Nachruf auf Stefan Soltesz

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Stefan Soltesz und Rob Vogel vom Orchestervorstand des Staatsorchesters Braunschweig - bei der Verleihung der Ehrendirigentenwürde 2012. Foto: Veronika Werner

Stefan Soltesz, ein weltberühmter Dirigent mit enger Bindung an Braunschweig, ist überraschend verstorben

Die Klassikwelt hat einen Dirigenten mit Weltruhm verloren und auch die Konzert- und Opernfreunde sowie Musiker in Braunschweig trauern um Stefan Soltesz. Am 22. Juli ist der 73jährige Dirigent im Nationaltheater München während einer Aufführung der Oper „Die schweigsame Frau“ von Richard Strauss im Orchestergraben am Ende des ersten Aktes zusammengebrochen und kurz darauf im Krankenhaus verstorben. Er hinterlässt seine Ehefrau Michaela Selinger (Mezzosopran). Soltesz war eng mit Braunschweig und seinem renommierten Staatsorchester verbunden, denn von 1988 bis 1993 war er Generalmusikdirektor und ab 2012 Ehrendirigent. Mehr als 25 Jahre dirigierte der begnadete Orchesterleiter umjubelter Sinfoniekonzerte in Braunschweig. Im Oktober 2022 sollte er wieder einmal gastieren. Bereits vor seiner Berufung zum Chefdirigenten in Braunschweig leitete Soltesz das Staatsorchester bei der Einspielung einer Schallplatte zum 400sten Orchesterjubiläum.

Stefan Soltesz wurde 1949 in Ungarn geboren, studierte nach der Flucht aus Ungarn an der Wiener Hochschule für Musik und darstellende Kunst Dirigieren bei Hans Swarowsky sowie Komposition und Klavier. Nach Stationen als Dirigent in Wien sowie Graz und als musikalischer Assistent von Karl Böhm, Christoph von Dohnányi und Herbert von Karajan bei den Salzburger Festspielen war er Dirigent der Staatsoper Hamburg, der Deutschen Oper Berlin und schließlich am Staatstheater Braunschweig. In der österreichischen Hauptstadt wurde der hochmusikalische Stefan Soltesz Mitglied der Wiener Sängerknaben. In dieser Zeit gab er als Elfjähriger bei einer Tournee auf einem Luxusschiff mit Schuberts Deutscher Messe sein Dirigierdebüt – da alle verfügbaren Dirigenten an der Seekrankheit gelitten haben, ist auf der Website der Wiener Staatsoper nachzulesen. An diesem Hause war er in den 1970er Jahren zunächst als Solorepetitor tätig, trat aber immer häufiger als Ballettdirigent auf. Im Jahr 1983 leitete er mit G. Rossinis Barbiere di Siviglia schließlich seine erste Opernvorstellung im weltberühmten Haus am Wiener Ring, dem er neben seinen zahlreichen internationalen Chefdirigentenpositionen über Jahrzehnte treu blieb.

Der langjährige und jüngst in den Unruhezustand gegangene Konzertmeister des Staatsorchesters Braunschweig, Johannes Denhoff, erinnert sich an den Dirigenten: „Stefan Soltesz war für mich einer der ganz großen Dirigenten unserer Zeit. Er konnte sehr unbequem sein, forderte von jedem Musiker, wie von sich selbst allerhöchstes Engagement. Seine Interpretationen waren immer absolut authentisch und inspirierend. Sein Einsatz für das Staatsorchester bis zuletzt war außergewöhnlich. Mit seinem Tod geht eine Ära zu Ende, auch für unser Staatsorchester.“

Von 1992 bis 1997 war er Chefdirigent der Flämischen Oper in Antwerpen/Gent und von 1997 bis 2013 Generalmusikdirektor der Essener Philharmoniker und Intendant des Aalto-Musiktheaters. Seitdem war er als freischaffender Dirigent an den großen Musikzentren der Welt erfolgreich tätig. Theater und Orchester trauern um den Ausnahmedirigenten. Nachrufe auf ihn fanden sich von der New York Times bis zum NDR Kulturprogramm. Das Staatstheater und das Staatsorchester Braunschweig haben ein Musikgenie verloren. Unvergesslich nicht nur seine Sprünge auf dem Dirigentenpodium. Mit niemals nachlassender Energie dirigierte er häufig tänzelnd die großen sinfonischen Werke und Opern. Allein an der Deutschen Oper Berlin dirigierte er 350 Aufführungen und an der Wiener Staatsoper sogar mehr als 500 Vorstellungen. Mit ihm ist eine der letzten echten Kapellmeisterpersönlichkeiten verstorben. Das Staatsorchester Braunschweig verdankt nicht zuletzt seinem Einsatz die Erlangung des sogenannten „A-Status“, der den Klangkörper als herausragendes Orchester ausweist. Alle, die Stefan Soltesz als Musiker oder Zuschauer erlebt und bewundert haben, werden ihn niemals vergessen. Möge er in Frieden ruhen und falls möglich himmlische Orchester zu Höchstleistungen anspornen! 

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