„Wer nach allen Seiten offen ist, kann nicht ganz dicht sein.“
Dieses Zitat stammt nicht von Kurt Tucholsky, wie intime Kenner des großen Satirikers betonen, zeitlos treffend ist es allemal.
Die Grünen haben eine neue Partei kreiert und haben dafür mit Annalena Baerbock die richtige Kanzlerkandidatin gefunden – nach allen Seiten offen. Festlegungen nur soweit als dass es dem Machterwerb nützt. Der Beitrag setzt sich kritisch mit den derzeitigen Bundes-Grünen unter den Gesichtspunkten Glaubwürdigkeit, Wertemaßstäbe und Frieden auseinander. Berichte aus der TAZ werden verlinkt, weil diese Zeitung den Grünen besonders nahe steht.
Einige Monate beherrschten die Grünen-Vorsitzenden Annalena Baerbock und Robert Habeck die bundespolitische Spielwiese geschickt, sympathisch und vor allem verschwiegen. Wer wird KanzlerkandidatIn? Dieses Marketingspiel beherrschten sie perfekt und brachten es dann auch – allerdings ohne wesentliche Inhalte – auf höhere Zustimmungsraten als die CDU. Das Volk liebte die beiden, die so nett zueinander waren und sich nie stritten. Eine Story zum Herzerwärmen.
Es war anzunehmen, dass sich die Medien nach der Kür Baerbocks auf die Kandidatin stürzen würden, und dass argumentativ alles gut vorbereitet sein würde. Aber weit gefehlt. Der SPIEGEL sprach vom „Clash der Realität“. Nun „steht die einstige Friedenspartei“ in einem Sumpf von Widersprüchen und Spannungen.
Die endlosen Talkshows durch die sich Baerbock hindurchreichen ließ, fanden eine Realitätsprüfung beim Auftritt der drei Kanzlerkandidaten „TV Triell“ am vorletzten Donnerstag. Dort lernte man in Perfektion, so wie auch in vorhergehenden Interviews, wie Baerbock sachkundig die Fragenden mit Antworten überschüttete, die nicht erfragt wurden. Sie teilte all ihr Wissen mit, ohne dass es jemand erfragt hätte. Das wirkt zunächst kompetent. Doch schnell ist es erkannt als rhetorisch strategische Kommunikationsmasche. Diese Sprache verschleiert entweder Inkompetenz oder die Hintergründe; sie verschleiert aber vor allem, dass die grüne Mantra der „Transparenzeinforderung“ nicht ernst gemeint ist.
Verlassen wir den Kommunikationsbereich der nichtssagenden Baerbockschen Antwortkaskaden und wenden wir uns den derzeitigen polit-grünen Realitäten zu:
1. Das ‚blöde Versäumnis‘ der Frau Baerbock: „Die Grünen haben sich in Sachen Transparenz, … auch bei der Frage der Nebentätigkeiten ein regelrechtes Saubermann-Image erarbeitet“, betont die BERLINER ZEITUNG: „Da dürfen einer Spitzenkandidatin solche Nachlässigkeiten nicht passieren. Vor allem aber darf die Partei diese Fehler, wenn sie denn öffentlich werden, nicht auch noch herunterspielen. Diese „Wahrheit in Häppchen“ (SPIEGEL) und mit Verzögerung ist unprofessionell – eher kleinkariert. Zumal die Parteizentrale das Problem bearbeitet und Baerbock zunächst stumm blieb.
2. Die Schwarz-Grüne Landesregierung in Hessen verhindert die Offenlegung der internen Verfassungsschutzakten zu der Mordserie des „Nationalsozialistischen Untergrunds“ (NSU). Das ist der „grüne NSU-Skandal“ titelte die Grünen-nahe TAZ. Welche fatale symbolische Wirkung geht von dieser Entscheidung hin zur zynischen Machtpolitik aus; von dieser Blaupause der Unverbrüchlichkeit einer CDU-Grüne-Koalition in Hessen so auch im Bund? Das lässt Schlimmes auch auf anderen Politikfeldern erahnen. Noch nicht mal Respekt vor den NSU-Opfern. Welch ein Signal! Ein Kommentar von Ulrich Schulte.
Das Verhalten der Grünen in Hessen setzt sich fort im Polizeiskandal. Es besteht keine Spur von Aufklärungsinteresse. Besonders interessant ist es zu beobachten, wie sich Schwarz-Grün dort verhält, wo das Bündnis bereits Realität ist. Hessen wird das Beispiel sein für den Bund, wenn Grün an die Macht kommt. „Das Schweigelübde“
3. Die Zeit der Friedenstauben ist vorbei. Es gab mal die begründete Annahme, dass die Grünen eine aktive Friedenspolitik entwickeln und für eine solche politisch kämpfen. Das Gegenteil ist eingetreten, sie wollen sogar Waffen in Kriegsgebiete senden, wie in die Ukraine, um von dort das freie Europa zu verteidigen, wie der politische Geisterfahrer Robert Habeck nach seinem Ausflug an die ukrainische-russische Front betonte. Das überholte kurzfristig sogar die CDU/CSU militärisch Rechts-außen. Das anschließende Rückrudern mit Hilfe von Baerbock kann man nur noch als ungeordneten Rückzug verstehen. Eine außenpolitische Linie war nicht zu erkennen. Aber vielleicht wollte man mit Habecks Frontausflug nur die Belastbarkeit der grünen Parteimitglieder prüfen und nach außen zur NATO und CDU signalisieren, dass man zu jedem außenpolitischen Abenteuer bereit ist. Was wählt man, wenn man Grün wählt? Man weiß es nicht, aber wahrscheinlich eher kriegstreibende Politik. Außenpolitisch wahrscheinlich Joschka Fischer, der den Grünen offensichtlich die Hand führt. „Ärger wegen Waffen und Moneten: Höhenflug der Grünen vorerst vorbei“
4. Baerbock erscheint vorauseilend kompromissfähig für das Kanzleramt vorbereitet. Im Atlantic Council wird sie als neuer Politstar herumgereicht. Im Rat ist ihr viel Übereinstimmung mit den Äußerungen Bidens bescheinigt worden.
Natürlich war sie bereits in der Kaderschmiede des schwab’schen Young-Leader-Programms. Wieso kann sie sich als Völkerrechtlerin und Vordiplom-Politologin eigentlich nicht selbst ein Bild verschaffen und Ideen zur Verbesserung der Welt entwickeln. Braucht es dafür wirklich der Förderung eines Schwab oder Soros? Natürlich braucht es das, denn es geht um die Teilhabe an internationalen Netzwerken der politischen und wirtschaflichen Eliten. Insofern kann Polit-Deutschland beruhigt sein – es wird sich nicht viel ändern unter Baerbock.
Die Grünen fordern einen investierenden Staat. Aber bei der Frage, woher das Geld kommen soll, kneifen sie. „Je besser wir vorsorgen, … je besser wir schützen, umso freier können wir leben“, so schreiben die Grünen in ihrem Programmentwurf zur Bundestagswahl 2021. Wie passend, inmitten dieser Doppelkrise aus Klimakatastrophe und Pandemie. Und wie nichtssagend zugleich.
Zusammen mit Gerhard Schröder und seiner SPD ramponierten die Grünen zwischen 1998 und 2005 den Sozialstaat und führten Hartz IV ein. So etwas konnten nur diese Koalitionäre tun, weil es keine Opposition gab. Längst waren die grünen Ökosozialist(inn)en marginalisiert oder gegangen. Die Partei bemühte sich fortan um eine marktgerechte Umweltpolitik.
Sollen die Schulden zurückgezahlt und zugleich die Aufwendungen für Zukunftsaufgaben erbracht werden, stellt sich die Frage: Woher das Geld nehmen? Bisher wurde es nie von den Vermögenden genommen. Im Gegenteil. Zwei mögliche Antworten lauten: Einschnitte auf anderen Gebieten und/oder Steuererhöhungen. In beiden Fällen findet ein Verteilungskampf statt. Werden die Unterschichten stärker belastet als die Wohlhabenden, um – zum Beispiel – Klimaneutralität zu erreichen, werden zumindest Teile von ihnen sich noch weiter als bisher der Rechten zu wenden. Im Ergebnis könnte es an Mehrheiten und Legitimation für eine ökologische Politik fehlen. Um das zu verhindern, müsste der – vor allem wohl steuerpolitische – Kampf für eine Umverteilung von oben nach unten, so schwer er auch sein wird, geführt werden.
Der Entwurf zum Wahlprogramm der Grünen sagt ihn allenfalls zaghaft an. Doch Klimaschutz und Sozialpolitik gehören unbedingt zusammen und sind nicht auseinander zu dividieren. Auch international wird es nur Mehrheiten geben, wenn die Bedürfnisse armer Menschen mit bedacht werden. Wie bekommt man eine sozialökologische Wende hin? Das ist die politische Frage über den Wahlkampf hinaus.
Die Grünen wollen die Einnahmen aus dem höheren CO2-Preis an alle BürgerInnen wieder ausschütten. Das wäre ein Akt der Gerechtigkeit. Doch der reicht nicht. Die Grünen agieren über den CO2-Preis, doch ohne Ordnungs- und Steuerrecht wird es nicht gehen. Bleiben noch die ständig von unserer „Wertegesellschaft“ hoch gehaltenen nichtmonetären Werte, denn nicht alle Werte haben einen Preis. Für ein funktionierendes Gemeinwesen, zumal in Krisensituationen, sind diese Werte wie Mitmenschlichkeit, Kooperation, Empathie, Solidarität, Toleranz u.a.m. unabdingbar.
Anzunehmen ist jedoch, dass das halbherzige Ja der Grünen zur Vermögensteuer als erstes in den möglichen Koalitionsverhandlungen mit der CDU/CSU geopfert wird.
Vielleicht auch mit den Grünen die Luft anhalten ?
Gerade wieder zu hohe Stickoxid-Schadstoffe in deutschen Städten …
„Vorausschauend kompromißbereit“ trifft es und bezüglich Klimaschutz der Auto-Lobby wohlgefällig – denn …
… wer genau mal hingehört hat, die Kandidatin hat nur etwas gegen „fossile Kraftstoffe“ aber nichts gegen Verbrennungsmotoren, die mit sog. „synthetischen Kraftstoffen“ betrieben werden und durch die hohen Temperaturen bei der Verbrennung zu den Abgasproblemen führen.
Wohl nicht ganz abwegig erhoffen sich BMW, VW und Co. nun auch von den Grünen, die alte Verbrenner-Technik quasi durch die Hintertür als Klima-Modell weiterhin verkaufen zu können.
Nur: das würde wenig an der CO2-Problematik und gar nichts an den Stickoxiden (NOx) ändern.
Also dann wohl demnächst auch mit den Grünen: LUFT ANHALTEN !