Übergabe der Gedenktafel für Fritz Bauer an die Gedenkstätte Schillstraße Braunschweig

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Udo Dittmann in der Gedenkstätte Schillstrasse

Udo Dittmann (Foto: Uwe Meier)

Rede von Udo Dittmann, dem Gründer des Fritz Bauer Freundeskreises in der Gedenkstätte Schillstraße am 02. Februar 2018, in dem die Aktivitäten zu Fritz Bauer in Braunschweig dargestellt werden – mit einem Bezug zum Denkmal Grauer Bus, da es dort auch um die NS-Euthanasie geht

Es ist schön, dass heute beide Gedenktafeln, die für Fritz Bauer und die für die Gedenktafel „Grauer Bus“ zugleich der Öffentlichkeit übergeben werden. Es passt gut zusammen, denn es gibt auch einige Gemeinsamkeiten.

Gedenktafel am Schilldenkmal für Fritz Bauer

Zitat von Fritz Bauer zum politischen Klima in der Nachkriegszeit: “ Wenn ich mein Büro verlasse, betrete ich Feindesland.“

Es geht zum einen um Fritz Bauer, der 1949 hier nach Braunschweig kam (nach seinem Exil in Schweden und Dänemark) und zunächst Direktor des Landgerichts und ein Jahr später Generalstaatsanwalt wurde. Und bei der Initiative Grauer Bus geht es um Fragen der NS-Euthanasie – Fragen, mit denen auch Fritz Bauer zu tun hatte.

Der Name von Fritz Bauer wird heute meist mit drei Dingen verbunden: dem Remer-Prozess 1952 in Braunschweig (bei dem es um die Rehabilitation der Männer des 20. Juli ging), mit der Ergreifung Eichmanns 1961 in Argentinien und dem Auschwitz-Prozess 1963- 65 in Frankfurt am Main. – Es ging um die Aufarbeitung der NS-Vergangenheit in Deutschland, und Fritz Bauer war einer der markantesten Vertreter für diese Aufarbeitung. Es ist bekannt, wie viele Widerstände und auch Drohungen Bauer erleben musste. Nach seinem Tod 1968 geriet er völlig in Vergessenheit, und nur noch wenige Insider kannten seinen Namen.

Ab 1993 begann eine erste kleine Renaissance von Bauer in Frankfurt, 1995 wurde ein bedeutendes Holocaust-Institut in Frankfurt am Main nach ihm benannt. Aber die Forschung betraf eben hauptsächlich den Holocaust, zu Bauer wurde noch wenig gemacht.

In den Jahren 2009/ 2010 begann dann die eigentliche Renaissance von Bauer – und hier spielt jetzt Braunschweig eine große Rolle. Im Frühjahr 2009 erschien die erste große Bauer-Biographie von Irmtrud Wojak und im Februar 2010 wurde der Dokumentarfilm „Fritz Bauer -Tod auf Raten“ von Ilona Ziok auf der Berlinale vorgestellt. Und beide Personen kamen dann als erstes nach Braunschweig. Irmtrud Wojak stellte durch Vermittlung von Dr. Helmut Kramer aus Wolfenbüttel ihr Buch im Oktober 2009 im Landgericht vor, und die erste Station des Filmes nach der Berlinale war Braunschweig. Im Mai 2010 lief der Film im Cinemaxx, dort lernte ich auch die Filmemacherin kennen.

Um es kurz zu machen: Im September 2011 gründete ich den Fritz Bauer Freundeskreis. Wichtig waren dabei am Anfang Sigrid Probst und Dr. Uwe Meier vom www.braunschweig-spiegel.de und Henning Noske von der Braunschweiger Zeitung, die Fritz Bauer aus dem Vergessen hervor holten. Seitdem fanden im DGB-Haus in der Wilhelmstraße regelmäßig alle zwei Monate die Treffen des Freundeskreises statt.

Schließlich kam Ende November 2011 auch Herr Biegel vom Institut für Braunschweigische Regionalgeschichte dazu. Er hielt einen wichtigen Vortrag zu Bauer im Januar 2012. Mit der Unterstützung durch ihn, dem Generalstaatsanwalt Norbert Wolf und der Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit reichte ich im Februar 2012 den Antrag auf eine Platzbenennung im Rat der Stadt Braunschweig ein. Dann ging alles plötzlich schnell: Der Platz vor der Generalstaatsanwaltschaft wurde in Fritz Bauer Platz umbenannt (dazu musste ein Teil des Domplatzes abgetrennt werden), im Juli 2012 gab es die große Eröffnung einer Fritz Bauer Ausstellung im Landgericht, wo auch zahlreiche Gäste von außerhalb kamen, aus Frankfurt vom Fritz Bauer Institut, aus Berlin von der Humanistischen Union (die alle zwei den Fritz Bauer Preis vergeben) und viele andere. Landtagspräsident Herr Busemann war Schirmherr der Veranstaltung und hielt die Eröffnungsrede.. Und im September 2012 wurde schließlich der Fritz Bauer Platz feierlich eingeweiht. Die Braunschweiger Zeitung berichtete jeweils ausführlich darüber.

Ab Frühjahr 2012 begann dann auch in Frankfurt eine stärkere Renaissance von Bauer. Man war auf die Vorgänge in Braunschweig aufmerksam geworden: Im Bulletin des Fritz Bauer Institutes wurde erstmalig im Frühjahr 2012 eine neue Rubrik für Bauer eingerichtet, im Oktober 2012 fand dann eine erste große Tagung zu ihm in Frankfurt statt. Dann gab es dort andere weitere Formen der Erinnerung an Bauer, die sehr zahlreich waren. Außerdem widmete sich jetzt das Fritz Bauer Institut in Frankfurt der Bauer-Forschung, was insofern bedeutsam war, da es ein international anerkanntes und renommiertes Forschungsinstitut zu Fragen des Holocausts ist und hervorragende Arbeit leistet.

In Braunschweig begann aber nun auch etwas Neues zu Fritz Bauer, und da kommt jetzt der Graue Bus hinein. Hier in der Stadt bildete sich 2014 durch die Initiative von Ute Stockmann die „Projektgruppe Grauer Bus“. Sie hatte das mobile Denkmal in München in der Nähe des Marienplatzes gesehen und wollte es gern nach Braunschweig holen, was ihr auch gelang Im September 2014 machte das mobile Denkmal auf dem Weg nach Posen einmal kurz Station in Braunschweig, und von Mai bis September 2015 stand es dann gut sichtbar auf dem Schlossplatz und stieß auf großes Interesse in der Bevölkerung.

Dann wurde ich von Frau Stockmann gefragt, ob ich im Begleitprogramm einmal einen Vortrag zu „Fritz Bauer und NS-Euthanasie“ halten könnte. Das war Neuland, denn dazu gab es bisher fast keine Literatur. Ich sagte zu, denn das Thema schien interessant. Fritz Bauer hatte im selben Jahr, als er mit den Ermittlungen zum Auschwitz-Prozess begann – das war 1959 – mit den Ermittlungen zur NS-Euthanasie begonnen, insbesondere zum Leiter der Euthanasie- Zentrale in Berlin in der Tiergartenstraße, Werner Heyde, der auch Professor der Psychiatrischen Klinik in Würzburg war. Zu dem Euthanasie-Komplex gab es schließlich mehr Akten (es waren über 80 000 Aktenseiten) von Bauer als zum Auschwitz-Prozess (ca 18 000 Aktenseiten), was jedoch fast unbekannt war.

In dem Vortrag im August 2015 im Begleitprogramm „Denkmal Grauer Bus“ in Braunschweig arbeitete ich dieses Thema aus: „Fritz Bauer und die Aufarbeitung der NS-Euthanasie“. Dieser Vortrag wurde dann kurzfristig in das Sonderheft des Forschungsjournals Soziale Bewegungen zu Fritz Bauer aufgenommen (Dez 2015) und ein Jahr später erschien der Beitrag im Jahrbuch des Instituts für Rechtsgeschichte, wodurch er auch einem wissenschaftlichen Kreis bekannt wurde.

So steht Bauer eben nicht nur für „Remer-Prozess, Ergreifung Eichmanns und Auschwitz-Prozess“, sondern auch noch für Aufarbeitung der NS-Euthanasie. Und das ist ein Verdienst der Braunschweiger Initiative und des Zusammenspiels von Fritz Bauer Freundeskreis und der Projektgruppe Grauer Bus.

Bauer hatte in Frankfurt 1964 einen großen Euthanasie-Prozess geplant, der größer sein sollte als der Auschwitz-Prozess. Dort sollten die Leiter, Initiatoren und ausführenden Ärzte angeklagt werden, insbesondere die leitende Ebene (anders als beim Auschwitz-Prozess, wo es hauptsächlich untere und mittlere Ränge waren). 1962 gab es dazu eine umfangreiche Anklageschrift von Fritz Bauer mit über 800 Seiten, in denen die ganzen Strukturen der großen Euthanasie-Aktionen (Kinder-Euthanasie, T4 und 14f13) dargestellt wurden. Der Prozess platzte, weil zwei der fünf Angeklagten einige Tage vor Prozessbeginn Selbstmord verübten (Heyde, Tillmann), und die Anklageschrift geriet in Vergessenheit. Erst Ernst Klee (1983) verwendete sie wieder für seine Recherchen, womit die eigentliche öffentliche Aufarbeitung seit den 80er Jahren begann. Die Grundlage dafür kam wesentlich von Bauer, ohne dass dies weiter bekannt war.

Das man sich jetzt wieder auch in dieser Hinsicht auf Bauer besinnt, ist nicht zuletzt ein Verdienst der Aktivitäten in Braunschweig. Und genau dies kommt auch auf der Gedenktafel hier von Fritz Bauer zum Ausdruck. Denn dort wird nicht nur der Remer-Prozess, Eichmann und Auschwitz erwähnt, sondern auch das Verdienst von Bauer zur Aufarbeitung der NS-Euthanasie. Und das ist vielerorts leider überhaupt noch nicht im Bewusstsein.

Umso schöner ist, dass jetzt es hier durch die Tafel auch in dieser Weise sichtbar wird.

Braunschweig – 29.01.2018

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