„Garten der Erinnerung“. Anja Hesse: „Wir sollten mit dem Bau beginnen“.

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Kulturdezernentin Dr. Anja Hesse erläutert den Stand der Planung.

Foto: Marcus von Bucholz

Kulturdezernentin Dr. Anja Hesse zum „Garten der Erinnerung“: „Ich wünsche mir, dass wir endlich mit dem Bau beginnen können“

 Ausgerechnet die BiBS als Erfinderin des „Gartens der Erinnerung“ verzögert jetzt den Bau. Angeblich geht es um den Bestand eines wilden Bolzplatzes für Kinder.Vor fast drei Jahren, im August 2014, gewann der romantische Mädchenname „Roselies“ in Braunschweig eine neue Bedeutung. Wie die BIBS-Fraktion im Rat der Stadt Braunschweig herausfand, stand der Name „Roselies“ nicht nur Pate für eine Nazi-Kaserne neben dem Lindenberg-Viertel, sondern gleichbedeutend für ein Kriegsverbrechen des Ersten Weltkriegs. Unter Beteiligung des Braunschweiger Infanterieregiments 92 wurde in dem kleinen belgischen Dorf 1914 ein Massaker an der Zivilbevölkerung verübt.

Seither haben sich Historiker, Ausschüsse, Bezirksräte, der Rat der Stadt, die Verwaltung, das Verwaltungsgericht und Anwohner mit dem Thema beschäftigt. Immerhin herrschte (gegen frühere Widerstände aus Teilen der CDU) irgendwann Einigkeit: Im heutigen „Roselies-Viertel“, dem Neubaugebiet auf dem ehemaligen Kasernengelände, soll in einem „Garten der Erinnerung“ dem Massaker gedacht werden. Dies umso mehr, als die Nachkommen der belgischen Opfer versöhnlich die Hand über die Grenze reichten und Braunschweig einen Besuch abstatten wollten. Da sieht man schon aus Marketinggründen ohne Gedenkstätte ganz schön schäbig aus.

Hier (rot eingekreist) möchte die Stadt den „Garten der Erinnerung“ anlegen. Die BiBS will ihn auf der anderen Seite des Fußwegs haben.

Foto: Stadt Braunschweig

Am 13. September 2016 gab es dann endlich nach langem Gremienringen den Standortbeschluss, wo der „Garten der Erinnerung“ angelegt werden kann. Damals träumte man noch von roten Mohnbeeten, Sandsteinsteelen und Plastiken aus Glas und Cortenstahl (das ist das rostige Blech, mit dem man die Kemenate am Hagenmarkt verhunzt hat). Das mit dem Mohn liess man schnell fallen, so Kulturdezernentin Dr. Anja Hesse: „Aus Gründen der Wildverbreitung waren die Anwohner verständlicherweise dagegen.“ Zahlreiche Standorte im ohnehin nicht gerade großen Viertel wurden geprüft: Mal behinderten sie Feuerwehrzufah rten, mal wären sie dem Naturschutz zuwider gelaufen. Manche Flächen waren kein öffentlicher Grund und andere kollidierten mit bestehenden Bebauungsplänen. Eine nahe Verortung mit dem von der BiBS seit Jahren bemäkelten „Ehrenhain“ der früheren Bundeswehr-Soldateska wurde kategorisch ausgeschlossen: „Das Eine hat mit dem anderen nichts zu tun. Es hat keinen Sinn, eine historische Verbindung herzustellen, wo es keine gibt“, so Dr. Anja Hesse. Ausserdem liegt der „Ehrenhain“ nicht auf dem Gelände der ehemaligen Roselies-Kaserne.

Letzter trauriger Akt, der an das Ringen um das Holocaust-Mahnmal in der Hauptstadt erinnert: Ein paar Kinder des Viertels haben just den geplanten Ehrenhain-Platz zu ihrem wilden „Bolzplatz“ gemacht. Darf man Kinder von ihrem Spielplatz vertreiben, oder dürfen sie zukünftig auf einer Gedenkstätte herumtrampeln, weil dort zufällig zwei benachbarte Bäume ein ideales Fußballtor darstellen?

Exakt diese Lösung präferiert die Stadt. Ein paar Platten aus belgischem Sandstein sollen ebenerdig in die Rasenfläche eingelassen werden. Eine Reihe Bäume voll belgischen Schüttobstes am Rande soll auch die Kinder der nahe KiTa „Roselies“ nähren. Und hinter einem Steinkoffer sollen Rosen des Namens „Friedenslicht“ erblühen. Irgendwo kommt noch eine Bronzeplatte mit Erinnerungstexten des Historikers Ole Zimmermann hin. Das Ganze kostet knapp 30.000,- €.

Allein, zum Jahrestag der „Roselies-Schlacht“ wird die belgische Delegation das Mahnmal nicht erblicken können. Die Stadt Braunschweig hat sie deshalb gar nicht erst eingeladen. Denn die BiBS hat für den Rat der Stadt am 22. August den Antrag gestellt, den „Ehrenhain“doch besser auf der anderen Seite eines Fußwegs durch das Viertel anzulegen – ca. 25 Meter weiter westlich. Dezernentin Dr. Anja Hesse: „Lediglich der Respekt vor dem Rat und seiner Entscheidungsfreiheit verbietet es, mit der Realisierung des Projekts vor der Behandlung eines erneuten Antrags der BiBS-Fraktion zu beginnen. Ich wünsche mir nichts mehr, als dass wir endlich mit dem Bau beginnen können.“

Die BiBS-Geschäftsstelle liess auf Anfrage von „braunschweig-spiegel.de“ in einem informellen Gespräch durchblicken, dass eigentlich keine Sachgründe gegen die städtische Planung stehen.

 

2 Kommentare

  1. An sich erfreulich, aber der Satz „Da sieht man schon aus Marketinggründen ohne Gedenkstätte ganz schön schäbig aus“ ist ja wohl total daneben!

    • Nein Regine, nicht daneben, sondern total zynisch. Wenn man diesen Firlefanz um die Gedenkstätte zig Monate journalistisch begleitet, bleibt keine Luft für eine andere Sicht der Dinge mehr. Gruß

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