„Welcher Missbrauch mit dieser Sehnsucht betrieben wird“

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Braunschweiger „Schloss“-Lösung als abschreckendes Beispiel für die FAZ.

Mag sein, dass Dr. Hoffmann im Fünfeck gesprungen ist, als vor wenigen Tagen die Frankfurter Allgemeine Zeitung sein Werk verunglimpfte – jedenfalls aus seiner Sicht. Da wurde ein Sammelband zum Thema Rekonstruktionen historischer Gebäude vorgestellt, in dem sich auch ein Aufsatz  mit dem „Braunschweiger Schloss“ beschäftigt. Redakteur Dieter Bartetzko fasst diesen folgendermaßen zusammen:

Welcher Missbrauch mittlerweile mit dieser Sehnsucht betrieben wird und dass „prunkvolle Atmosphäre“ inzwischen oft den Gesetzen der Warenästhetik folgt, belegt Dankwart Guratzsch in seinem Beitrag über den (Teil-) Wiederaufbau des Braunschweiger Schlosses als prächtig atmosphärische und konsumstimulierende Fassade einer riesigen Mall. (FAZ, 24.12.2008)

Das war nun schon der zweite Tiefschlag innerhalb weniger Wochen. Denn kein Geringerer als der Bundesbauminister Tiefensee hatte in aller Deutlichkeit öffentlich für die Rekonstruktion des Berliner Stadtschlosses eine Lösung gefordert

die anders als beim Römer in Frankfurt oder dem Schloss in Braunschweig einen Weg weist, wie man in unserem Jahrhundert mit einer solchen Aufgabe umgehen kann. (BZ, 28.11.2008)

Die sogenannte Braunschweiger Lösung also als Beispiel, wie man es nicht machen sollte, als negativer Bezugspunkt jeglicher Diskussion über Rekonstruktionen, als schlichtes Produkt rückständigen Denkens!  Als „Fehler, aus dem man lernen kann“, wobei allerdings wir auf diesem in Beton gegossenen „Fehler“  sitzen bleiben, während die anderen daraus lernen können.

Schönstes Bauwerk?  „Schloss“ unter „ferner liefen…“

Aber auch an der „Heimatfront“ läuft nicht alles nach Wunsch. Dabei hatte sich die
Braunschweiger Zeitung doch wieder voll ins Zeug gelegt: erst die Leserwahl „Das
Quadriga-Poster“ mit einer Auswertung über eine ganze, reich bebilderte Seite, dann die große Wahl des „schönsten Bauwerkes“ Braunschweigs!  Nur seltsam: auf eine ordentliche Auswertung dieser Wahl wartet der Leser bis heute. Statt dessen teilt die BZ vom 26.11.2008 lediglich in einer 12-zeiligen Bildunterschrift auf Seite 1 mit, dass das Altstadtrathaus gewählt worden sei. Im Lokalteil: nichts! An anderer Stelle: auch nichts!

Was war passiert? Warum ging die Redaktion mit ihrer „großen Umfrage“ mit einem Mal so stiefmütterlich um? War das Ergebnis so  unerwartet, ja unliebsam? Immerhin stand das „Schloss“ eben nicht auf Platz eins, auch nicht auf Platz zwei (Alter Bahnhof), nicht auf Platz drei oder vier (Schloss Richmond und Gewandhaus), sondern mit 40 abgegebenen Stimmen von 372 erst auf Platz fünf, wie Redakteur Meyer auf Nachfrage per e-mail mitteilte. Natürlich sind solche „Wahlen“ fragwürdig, aber möglicherweise doch ein verräterisches Indiz, dass es mit der Begeisterung der BraunschweigerInnen eben doch nicht so weit her ist.

Was kann Dr. Hoffmann in dieser Lage tun?

Zunächst dasselbe, was der Kaiser im Märchen „Des Kaisers neue Kleider“ tut. Als der Ruf des kleinen Kindes („Aber er hat ja gar nichts an!“) nach einiger Zeit dazu führt, dass „endlich das ganze Volk“ zum selben Urteil kommt, hält sich der Kaiser an das Motto „Jetzt hilft nichts, als standhaft auszuhalten!“ und nimmt „eine noch stolzere Haltung ein“.

Aber Dr. Hoffmann hat es weitaus schwerer. Denn während der Kaiser ja nur den einen feierlichen Umzug durchhalten musste und beim nächsten Mal mit Sicherheit wieder seine normale Kleidung anlegte, ist dies mit einer „konsumstimulierenden  Fassade“ nicht möglich – das liegt nun einmal in der Natur der Sache.

Er kann also gar nicht anders als deutlich aggressiver vorzugehen. über Minister Tiefensee gibt er sich „empört“, er stellt ihn als Ignoranten dar, der

wahrscheinlich unser Schloss von außen noch gar nicht vor Ort gesehen hat, mit Sicherheit nicht von innen. (BZ, 28.11.2008)

Und auch die anderen Kritiker kann er nicht akzeptieren, geschweige denn eine inhaltliche Auseinandersetzung mit ihnen führen. Nachdem er sie gerne immer wieder als „unbedeutende Stimmen“ in den Feuilletons der Zeitungen abgetan hat, stellt er sie nun als  unwissend oder schlecht informiert dar.

Ignorieren kann er sie aber nicht mehr, denn nun will er „Journalistenreisen für Vertreter der wichtigen Medien“ organisieren lassen. Dass er an deren Erfolg aber selbst nicht recht glaubt, zeigt eine wohl nicht so ganz beabsichtige Äußerung:

Das allerdings erst dann, wenn auch das Schloss-Museum wirklich fertig ist, erst dann kann man sehen, was hinter der Schlossfassade passiert, und dass das sehr gut zur Rekonstruktion passt. (BZ, 28.11.2008, Hervorhebung durch A.M.)

Also kann man es jetzt noch nicht sehen? Also hätte auch Minister Tiefensee, selbst wenn er es von innen gesehen hätte, gar nicht das sehen können, was Dr. Hoffmann schon von Anfang an gesehen hat? „Ich sehe was, was Du nicht siehst?“ So kann man wohl die wenigsten Journalisten überzeugen, einige in Braunschweig wirkende natürlich ausgenommen – aber die müssen ja auch gar nicht erst überzeugt werden.

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