass die Borek-Stiftung seit Jahren schon -also lange bevor an den Schenkungsvertrag zu denken war- aus eigenem Antrieb Gegenstände, die mit den Welfen zusammenhängen, auf Auktionen etc. erwirbt, um sie irgendwann dem Schloss-Museum zu übereignen.

4 Diese Freiheit erscheint im vorliegenden Fall aus zwei Gründen heikel:
Zum einen ist allgemein bekannt, dass die Familie Borek in einem besonderen Naheverhältnis zu Victoria Luise, der letzten Herzogin, stand – sie wohnte bei den Boreks. Entsprechend mag sich auch in der Auswahl der Gegenstände, die die Borek-Stiftung für das ‚Schloss-Museum’ auswählt, dieses besondere, der wissenschaftlichen Objektivität nicht unbedingt förderliche Verhältnis widerspiegeln. Das mag im Interesse der Stiftung liegen, im Interesse der Öffentlichkeit jedoch kaum.

Zum anderen hat die Borek-Stiftung seit Jahren schon diverse welfische Erinnerungsstücke erworben. Wer garantiert, dass sie für diese einen angemessenen Preis berechnet? Diese Frage kommt nicht von ungefähr. Borek ist Münz- und Medaillenhändler. Wer sich in der Szene auskennt, weiß von seiner Firma, der MDM, vor allem eines zu berichten: dass es -vorsichtig ausgedrückt- viele verlässliche Händler gibt, die die gleichen Produkte wie MDM zu weit günstigeren Preisen liefern. (Siehe dazu z.B. das Echo, was dazu auf Sammlerforen zu hören ist; hier ein weiteres Beispiel.)

Diese Überlegungen spiegeln Befürchtungen wider, nicht mehr. Aus der Luft gegriffen sind sie jedoch nicht, und der Borek-Stiftung bleiben diesbezüglich jedenfalls alle Handlungsmöglichkeiten offen, da im Schenkungsvertrag keine einschränkenden Regelungen getroffen sind.

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