Michael von der Schulenburg, über 30 Jahre im diplomatischen Dienst der Vereinten Nationen, den Leserinnen und Lesern des Braunschweig – Spiegel wohl bekannt, ist seit Kurzem für das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) im Europäischen Parlament. Obwohl er allein aufgrund seiner politischen Erfahrung viel mehr und vor allem Substanzielleres als die meisten Mitglieder dieses Parlaments zu sagen hätte, bekommt er für seine Redebeiträge meist etwa eineinhalb Minuten. Die deutsche Medienwelt ignoriert seine Beiträge weitgehend. Wir dokumentieren nachfolgend die letzten drei Beiträge, die sich mit dem Ukrainekrieg befassen. a.m.
26.11.2024: „Wir wissen, dass eine Spirale einsetzen wird, die diesen Krieg nach Europa hereintragen wird.“
Frau Präsidentin, liebe Kollegen! Also nach fast drei Jahren Krieg sollte ein bisschen Realitätssinn einziehen. Kriege sind nun mal eine Realität und die Auskommen von Kriegen sind meistens nicht sehr schön. Deswegen ist meine Meinung, dass die Ukraine keine Waffen mehr braucht. Was die Ukraine wirklich braucht, sind ein sofortiger Waffenstillstand und Verhandlungen. Denn der Krieg ist für die Ukraine verloren. Mehr Waffen werden das auch nicht mehr ändern. Sollte jetzt der Krieg dennoch fortgesetzt werden, riskiert die Ukraine einen militärisch‑politischen Kollaps und damit auch die Zukunft des Staates Ukraine. Das sollten wir mit allen Mitteln verhindern.
Erfahrungsgemäß fordern die letzten Wochen eines Krieges die meisten Menschenopfer. Auch ein solches Blutbad müssen wir jetzt verhindern. Nach fast drei Jahren Krieg zählt die Ukraine Hunderttausende von Toten, und weite Teile sind zerstört. Wir müssen mit dem Töten und den Zerstörungen aufhören. In unserer Panik fordern wir jetzt Langstreckenraketen, wie zum Beispiel die Taurus. Aber wir wissen, dass dadurch eine Spirale einsetzen wird, die diesen Krieg nach Europa hereintragen wird. Auch das sollten wir als Parlament verhindern. Die Aufgabe dieses Parlaments ist Frieden und nicht Krieg.
14.11.2024: „Wenn hier gesagt wird, dass wir Lebensmittel für 72 Stunden haben sollen, dann würde ich nur sagen, dass wir damit den Dritten Weltkrieg nicht überleben werden.“
Frau Präsidentin! Lassen Sie mich mit Latein anfangen: „Si vis pacem, para bellum“: Wer den Frieden will, bereite den Krieg vor. Seit ich in diesem Parlament bin, höre ich ständig diese römische Weisheit, um die Militarisierung der Europäischen Union zu rechtfertigen. Ich bin davon überzeugt, dass am Ende dieser Militarisierung, die wir vornehmen, kein Frieden stehen wird und dass wir vielleicht sogar die Integration, die europäische Integration, dabei verlieren werden. Dass wir an so eine Sache aus dem Römischen Reich glauben, sagt ja schon sehr viel – es ist eine Perversion. Denn Rom war keine Demokratie, das war eine Sklavenhaltergesellschaft, die auf militärischer Stärke aufbaute, um andere Länder zu unterjochen und auszubeuten. Das kann doch nicht das Beispiel für uns in der Europäischen Union sein! Und dann ist da noch das Zweite: Dass wir uns auf etwas berufen, was vor 2500 Jahren war, entspricht ja keiner Realität mehr. Damals wurde noch mit Wurfspeeren und Kurzschwertern gekämpft, heute haben wir Atombomben, Hyperschallraketen, wir haben Cyberwar, wir haben Krieg im Weltraum – und diese Sachen kann man überhaupt nicht mehr vergleichen. Und wenn dann hier gesagt wird, dass wir Lebensmittel für 72 Stunden haben sollen, dann würde ich nur sagen, dass wir damit den Dritten Weltkrieg nicht überleben werden. Wir sollten uns daran erinnern, dass es ein viel wichtigeres Dokument für uns gibt: Das ist die UNO-Charta. Und die UNO-Charta hält uns alle in der Verpflichtung, Verhandlungen zu führen – Verhandlungen, um Konflikte zu lösen und Kriege zu beenden. Und ich fordere Sie deshalb auf, den Weg in den Krieg, den Sie hier vorbereiten, zu beenden. 8.10.2024: „Sie müssen jetzt den mutigen Schritt machen, sich den Realitäten des Krieges erneut zu stellen.“ Herr Präsident! Die Staats‑ und Regierungschefs des Europäischen Rates stehen heute vor einer großen Verantwortung den Menschen Europas gegenüber, sie vor den zunehmenden Gefahren des Ukrainekrieges zu schützen. Da die bestehende Ukrainepolitik darin völlig versagt hat, müssen sie jetzt den mutigen Schritt machen, sich den Realitäten des Krieges erneut zu stellen. Dazu müssen sie endlich mit den einseitigen Beschuldigungen gegen Russland aufhören und eine realistischere Beurteilung der Gründe, die zu diesem Krieg geführt haben, anerkennen. Sie müssen aufhören, weiterhin der Illusion eines militärischen Sieges über Russland nachzuhängen, und sich zu einer realistischeren Einschätzung der verheerenden militärischen Lage im Ukrainekrieg durchringen. Sie müssen aufhören zu glauben, dass mehr Waffen einen Frieden bringen würden. Für jeden Krieg gilt: Mit Benzin löscht man kein Feuer. Sie müssen aufhören, jede Form der Diplomatie sowie Verhandlungen ohne Vorbedingungen mit Russland abzulehnen, und sich Friedensvorschlägen, wie sie China und Brasilien unterbreitet haben, öffnen. Sie müssen damit aufhören, der Ukraine Versprechungen zu machen, die sie dann nicht mehr halten können. |
Im Irakkrieg nannten die Amerikaner die Taktik gegen die Zivilbevoelkerung ‚Shock and Awe‘ – es gab wesentlich mehr Tote als jetzt im Ukrainekrieg.
Es ist ein bisschen unheimlich zu sehen, wie sich Schulenburgs Standpunkt zur Realpolitik wandelt, waehrend ein Teil der Medien demonstrativ wegsieht.
Ein anderes Puzzlestueck zum Thema ist eine Unterhaltung zw. Harald Kujat und Markus Reisner im oesterreicher TV
https://www.youtube.com/watch?v=nBv__41_JNA
Beide Personen wollen – mit durchaus unterschiedlichen Standpunkten, wie auch Schulenburg – den sinnlosen Krieg beenden.