„Wir müssen die Spielregeln des politischen Systems verändern!“

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(Wikipedia)

Ein Gespräch mit von Ralf Wurzbacher mit Marco Bülow

Ein Mix aus alter und neuer Regierung bringt ein schuldenbasiertes Aufrüstungsprogramm der Sorte „aberwitzig“ auf den Weg. Und Die Linke gibt in der Länderkammer grünes Licht. „Demontage der Demokratie“ nennt das Marco Bülow, der bis zu seinem Austritt lange für die SPD im höchsten deutschen Parlament saß. In seinem neuesten Buch „Korrumpiert“ bekennt er, beinahe selbst den Lockungen der Lobbyisten erlegen zu sein, bevor er es sich zur Mission machte, ihr Treiben zu bekämpfen. Im Interview mit den NachDenkSeiten erzählt er von Absahnern im Amt, Handlangern für Profiteure und einer SPD als „Weder-noch-Partei“.

Herr Bülow, der „alte“ Bundestag hat gerade für die „neue“ Bundesregierung ein schuldenbasiertes Finanzpaket im Umfang von wohl weit über einer Billion Euro zwecks Aufrüstung und Infrastruktur klargemacht. Auch der Bundesrat hat am Freitag grünes Licht gegeben. Haben Sie Worte dafür?

Was wir hier erleben, ist das, was ich Demontage der Demokratie nenne. Wobei aber genau dies nicht diskutiert wird. Politik und Medien reden darüber, wie viel Geld es braucht, wofür und wer alles profitieren soll: der Bund, die Länder, das Klima et cetera. Aber wie das alles abgelaufen ist, ist kein Thema von Belang.

Wie hätte es anders laufen können?

Nun ja. Nach dem Scheitern der Ampel hätte man ja zunächst versuchen können, eine neue Regierung zu bilden. Man erinnere sich daran, wie Friedrich Merz nach dem Bruch der Koalition Druck für schnelle Neuwahlen gemacht hat. Als es um die Frage einer Änderung von Paragraph 18 ging, hat er noch getönt, der alte Bundestag dürfe solche wichtigen Entscheidungen nicht mehr treffen (lacht).

Aber ein paar Wochen später will er dann gemeinsam mit der AfD Verschärfungen bei der Zuwanderung durchs Parlament boxen und nach der Wahl setzt er mit SPD und Grünen im Hauruckverfahren und entgegen seiner Wahlversprechen ein Neuverschuldungs- und Aufrüstungsprogramm irrwitziger Dimension ins Werk, noch ehe er überhaupt Kanzler ist. Da muss sich keiner wundern, wenn kommende Regierungen das ebenso machen und sich immer mehr Menschen von der Politik abwenden. Das alles hat mit Demokratie, Gewaltenteilung und der Achtung des höchsten deutschen Parlaments jedenfalls gar nichts mehr zu tun.

Bezeichnend ist einmal mehr das Verhalten der SPD. Es gibt Menschen, die schon wegen weniger aus der Partei SPD ausgetreten sind. Sie zum Beispiel …

Ja, wäre ich nicht schon 2018 ausgetreten, hätte ich das jetzt sicher wieder gemacht, beziehungsweise schon das dritte Mal. Der zweite konkrete Anlass wäre der gewesen, als Olaf Scholz 2020 zum Kanzlerkandidaten nominiert wurde. Dass die SPD bei diesem Komplott mitmacht, wundert mich nicht mehr. Und auch der Kuhhandel der Grünen ist ein Lacher: Das, was sie vielleicht an Klimagasreduktionen rausholen können, wird durch die massive Aufrüstung gleich wieder zunichtegemacht. Aber auch darüber redet keiner.

Macht Ihnen der deutsche Militarisierungseifer Angst?

Natürlich. Beängstigend ist nicht allein die Dimension des Rüstungspakets, dazu kommt die allgemeine Stimmungslage, dieses dumme und schlimme Gerede von Kriegs- und Wehrertüchtigung. Und dann ist da diese Planlosigkeit, Hauptsache Milliarden reinbuttern, ohne jede Analyse, wofür das ganze Geld ausgegeben werden soll und warum eigentlich. Es gibt ja dieses Märchen, die Bundeswehr sei kaputtgespart worden. Das ist Unsinn, den alle nachplappern und leider auch viele Menschen glauben.

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