SPD und Grüne haben im Rat entschieden, das Kombinationsprojekt Konzerthalle plus Musikschule auf den Weg zu bringen. Nicht einmal fünf Wochen sind seit der Bekanntgabe des völlig neuen Vorschlags am 16. Februar vergangen, so dass längst nicht alle notwendigen Informationen bereitgestellt waren und erst recht nicht die Diskussion abgeschlossen war, die ein Rat für eine kompetente Entscheidung benötigt hätte.
Finanzdezernent Geiger: „Schwierige Finanzlage“
Das wird schon an der Rede deutlich, die der städtische Finanzdezernent Geiger zur Einleitung des Tagesordnungspunktes 12 („Doppel-Haushalt“) vortrug: Nachdem er die „großen Belastungen und Risiken für unseren Haushalt“ skizziert und überdeutlich von einer „schwierigen Finanzlage“ gesprochen hatte, die sich in den letzten Monaten deutlich verschärft habe, kam er zu dem Ergebnis, dass es
„keine Spielräume für vermeidbare Zusatzbelastungen und zusätzliche Ausgaben“
gebe. Ein regelmäßig ausgeglichener Haushalt sei „in weite Ferne gerückt“, ohne zusätzliche Zuschüsse von Bund und Land werde es sehr schwer, alle Aufgaben zu bewältigen und weiter handlungsfähig zu bleiben, es könne gut sein, dass dann „Priorisierung unvermeidbar“ sei, „mit Verzicht auf Etliches, was wünschenswert oder sogar selbstverständlich scheint.“ (Wir ersparen dem Leser einzelne Zahlen, zumal die von niemandem bestritten werden.) Die Darstellung des Dezernenten hörte sich geradezu wie eine dringliche, beschwörende Ermahnung des Rates an. Der aber hatte schon längst unter Punkt 10 der Tagesordnung den Beschluss gefasst, das genannte Zusatz – Projekt mit einer vermeidbaren Zusatzbelastung von 100 Millionen Euro anzustreben und für die Vorbereitung eines „finalen Beschlusses“ in zwei Jahren schon einmal eine halbe Million Euro auszugeben.
Antrag auf Vertagung der Ratsentscheidung durch knappe Mehrheit abgelehnt.
Dabei war von Ratsherr Köster (CDU) der Antrag gestellt worden, die Entscheidung über das Projekt zu vertagen. Die Tatsache, dass fast die Hälfte des Rates (wenn auch die Minderheit) dem folgte, konnte aber die rotgrüne Mehrheit nicht erweichen. Und damit nicht genug. Für den Fall, dass sich das Projekt in zwei Jahren dann auch in den Augen der Ratsmehrheit als zu kostspielig erweisen sollte, hätte man das Gebiet „Großer Hof“ (ehemals Markthalle) für eine separate Musikschule wieder ins Auge fassen können. Aber auch diese Variante wurde abgeschnitten durch einen weiteren Beschluss der Ratsmehrheit, für dieses Gebiet ein Nutzungsprofil zu erstellen und einen städtebaulichen Wettbewerb auszuschreiben, in dem Schulen nicht vorgesehen sind, also auch nicht die Musikschule. Alle Oppositionsfraktionen hatten übrigens schon in der Debatte um das Projekt mit fundierten Redebeiträgen auf die schwierige Haushaltlage der Stadt hingewiesen – vergebens.
Entwurf eines Star-Architekten – der Öffentlichkeit nicht bekannt
Der Eindruck, dass hier ein Projekt auf Biegen und Brechen durchgesetzt werden soll, wird durch zwei Umstände nur noch weiter unterstrichen: Erst jetzt, nach der Entscheidung des Rates, erfährt die Öffentlichkeit mit einem Mal, dass der Besitzer des ehemaligen Karstadtgebäudes am Gewandhaus, Friedrich Knapp, an die Stadt herangetreten war, um einen Entwurf des Stararchitekten Hadi Teherani für ein Haus der Musik in dieser Immobilie vorzustellen. Und sie erfährt es durch die BZ. Weder die Tatsache noch der Entwurf sind dem Rat und der Öffentlichkeit von der Verwaltung der Stadt vorgestellt worden. Angesichts der doppelten Bedeutung des Projekts (Konzerthalle und Belebung der Innenstadt) hätten Rat und Stadtgesellschaft aber darüber informiert werden müssen, um sich ein Bild machen zu können, welche verschiedenen Varianten überhaupt zur Auswahl stehen. Der Dezernent, der dafür zuständig gewesen wäre, stammt bekanntlich von den Grünen, der OB (und Verwaltungschef) gehört der SPD an.
Der zweite Umstand: der OB argumentiert nun, dass aus vergaberechtlichen Gründen zu mietende Immobilien gar nicht in Frage kämen. Die Konzerthalle lasse sich nur verwirklichen, wenn „wir auch Eigentümer oder Teileigentümer dieser Flächen werden“. Es scheide also schon einmal jedes Objekt aus, das über ein Mietmodell finanziert werden müsse. Einmal davon abgesehen, dass das von Fachleuten wie dem Architekten Heiko Vahjen gut begründet anders gesehen wird, und weiter davon abgesehen, dass die Stadt schließlich selber große Flächen im BraWo Business Center am Bahnhof anmietet, stellt sich nun doch die Frage, warum dann in der Machbarkeitsstudie überhaupt ein Standort wie das Haus am Gewandhaus untersucht wurde, wenn es doch angeblich von vornherein ausscheidet.
Konzerthallen-Taube auf dem Dach – ist der Spatz 2025 noch in der Hand?
Es mag sein, dass der OB, die SPD-Fraktion und die Fraktion der Grünen wirklich glauben, die Stadt mit dem Projekt voran bringen zu können. So mancher denkt dabei vielleicht insgeheim, dass man durch forsches Vorgehen Fakten schaffen sollte und dass die BürgerInnen später schon Gefallen am Projekt finden und es einem danken werden. Aber der Finanzlage der Stadt deutet gebieterisch darauf hin, dass es sich hier um reines Wunschdenken handelt. Rotgrün wird spätestens in zwei Jahren offenbaren müssen, dass man sich in einer fatalen Sackgasse befindet. Die Taube auf dem Dach wird dann längst entfleucht sein, und ob man den Spatz (für Musikschule würde eigentlich besser „Kolibri“ passen) dann noch in der Hand halten wird, ist unsicherer als es jetzt gewesen wäre.
Dass aber das genannte forsche Vorgehen beinhaltete, dass nicht alle Informationen auf den Tisch kamen und Rat wie Stadtgesellschaft nicht ausreichend Zeit bekamen, sich einausgewogenes Urteil zu bilden, wird so schnell nicht vergessen werden.