Vorbemerkung: Jens Spahn von der CDU spricht in der FAZ ungeniert davon, dass demnächst der Russe vor der Tür stehen könnte, Sigmar Gabriel setzt bei „Maybritt Allner“ im ZDF noch einen drauf: „Wäre ich Putin, würde ich 2028 kommen:“ (ZDF.de, 21.3.25). Und Herr Merz teilt im Bundestag Festtag am 18.3. mit, dass wir bereits im Krieg stehen: „Es ist ein Krieg auch gegen unser Land, der täglich stattfindet…“ Der gutwillige Bürger reibt sich die Augen: kann man das glauben? Einerseits wirkt das alles doch völlig übertrieben, hergeholt, fast hysterisch, andererseits prasseln die Nachrichten zum Thema Kriegstüchtigkeit von allen Seiten – und inzwischen täglich – auf ihn ein, so dass er sich auf Dauer kaum entziehen kann: kann es denn sein, dass die sich alle verschworen haben, um uns Angst einzujagen, oder ist da nicht doch was dran? Da ist es gut, dass eine Reihe hochrangiger Experten uns auffordern, das Ganze mit kühlem Kopf zu überprüfen. Sie meinen, dass sich „einige sicherheitspolitische Experten geradezu in einen Rausch reden“. Dabei sind sie keineswegs gegen eine Stärkung der defensiven Fähigkeiten der Bundeswehr, warnen aber, dass ohne gleichzeitige diplomatische Bemühungen in Richtung Vertrauensbildung und Abrüstung das Sicherheitsdilemma nur weiter verschärft wird, so dass letztlich eine wachsende und vor allem nicht endende Unsicherheit entstehen würde. – Die Namen der Experten finden sich am Ende des verlinkten Artikels aus „Telepolis“. a.m.
Rationale Sicherheitspolitik statt Alarmismus: Die derzeitige sicherheitspolitische Debatte in Deutschland hat Maß und Mitte verlassen. Eine verteidigungsfähige Bundeswehr und eine Verbesserung der sicherheitspolitischen Handlungsfähigkeit Europas sind unstrittig notwendig. Dazu gehören sinnvolle Investitionen in eine defensive Ausstattung der Streitkräfte, die abschrecken, aber nicht weiter das Sicherheitsdilemma verschärfen, sowie eine möglichst einheitliche europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik.
Doch der derzeit verbreitete Alarmismus in Teilen der Politik und der Medien ist nicht plausibel und basiert auf keiner seriösen Bedrohungsanalyse. Einige sicherheitspolitische Experten reden sich geradezu in einen Rausch, sekundiert von nicht nachvollziehbaren Geheimdiensteinschätzungen über die aggressiven Pläne Moskaus gegen den Westen. Ohne Zweifel ist Russland eine Bedrohung für die europäische Sicherheit, und aggressive Absichten auch über die Ukraine hinaus sind nicht vollkommen auszuschließen – wenn auch hybride Bedrohungen plausibler sind als klassisch militärische. Ein nüchterner Blick auf die ökonomischen und militärischen Kapazitäten wie auch die (realisierbaren) Intentionen Russlands ergibt jedoch, dass wenig dafür spricht, dass Russland sich mit der Nato militärisch anlegen und deren Territorium angreifen könnte oder nur wollte.
Oberst a. D. Wolfgang Richter hat sich in einem Aufsatz (Focus 25.3.2025) ganz ähnlich geäußert und seine Sicht der Dinge umfassender dargestellt, als dies in einem Aufruf möglich ist.
Ergänzung, 3. April: Der Initiator des Aufrufs, Johannes Warwick, erläutert die Grundgedanken des Aufrufs heute auf telepolis.de in einem Interview mit Andreas von Westphalen.
In einem Interview gibt Prof. Johannes Varwick nähere Erläuterungen zum Aufruf. Lesens- und verbreitenswert!