Auf der Suche nach dem Recht – Der Impuls des Fritz Bauer in Braunschweig

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Zur Aufführung des Filmes „Fritz Bauer – Tod auf Raten“ am 11.Mai 2010 im Cinemaxx Braunschweig mit Ilona Ziok

Am 11.Mai wurde im Cinemaxx in Braunschweig der Film „Fritz Bauer –Tod auf Raten“ gezeigt. Die Filmemacherin Ilona Ziok war auch anwesend und stellte sich dem Publikum für Fragen zur Verfügung.

Nun, was war das Besondere an dem Film? Zunächst einmal, dass er fast ausverkauft war. Zum ersten Mal hatte ich für einen Film einen Platz reservieren lassen. Das heißt, dass immerhin in Braunschweig einige Personen schon etwas über Fritz Bauer wissen. Denn das ist ja das eigentlich Ungewöhnliche an ihm, dass ihn in Deutschland fast niemand mehr kennt, obwohl er eine der bedeutendsten Personen der deutschen Nachkriegsgeschichte ist. Und das hängt mit der Verdrängung der deutschen Geschichte zusammen, zu der Historiker, Juristen, Politiker und auch Medien wesentlich beigetragen haben.

Aber nun zum Film: Frau Ziok wies darauf hin, wie schwierig es war, eine Finanzierung für den Film zu finden. Drei große deutsche Sendeanstalten waren nicht dazu bereit, schließlich übernahm der kleinste deutsche Sender, der Saarländische Rundfunk, einen Teil der Kosten. Auch bei der weiteren Vorbereitung des Filmes fand sie überraschend wenig Unterstützung.

Lag es daran, dass es um Fritz Bauer ging? Der Generalstaatsanwalt, der den Auschwitz-Prozess initiierte. Der dafür sorgte, dass Eichmann 1961 in Argentinien gefasst wurde, indem er den Tipp über dessen Aufenthaltsort an den israelischen Geheimdienst gab und nicht an die deutsche Justiz. Der in Braunschweig den Remer-Prozess führte, bei dem es um die Attentäter des 20.Juli ging. Durch ihn wurden diese und ihre Familien rehabilitiert, weil der Angriff auf einen Tyrannen kein Verbrechen sei, sondern eine notwendige Tat.

Der Film wirft auch neue Fragen auf. Zum Beispiel, ob Bauer eines natürlichen Todes starb.

 

So beginnt der Film gleich mit dem ungewöhnlichen Tod von ihm; er starb in der Badewanne. Und es fand keine Autopsie statt, obwohl nicht eindeutig geklärt war, wie es passierte. Dabei hatte Bauer jahrelang zahlreiche Morddrohungen erhalten; immerhin trug er auch eine Pistole, die er wegen dieser Drohungen beantragt und erhalten hatte.

Der Film spielt ganz in den 50iger und 60iger Jahren, in denen Bauer zuerst in Braunschweig und dann in Frankfurt tätig war. Nur die Zeitzeugen berichteten aus der Gegenwart heraus rückblickend in diese Jahre bzw. die Personen, die dabei etwas über Fritz Bauer und seine Wirkung mitteilen konnten, z.B. auch der ehemalige spätere Braunschweiger Generalstaatsanwalt Herr Kintzi.

Markant ist auch, dass Fritz Bauer schon in den 50iger Jahren als Generalstaatsanwalt in Braunschweig (und später auch in Frankfurt) den Spruch in das Gebäude der Staatsanwaltschaft gegenüber dem Dom von Heinrich dem Löwen einmeißeln ließ: „Die Würde des Menschen ist unantastbar – sie zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt:“ Es ist ja der Satz, der 1961 zum Leitmotiv von amnesty  international wurde, als die Organisation in London vom dortigen Rechtsanwalt Peter Benenson gegründet wurde. Er hatte – als er von willkürlichen Verhaftungen in Portugal gehört hatte – einen Aufruf in Londoner Tageszeitungen gestartet und eine überraschende große Resonanz gefunden.

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Dieser Impuls hätte schon Jahre vorher von Braunschweig oder Frankfurt ausgehen können – durch Fritz Bauer. Stattdessen berichtete er – wie es in dem Film Ralph Giordano erwähnt – wenn er in Frankfurt sein Büro verlasse, sei er in „Feindesland“. Nur mit äußerster Mühe und Kraft und gegen viele Widerstände gelang es ihm, seine Prozesse erfolgreich durchzuführen – in einem Land, in dem man von Aufarbeitung und Wahrheit wenig hören wollte. So waren viele letztlich froh, als er gestorben war – wie sollte man es auch sonst erklären, dass ein Mensch in solcher Weise in Vergessenheit geraten konnte.
Sein nächstes geplantes Vorhaben, die Euthanasie-Prozesse durchzuführen, entfiel damit, niemand nahm seine Nachfolge ein. Selbst seine Bücher und Schriften gerieten in Vergessenheit, in denen er neue und auch für die Justiz ungewöhnliche Gedanken entwickelte und damit seiner Zeit weit voraus war. Und dabei fühlte er sich mit der Bundesrepublik Deutschland und seinen Gründungsimpulsen und Rechtsgrundsätzen eng verbunden. Er glaubte an das Recht.

Aber das Recht und auch die Menschenrechte sind eben nicht in Deutschland entstanden. Anders als in den westlichen Ländern mit einer demokratischen Tradition trat in Deutschland der Individualgedanke hinter dem Kollektivgedanken zurück. Der Versuch, die Würde des einzelnen Menschen – wie es im Grundgesetz verankert ist – auch in der Praxis umzusetzen, war nicht einfach. Man muss sich vorstellen, dass Adenauer genau den Mann zum zweitmächtigsten Mann im Staat nach sich machte, der als Kommentator der Nürnberger Rassengesetze die Ungleichheit  der Menschen als den eigentlichen Fortschritt der nationalsozialistischen Revolution erklärte: „Das rassische Denken des Nationalsozialismus bedeutet (…) die Abkehr von dem liberalistischen Grundsatz von der Gleichheit aller Menschen.“ (Stuckard, Globke: Kommentar zur Reichsrassengesetzgebung, 1936). Globke war durch Adenauer die graue Eminenz,  der als Staatssekretär für  viele zentralen Weichenstellungen in der jungen Bundesrepublik  verantwortlich war und wichtige Entscheidungen fällte, aber wegen seiner Vergangenheit im Hintergrund blieb. Auch er ist heute fast niemandem bekannt, jedoch aus ganz anderen Gründen.

Vielleicht gelingt es in der heutigen Zeit wieder, an den Geist des Grundgesetzes anzusetzen, dem Fritz Bauer sich so verbunden fühlte. Amnesty international wird 2011  50 Jahre alt und ist zur größten Menschenrechtsorganisation weltweit geworden. Vielleicht kann man sich dabei auch auf Fritz Bauer besinnen und sich wünschen, dass immer mehr Menschen solche Menschenrechtsimpulse aufgreifen. Vielleicht können dann von Deutschland aus auch positive Impulse ausgehen.

Der Film stellt einen wichtigen Beitrag dar, Fritz Bauer und seine Anliegen dem Vergessen zu entreißen. Bei der Diskussion im Cinemaxx erwähnte die Filmemacherin Frau Ziok, dass es inzwischen auch eine Anfrage wegen einer möglichen Oskar-Nominierung im Bereich Dokumentarfilm gegeben hätte. Man würde es dem Film, der auch technisch gut gemacht ist und nicht den modernen History-Filmen á la Guido Knopp entspricht, wünschen. Und daß damit seine Botschaft gehört wird, nämlich das „Recht“ zu suchen – auf der Grundlage der Würde jedes einzelnen Menschen, wie es Fritz Bauer auch in einem seiner Bücher in den 50iger Jahren schrieb („Auf der Suche nach dem Recht“).

Man sollte daran denken, was Deutschland ohne Menschen wie Fritz Bauer wäre. Man mag nicht daran denken. Er wollte den Opfern eine Stimme geben.

Wenn es darum geht, eine Straße oder Platz nach dieser Persönlichkeit in Braunschweig zu benennen – wie es auch im Publikum gefordert wurde – wäre es dann nicht naheliegend, den Platz vor der Staatsanwaltschaft nach ihm zu benennen, direkt neben der Burg und dem Dom Heinrich des Löwen? Welch ein moralischer Impuls – direkt im Herzen der Stadt.

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Infos zum Film sind zu finden auf der Webseite: www.fritz-bauer-film.de

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Ilona Ziok

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