Leserbrief: Berichterstattung zum Nationalpark Harz in der GZ

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Admin.: Die mit der Braunschweiger Zeitung teilweise im redaktionellen Konkubinat lebende Goslarsche Zeitung berichtet oft über den Nationalpark Harz und die Bürgerinitiative, die sich gegen die Jagd und die wirtschaftliche Nutzung des Nationalparks wendet. Die Zeitung sieht den Nationalpark im Intrigensumpf. Reinhard Hoffer schrieb den folgenden Leserbrief zu einem Artikel vom 6.11.07: „Nationalpark Querschüsse … Dauerfehde mit einem Jagdgegner“, von Oliver Stade. In dem Artikel wird Hoffer – in der Tat ein Gegner der Jagd im Nationalpark – namentlich erwähnt. (Leider ist der Zeitungstext über das Internet nicht oder nicht mehr verfügbar – zumindest können wir ihn dort nicht finden):

So sehr zu begrüßen ist, dass Sie auch den Nationalpark Harz zum Thema machen, so sehr ist eine Berichterstattung zu wünschen, die sich an Tatsachen hält, die den Nationalpark betreffen. Da mein Name immer wieder genannt wird – auch im Zusammenhang mit der Bürgerinitiative Nationalpark Harz – bitte ich Sie, die nachfolgende Informationen abzudrucken. Ich bedaure, dass ich den Artikel erst jetzt vollständig einsehen konnte.

1. Die Bürgerinitiative Nationalpark Harz liegt nicht mit dem Nationalpark Harz im Dauerstreit.

 

 

Richtig ist vielmehr, dass die Bürgerinitiative Nationalpark Harz mit dazu beigetragen hat, dass der Nationalpark Harz (Niedersachsen) gegen den massiven Widerstand der Forstverwaltung überhaupt gegründet worden ist (1993) und dass sie seitdem versucht, im Nationalpark Harz die international gültigen Maßstäbe der Nationalparkbehandlung (z.B. IUCN-Kriterien) sowie die Zielsetzung des Bundesnaturschutzgesetzes § 24 (2) durchzusetzen: Gewährleistung der natürlichen Dynamik.

 

2. Die Bürgerinitiative Nationalpark Harz greift weder Herrn Dr. Eberl noch Herrn Pusch an, sie nennt vielmehr tatsächliches Verhalten dieser beiden Personen. Der eine hat als FDP-Staatssekretär des Niedersächsischen Umweltministeriums (Forstmann und Jäger) im Staatsvertrag zwischen Niedersachsen und Sachsen-Anhalt die Weichen gestellt für ein den genannten Maßstäben weitgehend widersprechendes Nationalparkgesetz, das ausufernde Försterei und Jagd erlaubt/legitimiert. Er hat die Bestimmungen des Nationalparkparagrafen des Bundesnaturschutzgesetzes (§ 24) ausdrücklich und vorsätzlich nicht in den Staatsvertrag aufgenommen. Er hat ferner den seit Jahren einzigen Harzer 20-Ender, einen wertvollen Nachwuchshirsch, im Forstbezirk Clausthal geschossen und er hat m. W. auch selbst im Nationalpark gejagt. Herr Pusch hat erklärt, dass er auch weiterhin in den Kernzonen des Nationalparks jagen lassen werde und auch wieder die Hundehetze einführen werde (Magdeburger Volksstimme vom 3.11.2007). Insofern nutzen Herr Dr. Eberl und Herr Pusch die Freiräume extensiv, die auf Vorschlag des Landesumweltministeriums von der Landesregierung eingeräumt wurden. Beide sind nicht direkt an nationale oder gar internationale Vorgaben gebunden (Naturschutzhoheit der Länder).

 

3. Sie behaupten, es bestehe eine Dauerfehde mit einem Jagdgegner – gemeint bin wohl ich. Richtig ist jedoch, dass sich mittlerweile über 2000 Menschen mit Ihrer Unterschrift gegen die Jagd, aber auch gegen Holzeinschlag und Holzverkauf im Nationalpark wenden. Es werden immer mehr.

 

4. Ihre Ausführungen über meinen Beruf und meine Einfühlsamkeit sind zwar richtig und mögen vielleicht eine gewisse (allerdings überflüssige) Werbung darstellen. Aber was hat das mit meinem Einsatz für die Durchsetzung eines Bundesgesetzes und international üblicher Normen in Niedersachsen zu tun?

 

5. Immer wieder wird behauptet, Jagd sei im Nationalpark Harz nötig. Da nicht sein kann, dass ökologische und ethologische Selbstverständlichkeiten (Elton,1927 u. Lindeman, 1942) unbekannt sind, die die Selbstregulierung von Beutepopulationen erklären (erst Beute ermöglicht und reguliert dann Beutegreifer, nicht umgekehrt, s. a. W.-E. Barth, 1987), ist die Behauptung des Gegenteils wohl Lüge. Sie stellen den Begriff so in den Raum, als sei er völlig unbegründet.

 

6. Richtig ist, dass mich Herr Ohmes anzeigte, als ich mich auf dem Weg Heidelbeerschneise befand. Der Weg war teilweise aufgehoben worden. Herr Ohmes ist der Forstbeamte, der sich vor Gericht u.a. die uneidliche Falschaussage erlaubte, es habe nie einen Weg ‚Heidelbeerschneise‘ oberhalb des Flutgrabens zum Skikreuz gegeben. Aus Mitleid habe ich damals nicht darauf bestanden, ihn gerichtlich verfolgen zu lassen. Er hätte seine Beamtenstatus verloren. Aber warum erwähnt Herr Stade diesen Vorfall?

 

7. In der Sache bestreiten weder Herr Dr. Eberl noch Herr Pusch den Wahrheitsgehalt der im Namen der Bürgerinitiative getroffenen Feststellungen (Jagdzeitverlängerung, eigene Teilnahme an Jagden im Nationalpark). Warum soll es eine Schlammschlacht sein, wenn darauf hingewiesen wird?

 

8. Die sogenannte Leitlinie, in der Herr Dr. Eberl den Zwang zur Jagd gegen den schwachen Widerstand der Magdeburger Bürokratie durchsetzte, soll ein ‚internes Nationalparkpapier‘ sein? Ist es neuerdings ein Geheimnis, welchen Richtlinien eine deutsche Behörde folgt? So weit ich weiß, sind solche Informationen u.a. über die Pressestellen der jeweiligen Ministerien zu bekommen. Warum wohl soll die Öffentlichkeit über Sachverhalte nicht informiert werden, die in einer Behörde vorgehen, die vom Steuerzahler unterhalten wird? Tatsächlich wenden sich Mitarbeiter der Nationalparkbürokratie entsetzt ab, wenn ich ihnen auch nur ein Papier in die Hand geben will. ‚Das wäre das Letzte, was ich als Mitarbeiter der Nationalparkverwaltung tun würde, dass ich mit Ihnen Kontakt aufnehme…‘ So geschehen am 13.11.2007 im Flur des Amtsgerichts Clausthal beim Prozess gegen Herrn Schiers. Angst und Terror in der Nationalparkbürokratie? Ist das die neue Leitlinie?

 

9. Welches Rechtsverständnis beherrscht die Behördenvertreter, die Nationalparkrecht irgendwelchen Ansprüchen Dritter unterordnen (Herr Ripke vom ML habe das gefordert)? Haben Herr Pusch und Herr Dr.Eberl sich diesen Ansprüchen nicht untergeordnet? Doch. Haben sie.

 

10. Wer torpediert den Nationalpark? Sind es wirklich ‚Enttäuschte‘? Das sind alles üble Gerüchte. Tatsächlich torpedieren doch diejenigen den Nationalpark und zugleich auch noch den Nationalparkgedanken, die Natur in diesem Schutzgebiet eben nicht sich selbst überlassen sondern durch Forstwirtschaft und Jagd nutzen. Alles verbrämt unter dem Stichwort ‚Waldumbau‘ – von Fichte zu Buche. Als ob die Fichte nicht besser für Klimaschutz sorgen würde als Buche es kann. Auch kennt die Natur nur natürliche Prozesse. Die werden in Nationalparken geschützt, nicht das Försterei- und Jagdprivileg. So sollte es jedenfalls sein.

 

11. Mich mit Leuten gleichzustellen, die etwa den wahnwitzigen Beschneiungswahn unterstützen, ist ein Gipfel der Infamie. Und die Natur, den Wald sich selbst zu überlassen, ist keine ‚Ausnahme je nach Interessenlage‘, sondern fundamentaler Bestandteil der Nationalparkidee, der international gültigen Normen und des Bundesnaturschutzgesetzes. Wenn Jagd und Forstwirtschaft eben keine Ausnahme sind, sondern Normalität, dann ist das der Skandal, verursacht von jenen, die Forstwirtschaft und Jagd auf Teufel komm‘ raus betreiben.

 

12. Naturtourismus in Nationalparken funktioniert dort zur Zufriedenheit der örtlichen Vermieter, wo der Mensch in die Natur eben nicht eingreift. Das zeigt z.B. der Schweizerische Nationalpark. Im Harz funktioniert der Naturtourismus nicht. Auch das ist ein Grund, warum der Tourismus im Harz erbärmlich leidet. Dies zu bestreiten berücksichtigt die Motivation des Naturtouristen nicht. Sie kommen nicht in einen Nationalpark, der von Jagd, folglich mangelnder Sichtbarkeit des Wildes und Forstwirtschaft bestimmt ist. Die Verzweiflung des Hoteliersehepaares aufgrund fehlender Gäste ist jedenfalls nicht zu bestreiten. Einzelnen Personen direkt Schuld zuzuweisen war nicht beabsichtigt.

 

13. Warum ausgerechnet eine Mitarbeiterin von Europarc nicht mitteilt, dass im Bayerischen Wald ausschließlich in sogenannten Wintergattern geschossen wird, nicht im Nationalpark oder in Berchtesgaden im überwiegenden Teil des Nationalparks keine Jagd stattfindet – das bleibt rätselhaft. Herr Bibelriether, der deutsche Nationalparkpapst und Mitgründer von Europarc, hält übrigens Forstbeamte für ungeeignet, um Nationalparke zu ‚managen‘ (s. Nationalparkzeitung Nr. 1/07). Sie förstern ihm zuviel herum.

 

14. Herrn Gaffert (und vorher Herr Hlawatsch) hat der ‚Nationalpark Hochharz‘ radikale Treibjagden auf Rotwild in den Kernzonen des Brockens, Heinrichshöhe, Königsberg) zu verdanken. Bei einer davon wurden 54 Stück Rotwild ausgerottet. Damit war es vorbei mit einer sehr vertrauten/zutraulichen Population, die nach der Wende das Publikum erfreute. Trotz hoher Wilddichte war das Gebiet nationalparkreif, natürliche Dynamik hatte fast 40 Jahre ohne Jagd funktioniert. Herr Gaffert ist wirklich ein vorzüglicher Zeuge für den Nationalparkgedanken.

 

15. Ich bin kein Gegner des Nationalparks. Das sind diejenigen, die den Grundsatz: ‚Keine Forstwirtschaft, keine Jagd‘ noch nicht einmal für die Kernzonen gelten lassen wollen. Faktisch ist Förstern und Jagen im Nationalpark Harz eine Enteignung von Staatsbesitz zum Gebrauch einiger weniger privilegierter Personen, die gerne das tun, was sie gelernt haben, nämlich zu förstern und zu jagen, die ihre Freude am Schießen auf Großtiere haben. Es ist die Enteignung von Naturgenuß der Nationalparkbesucher. Und schließlich wird einer daherkommen, der sagt: Ja, wenn hier soviel geförstert und gejagt wird, dann ist das ja kein Nationalpark, dann wollen wir den mal wieder abschaffen. Dagegen wehren sich meine Freunde, dagegen sprechen sich die über 2000 Unterstützer auf Unterschriftenlisten aus, dagegen spreche ich mich aus.

 

16. Und wer würde dann entlassen, als erste? Genau, das sind nicht Herr Dr. Eberl, nicht Herr Pusch, nicht die anderen Beamten. Das werden die Waldarbeiter sein, die Ranger, alles tüchtige Leute, die im Nationalpark still und kleinräumig die natürliche Dynamik unterstützen könnten, beim Wiedervernässen, beim Leiten der Menschen zu den Naturwundern, beim Erklären der komplizierten Zusammenhänge, die das soziale Gefüge des letzten deutschen, einheimischen Wildes zeigt (s. Erlebnisweg Wildtiere im Nationalpark). Auch diese potentiellen, zu erwartenden Opfer einer fehlgeleiteten Försterideologie gilt es zu schützen.

 

Leider ist der Text etwas lang geworden. aber Herr Stade hat so viele Halbwahrheiten in den Text hineingepackt, dass nur die vollständige Widergabe der 16 Punkte ausreicht, um sie einigermaßen gerade zu rücken. Ich maile Ihnen den Text jetzt zu, werde ihn aber auch per Brief verschicken, sobald ich Gelegenheit dazu habe. Sie können sicher sein, dass ihre Leser auf diese Richtigstellung warten.

Reinhard Hoffer, Braunschweig

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