Der schwarze Herzog – ein Fallbeispiel als Nachtrag

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Dieser Nachtrag bezieht sich auf die drei Folgen zum schwarzen Herzog

Der Schwarze Herzog, die Prügelstrafe und der Fall Theilinger

Der Schwarze Herzog hat mit der Einführung der Prügelstrafe 1814 seine selbst unter den damaligen Fürsten rückschrittliche Einstellung unübersehbar offenbart. Hans Kolmsee, ein pensionierter Offizier der Bundeswehr, hat in einer kleinen Broschüre den Fall Theilinger dokumentiert und dabei interessante Einzelheiten zur Prügelstrafe dargelegt. Georg Theilinger, damals 25-jähriger Braunschweiger Soldat, wurde zu 1000 Schlägen verurteilt. Dazu gleich mehr.

Prügel mit der „neunschwänzigen Katze“ auf den nackten Oberkörper

Das Prügelgerät bestand aus neun Hanfbändern, in die mehrere Knoten eingeflochten waren. Der abkommandierte Schläger musste die Peitsche zweimal über dem Kopf kreisen lassen, um Schwung zu holen und dann mit voller Kraft auf den Rücken zu schlagen. Nach 25 Schlägen wurde er abgelöst; schlug jemand nicht hart genug zu, lief er Gefahr, selber geschlagen zu werden. Kolmsee zitiert einen englischen Soldaten, der berichtet, dass einem von ihm gesehenen geprügelten Soldaten schon nach 100 Schlägen „das Blut in Strömen über den Rücken lief“. Im Überlebensfall, so Kolmsee, blieben lebenslange schwere Schäden. In seiner Broschüre ist ein grauenhaftes Bild eines vernarbten Rückens nach einer Auspeitschung abgedruckt.

Wofür sollte der Jäger Theilinger 1000 Schläge bekommen?

Theilinger war unter den Truppen, die der Herzog im April 1814 völlig unnütz aus Braunschweig an den Rhein und nach Belgien geführt hatte; denn Napoleon war besiegt und begab sich Ende April ins Exil nach Elba. Dessen ungeachtet beließ der Herzog das Feldkorps noch wochenlang in Belgien, wo es nichts zu tun gab, wo man auch bei der örtlichen Bevölkerung nicht willkommen war und wo nach Kolmsees Vermutung die Stimmung ziemlich schlecht gewesen sein muss (mangelhafte Unterkünfte, schlechte Verpflegung, Krankheiten, Ungeziefer und vor allem die Sinnlosigkeit des Einsatzes).

Theilinger war nun im „Krätzhospital“, begab sich dann aber ins Wirtshaus, um Schnaps zu trinken. Als über Lärm geklagt wird, schickt der Kommandeur seinen 19 jährigen Adjutanten dorthin, der Theilinger befiehlt, sich wieder ins Lazarett zu begeben. Als dieser sich weigert, wird der Adjutant tätlich, wirft ihn vor die Tür und droht ihm Schläge an. Er fasst an seinen Säbel, worauf Theilinger sein Bajonett zieht, einen Schritt zurück geht und den Angriff des Adjutanten erwartet. Er kann dann aber überwältigt werden, wobei niemand verletzt wird.

Das Urteil des Braunschweigischen Generalkriegsgerichtes, durch Friedrich Wilhelm bestätigt

Vor dem Gericht beruft sich Theilinger darauf, dass er „bis zur Besinnungslosigkeit betrunken gewesen sei“ und sich an nichts erinnern könne. Ein Zeuge bestätigt dies, allerdings widersprechen zwei andere Zeugen, ein vierter Zeuge ist im Urlaub und kann nicht gehört werden. Obwohl das Gericht das Verhalten des Adjutanten als „äußerst unrichtig“ bewertet, verurteilt es dessen ungeachtet Theilinger zu den genannten 1000 Schlägen Prügelstrafe und zusätzlich zu fünf Jahren „Karrenstrafe“ (schwerste körperliche Arbeit, z.B. in Steinbrüchen, wobei der Häftling in Braunschweig einen eisernen Ring um den Hals zu tragen hatte); diese Karrenstrafe wird wenig später zu sechs Jahren Festungshaft umgewandelt.

Der Herzog lässt keine Gnade walten, er setzt lediglich die Prügelstrafe auf zwei Tage an und legt fest, dass, falls dann noch Prügel zu den 1000 fehlen sollten, diese erlassen werden.

Theilinger tötet sich selbst

Selbst der Mutter wird am Vorabend der Prügelexekution am 12. August 1814 der Besuch ihres Sohnes verwehrt. Als Theilinger sich am nächsten Morgen auf dem Exerzierplatz befehlsgemäß auszieht, stößt er sich ein Messer in die Brust und macht so seinem Leben selber ein Ende. Er war durch die Doppelstrafe dazu getrieben worden. Bei der Strafzeremonie waren auch Zivilisten anwesend, um „dieses für Deutschland einmalige grausame Schauspiel“ (Kolmsee) zu verfolgen. Die Braunschweiger Öffentlicheit erfährt davon aber auch über „mehrere öffentliche Blätter“.                                                                                                 

Erst  sechs Jahre nach dem Tod des Herzogs wird die Prügelstrafe wieder abgeschafft.

Die Prügelstrafe offenbarte das Menschenbild des Herzogs

Die Prügelstrafe war 1814 keineswegs etwas Selbstverständliches – im Gegenteil. Schon 1807 hatte Preußen sie im Zuge seiner Reformen abgeschafft, man hatte erkannt, dass man den Soldaten nicht wie Tiere behandeln könne, wenn man sie für den Kampf gegen Napoleon gewinnen wolle. Und letztlich war es die Ausstrahlung der französischen Revolution, die der Prügelstrafe auch in Deutschland ein Ende gesetzt hatte.

Friedrich Karl von Strombeck, ein renommierter Braunschweiger Jurist von hohem Ansehen, der in Diensten des Königreichs Westphalen (unter Naoleons Bruder Jerome) gestanden hatte, stellt Jahre nach der Zeit der franzoesischen Besatzung  bei aller Kritik fest:

„Nie dürfen wir vergessen, daß es zuerst in Deutschland der westfälische Soldat war, der ohne die entehrenden Stockprügel eingeübt wurde, dagegen der hessische Krieger nur mit zerprügeltem Rücken zum verkaufbaren Soeldner früher abgerichtet ward.“

Es erübrigt sich zu sagen, dass von Strombeck vom schwarzen Herzog 1813/14 nicht wieder in ein Amt berufen wurde.

Die von Hans Kolmsee herausgegebene Broschüre „Ein Fall des Braunschweiger Militärgesichts unter Herzog Friedrich Wilhelm im Jahre 1814, in memoriam Georg Theilinger“ fußt auf der Gerichtsakte im Niedersächsischen Landesarchiv Wolfenbüttel, die dort seltsamerweise erst seit 1911, also fast 100 Jahre nach dem Vorfall, zur Verfügung steht (Akte 27 Neu 1 Nr.129). In den Biographien des Schwarzen Herzogs, die bis 1945 erschienen, wurde die Einführung der Prügelstrafe laut Kolmsee nicht erwähnt.

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