Dr. h. c. Gerd Biegel auf dünnem Eis

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Die Dornse, die Gute Stube Braunschweigs und für besondere Anlässe vom OB Dr. Hoffmann geöffnet, war sehr gut besucht. Kein Geringerer als der australische Historiker Christopher Clark, der am St. Catharine’s College Cambridge lehrt und dessen Buch „Die Schlafwandler“ auf der Frankfurter Buchmesse hoch gehandelt wurde, war zur Preisverleihung nach Braunschweig gekommen.

Er soll den erstmals vergebenen »Braunschweiger Geschichtspreis« erhalten. Dieser Preis wird vom „Institut für Braunschweigische Regionalgeschichte“ an der TU Braunschweig und der „Gerd und Irmela Biegel Stiftung für Geschichtsvermittlung“ zukünftig jährlich vergeben und ist mit 3000 Euro dotiert. Braunschweig hat also eine neue Stiftung zur Förderung von Geschichtsvermittlung und Geschichtsforschung.

Es muss an dieser Stelle nicht weiter auf das Ereignis in der Dornse eingegangen werden, weil die Braunschweiger Zeitung am 16.10.2013 ausführlich berichtete: „Gleich Schlafwandlern in den Krieg„.

Bekanntlich hat Clark mit seinem neuen Werk „Die Schlafwandler“ eine breite Historikerdebatte zur Vorgeschichte des Ersten Weltkriegs ausgelöst, relativiert er doch die deutsche Kriegsschuld. In Deutschland fällt dieses Buch auf fruchtbaren Boden, insbesondere auch in nationalistischen, rechten und rechtsradikalen Kreisen. Das muss ertragen werden, sofern sich hinter dem Versuch einer neuen Geschichtsschreibung kein politisches Kalkül verbirgt. Ertragen muss es werden, wenn es um wissenschaftliche Wahrheitsfindung geht. Und darum muss es auch Herrn Dr. h.c. Biegel gehen, wenn er ernst genommen werden möchte.

Normalerweise ist es in der Wissenschaft so, dass neue Erkenntnisse oder auch Theorien oder Hypothesen in Fachkreisen zur fachlichen Diskussion gestellt werden. Alles wird fach- und sachlich gewogen und gewichtet. Bei neuen Erkenntnissen müssen wissenschaftlich belastbare Begründungen in den Disput eingeführt werden. Erst dann sollte ein populärwissenschaftliches Werk erstellt werden, um der Allgemeinheit das neue und belastbare Wissen, die erweiterte wissenschaftliche Ekenntnis, zugänglich zu machen.

Die Herausgabe des populärwissenschaftlichen Buches mit hohem Niveau von Herrn Clark, bedarf noch einer solchen Diskussion und diese beginnt ja auch. Der wissenschaftliche Disput über die Ursachen des 1. Weltkriegs ist nun neu entflammt und es wird sich erst noch zeigen auf welcher Seite die belastbareren Argumente liegen. Der neue Historikerstreit erweckt Hoffnung auf weitere gesicherte Erkenntnisse und bietet erst dann Anlass für eine erneute Bewertung.

Einer der Historiker, der massiv widerspricht, ist der Experte für neuere Geschichte Wolfram Wette von der Universität Freiburg. Siehe auch B-S „1914: DER WILLE ZUM KRIEG„. Ein weiterer Historiker und Fachjournalist ist Volker Ullrich, der sich durch seine Bücher hohes Ansehen erwarb: Er rezensierte das Buch von Herrn Clark in der ZEIT vom 12.09.2013: „Zündschnur und Pulverfass„. Sachlich und bestimmt kommen beide begründet zu der Auffassung, dass die Geschichte hinsichtlich der Ursachen des 1. Weltkriegs nicht neue geschrieben werden muss. Beide weisen sie auf massive Fehler in Clarks Interpretation und Schwerpunktsetzung hin.

Doch egal wie der Historikerstreit ausgehen mag; es bleibt die Frage an Herrn Dr. h.c. Biegel: Musste zu diesem Zeitpunkt, zu dem der Streit gerade erst begann, der Preis verliehen werden? Ist es wissenschaftlich und politisch vertretbar Preise zu vergeben, bevor die neuen Erkenntnisse wissenschaftliche Anerkennung gefundenhaben? Oder ist es nicht purer Populismus, vulgäre  politische Einflussnahme, ein sich anhängen an einen erfolgversprechenden doch voreiligen Beifall, egal wo er herkommt? Die Preisvergabe scheint zumindest nicht seriös zu sein und wahrscheinlich von politischen und eitler Motivation getragen.

Gerade wir in Braunschweig haben allen Anlass etwas vorsichtiger, ja demütiger zu sein, wenn es um unsere NS-Vorkriegs-Kriegs- und Nachkriegsgeschichte geht. Zu viel Schlimmes ist von unserer Stadt ausgegangen. Und nun die Umstände zum „Braunschweiger Geschichtspreis“. Da hätte man der Sensibilität und der Wissenschaft halber warten können und müssen. Besonders von uns in Braunschweig muss keine mögliche Relativierung des Kriegsgrundes ausgehen, zumal der 1. Weltkrieg mit eine Ursache für den 2. Weltkrieg war. Aber auch der ist hinsichtlich der Kriegsursachen zunehmend eine Baustelle, befördert durch interessierte Kreise in Nadelstreifen.

Damit Sie sich ein Bild von dem Disput machen können, verweise ich hier auf folgende Veranstaltungen:

Guido Knopp wird im Spiegelsaal des legendären Berliner Tanzpalast „Clärchens Ballhaus“ mit dem renommierten Historiker und Cambridge-Professor Christopher Clark, Autor des gerade erschienen Buches „Die Schlafwandler. Wie Europa in den Ersten Weltkrieg zog“, dem Historiker Prof. Sönke Neitzel (London School of Economics and Political Science) und dem Historiker Prof. Dr. Wolfram Wette über den Ausbruch des Ersten Weltkrieges diskutieren.

Wer war schuld? – Der Weg in den Ersten Weltkrieg
03.11.2013, 13.00 Uhr, phoenix

Prof. Wolfram Wette wird in der Ev. Akademie Abt Jerusalem vortragen. Siehe Programm Frühjahr 2014 (erscheint Ende Dezember)

Die Historiker Prof.  Roloff, Dr. Ludewig und Pastor und Historiker Küssner im Gespräch über 1914.

 

 

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