Der Fall Rosenbaum – Dritter Akt!

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Der Prozess erstreckte sich nur über drei Tage und nicht, wie terminlich schon vorgesehen, über fünf. Eine Zeugenbefragung fand am dritten Gerichtstag noch statt. Der Geschäftsführer der Flughafengesellschaft wurde befragt um seine Verantwortlichkeit für das erweiterte Flughafengelände festzustellen, was geschah. Dann sollte es gleich zu den Schluss-Plädoyers übergehen.

Doch Rechtsanwältin Kramer stellte zuvor noch einen Antrag auf Abtrennung und Aussetzung der Strafanzeigen, die eingereicht waren, um die Nichtbefolgung von Auflagen für die Demonstration mit Strafe zu belegen. Das Verwaltungsgericht sei da angerufen worden und habe noch nicht entschieden. Aber nur rechtmäßige Auflagen könnten nach allgemeiner Rechtsprechung strafrechtlich verfolgt werden. Vor einer Bestrafung müsse daher erst die Rechtmäßigkeit festgestellt werden, so die Anwältin. Insbesondere die Auflage, ein Megaphon erst bei 50 Demonstrationsteilnehmern zu verwenden und die Auflage, dass der Veranstalter Rosenbaum nicht auch als Versammlungsleiter auftreten dürfe, seien aber rechtswidrig.

Die beantragte Unterbrechung lehnte der Richter ab. In seinem Schlusswort begründete das damit, dass das Gericht sich mit der Rechtmäßigkeit der Auflagen nicht zu befassen habe: „Darüber haben wir hier nicht zu befinden“, befand er. Grundlage seines Urteils sei allein die Vollstreckbarkeit, und die Auflagen seien – selbst wenn sie rechtswidrig sind – nicht nichtig, daher rechtmäßig vollstreckbar.

Mit der Rechtmäßigkeit der Auflagen wurde sich im Folgenden ebensowenig befasst wie mit dem Begriff des „Hausfriedensbruchs“. Selbst wenn man widerrechtlich ein Grundstück betreten würde, was entweder lückenhaft umzäunt, oder nur durch einfache Verbotsschilder und Zäune für Tiere eingefriedet sei, sei das nach der Rechtssprechung kein Hausfriedensbruch, trug die Anwältin Kramer vor. Der Richter ging nicht darauf ein.

17 Strafanträge listete der Staatsanwalt auf, mit der jeweiligen Strafbemessung, was dann die meiste Zeit in Anspruch nahm – insgesamt forderte er darauf 200 Tagessätze Haft oder 27.000,- Strafe. Die Härte des Strafmasses begründete er mit der Abschreckungsfunktion. Einen vereinzelten Zwischenruf mit der strafverschärfenden Forderung nach „Auspeitschung“ beantwortete der Richter unmittelbar mit der Drohung, den Zwischenrufer umgehend des Raumes zu verweisen.

20 Minuten Pause, dann das Urteil. Der Richter folgte dem Staatsanwalt in allen Punkten, auch wenn er das Strafmaß etwas reduzierte. Nach einem weiteren Zwischenruf drohte der Richter erneut und bekräftigte seine Drohung, indem er uniformiertes, bewaffnetes Wachpersonal in den Gerichtsraum einmarschieren ließ, das sich um die Zuschauerplätze herum positionierte.

Das Signal war eindeutig von Staatsanwalt und Richter: Abschreckung. Die Rechtmäßigkeit der Beschränkungsmaßnahmen waren dem Gericht gleichgültig: „Darüber haben wir hier nicht zu befinden.“ Denn auch wenn Unrecht, sei dies Unrecht nicht nichtig sondern rechtmäßig vollstreckbar, so die Logik des Richters und da Ratsherr Peter Rosenbaum der Vollstreckung in 12 Fällen nicht gefolgt ist wurde er – 5 anders geartete Fälle kamen noch hinzu – mit insgesamt mehr als 20.000,00 Euro Strafe belegt.

Recht oder Unrecht – der Richter wollte die Sache wohl schnellstmöglich von seinem Schreibtisch haben. Mit Erfolg hat er den Fall nun einem Kollegen oder einer Kollegin überlassen: Rosenbaum kündigte Berufung an.

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Otto Depenheuer (2006) im „Grundgesetzkommentar“ von Maunz/Dürig:

Die Vorschriften des (Demonstrations-) Straf- und Ordnungsrechts im Zusammenhang mit Versammlungen können nur dann zur Verurteilung eines Beschuldigten führen, wenn die versammlungsrechtlichen Maßnahmen, deren Nichtbefolgung Gegenstand der Strafbarkeit oder Ordnungswidrigkeit sind, ihrerseits formell und materiell rechtmäßig sind. „Reine Unbotmäßigkeit“ gegen Polizeibeamte und Versammlungsbehörde ist nicht strafbar.

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Mathias Höng (2009) in „Richtlinien der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts“ (erörtert von wissenschaftlichen Mitarbeitern)

Schließlich hat das Gericht in einem Kammerbeschluss von 1998 geklärt, dass auch ein Verstoß gegen § 29 Abs. 1 Nr. 1 VersG durch die Teilnahme an einer öffentlichen Versammlung oder Aufzug, welche durch vollziehbares Verbot untersagt sind, nur geahndet werden darf, wenn das Versammlungsverbot rechtmäßig ist.

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Sinngemäß zusammengefasst aus dem Rosenbaum-Prozess:

Anwältin: Legal, illegal?
Richter: Scheißegal!

Kommentar: Willkommen in der Sponti-Welt, Justitia!

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