Von Elke Lücke
Wenn wir glauben, die Welt durch nachhaltigen Konsum vor der Klimakatastrophe zu retten, betrügen wir uns selbst. Das sagt der japanische Philosoph Kohei Saito. Denn der Kapitalismus ist nicht zukunftsfähig. Klar und überzeugend vertritt Saito die These: Nichts, was die Welt jetzt braucht, lässt sich innerhalb eines kapitalistischen Systems realisieren. Grünes Wachstum ist unmöglich.
Was wir stattdessen brauchen? Einen neuen Kommunismus! Genauer gesagt: einen Ökosozialismus, der nicht auf Wachstum ausgerichtet ist, der das Produktionstempo herunterfährt und Wohlstand umverteilt. Schon Marx plädierte für eine nachhaltige Wirtschaftsordnung. Und nur damit wird es uns gelingen, die Natur – unsere Lebensgrundlage – zu erhalten.
Wie kommt es, dass kaum jemand auf die sehr direkte Verbindung hinweist zwischen den immer brutaler zutage tretenden Problemen der Ökologie – dem Klimawandel, der rücksichtslosen Ausbeutung von Ressourcen, den Ozeanen voller Müll – und der gemeinsamen Ursache all dieser Erscheinungen, nämlich dem kapitalistischen Wirtschaftssystem?
Wenn das eine gutes Idee wäre, hätten wir es schon längst umgesetzt, denn der Klimawandel ist ja schon da. Die Folgen sind ja schon gravierend. Doch der Kapitalismus ist ein System, dass zwangsläufig zur Ausbeutung von Menschen und Natur führt, um das Wachstum aufrecht zu erhalten. Er führt zu imperialer Lebensweise. Die Produktion sucht nach Ressourcen. Der Planet wird dann beiseite geschoben. So gibt es einige Menschen, die den „Green New Deal“ vorschlagen, die darauf abzielen die Erwärmung aufzuhalten und gleichzeitig das Wirtschaftswachstum zu fördern. Der Markt allein wird die Emission nicht reduzieren. Die Abhängigkeit bedeutet, dass wir uns an die Erwärmung anpassen, anstatt sie zu verhindern.
Ich sehe vier zukünftige Szenarien. Das erste ist der Klimafaschismus. Der Klimawandel gerät außer Kontrolle. Nur die Superreichen können ein normales Leben führen, der Rest wird unterdrückt.
Das zweite ist die Barbarei. Wir tun nicht genug. Die Erwärmung verursacht Aufstände, Hunger und Massenflucht. 99 % stürzen in eine anarchisches Chaos.
Die Dritte Möglichkeit ist der Klima-Maoismus. Der Klimaschutz wird in einer zentralen Diktatur dem Bürger aufgezwungen.
Die vierte Möglichkeit ist meine Variante X: Die Klimakrise wird demokratisch auf der Basis von Gleichheit und Freiheit angegangen.
Mit dem Buch „Systemsturz“ zeigen Sie auf, wie die Variante X aussehen könnte. Sie beziehen sich auf Marx als Vordenker grünen Denkens. Können sie uns da mitnehmen.
Aus einigen späten Notizbüchern geht hervor, dass sich Karl Marx mit der ökologischen Bodenverarmung, Waldvernichtung und Artensterben beschäftigt. Marx war auch ein ökologischer Philosoph, der z.B. sich mit dem Zeitgenossen Justus von Liebig auseinandersetzte. Marx‘ Ideen haben sich nicht als falsch erwiesen, wenn man seine Werke auf der Ebene der ökologischen Herausforderung versteht.
Was bezeichnet Marx als „Degrowth-Kommunismus“
Ich will ihnen drei Ideen nennen, die ich von Marx übernommen habe:
Die erste ist der Gebrauchswert gegenüber dem Tauschwert. Ich betone eine Nützlichkeit einer Ware als Gebrauchswert und ihrem Wert im Handel, dem Tauschwert. Ich betone den Gebrauchswert in den Vordergrund zu stellen. Das heißt die Grundlage hat die von Gütern auf der Grundlage von Nützlichkeit und Notwendigkeit. Nicht auf der Grundlage das Profits. Dieser Wandel ist der Ausbau von Überproduktion, die Hauptursache der Überproduktion und Umweltzerstörung.
Das Zweite ist das Konzept des gemeinsamen Besitzes. Damit könnten die Ressourcen nachhaltig und gerecht bewirtschaftet werden. Marx könnte uns lehren, wie wir dieses Ziel erfolgreich schaffen.
Der dritte Punkt ist Demokratisierung von Produktion und Arbeit. Die Arbeit könnte sinnvoller, und an sozialen und ökologischen Bedürfnissen orientiert werden.
Es gehr im Grunde darum, künstlich erzeugte Knappheiten des Kapitalismus zu beseitigen. Die Gemeinschaft verlangt Zuspruch was einst Gemeingut war. Überfluss wird hergestellt, steht allen zur Verfügung und wird gemeinschaftlich verwaltet.
Die Idee ist „Überfluss“ und „Fortschritt“ neu zu definieren, um den Zugang zu den Grundbedürfnissen und gleichzeitige Massenverschwendung zu vermeiden.
Philosophen entwickeln keine politischen Strategien, sie fungieren eher als Ideen-Ingenieure. Die weisen eher alternative Funktionsweisen dieser Konzepte auf. Es sind also wichtig, neue Kontexte zu bieten. Für viele bedeutet Kapitalismus mehr oder weniger eine florierende Wirtschaft und Wohlstand. Tatsächlich ist es aber eine künstliche Erzeugung von Armut und Mangel. Mit dem Aufkommen des Kapitalismus im 16. Jahrhundert begann die Privatisierung, wie Wohnraum, Ackerland und Wasser. Die Ressourcen gerieten zur Handelsware. Das korrespondiert mit dem Lauderdale-paradox das besagt, dass öffentlicher Wohlstand abnimmt, wenn individueller Reichtum abnimmt. Das steht im Gegensatz zu Adam Smith und seinem Dogma, dass persönliches Gewinnstreben Wohlstand schafft für alle. Im Kommunismus, wie von Marx verstanden und wie ich ihn im Rahmen des Degroth-Kommunismus anwende, geht es darum, die künstlich erzeugte Knappheit des Kapitalismus zu beseitigen. Die Gemeinschaft verlangt zurück, was ihr einst genommen wurde. Überfluss wird gemeinschaftlich verwaltet. Degroth-Kommunismus bedeutet keinen asketischen Verzicht, sondern Überfluss und wahren Wohlstand.
Es geht mir darum nicht das vorherrschende System zu zerstören sondern es zu transformieren oder eine „Revolutionäre Realpolitik“. Es geht um die Schaffung von Gemeinbesitz in etwa wie die kostenlose Bildung im Kapitalhirschen Deutschland.
Wie ist die Klimarettung nicht nur sinnlos sondern sogar gefährlich. Warum?
Die Nachhaltigkeitsziele sind das neue Opium des Volkes. Eine Referenz zu Karl Marx, der einst die Religion so bezeichnete. Die Menschen denken, dass mit der Übernehme von Verantwortung, wie Bio-Lebensmittel, mit dem Tesla auf der richtigen Seite der Geschichte stehen.. Aber die Sichtweise ist zutiefst kapitalistisch, die grundlegenden Fragestellungen ausweicht. Der Kapitalismus vermeidet diese Fragen, sie zielen immer auf mehr an Gütern. Hier sollte die kritische Theorie den Mythos zu entlarven.
Was halten Sie von „Die letzte Generation“. Da kommen Begriffe wie Kommunismus nicht vor. Niemand erwähnt hier Karl Marx. Warum verfangen die Begriffe nicht, der Degrowh-Kommunismus. Obwohl die Gruppen die Logik des Kapitalismus in Frage stellen. Und die Idee des ewigen Wachstums ablehnen. Diese Gruppen scheinen an Fantasiearmut zu leiden, wie eine bessere Zukunft aussehen kann. Viele Aktivisten zählen den Marx nicht zu den Hauseigenen. Ich denke, dass wir konkrete Vorstellungen haben sollten, wie das gute Leben nach dem Kapitalismus aussehen könnte.
Kohei Saito
ist assoziierter Professor für Philosophie an der Uni Tokio. Er promoviert an der Humbolduniversität zu Berlin. Er ist Mitherausgeber der Marx-Engels Gesamtausgabe. Sein Buch „Systemsturz“ Der Sieg der Natur über den Kapitalismus““ ist 2023 bei DTV erschienen.
Das Gespräch ist entnommen worden aus dem „philosopie magazin“, Sonderausgabe Nr.27, 2024: Impulse für 2024.