BZ-Artikel vom 09.12.2014 „Radfahrer sollen die Region zwischen Oker und Elbe erkunden“

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Dieser Erlebnisbericht über den angepriesenen Fernradweg in unserer Region widerspricht den grossspurigen Ankündigungen. Der Weg scheint vielmehr für Fahradfahrer hoch problematisch zu sein. Der Bericht endet mit einer exakten Wegbeschreibung, denn Herr Niewerth ist den Weg tatsächlich gefahren. (red)

Im BZ-Artikel vom 09.12.2014 „Radfahrer sollen die Region zwischen Oker und Elbe erkunden“ wurde über den Abschluss des Kooperationsvertrages zwischen den beteiligten Gemeinden des geplanten Städtepartnerschaftsradweges Braunschweig-Magdeburg berichtet. Vermutlich kennen die wenigsten der Unterzeichner die Wegequalität im geplanten Streckenverlauf persönlich. Ich habe die Wege im vergangenen Frühjahr mit dem Fahrrad befahren und daraufhin den folgenden Bericht verfasst, den ich auch den beteiligten Gemeinden zugeschickt und auf meiner Homepage http://www.bike-amsterdam-berlin.info und streckenoptimierung_ostfaelischer_abschnitt.html veröffentlicht habe. Außer einem Eingangsbescheid aus Helmstedt habe ich nie eine weitere Resonanz von den angeschriebenen Gemeinden erhalten. Umso verwunderter bin ich, dass der Wegeverlauf allem Anschein nach stur beibehalten wurde und im genannten BZ-Artikel nun zu lesen ist „Gebaut werden muss nichts; der Streckenverlauf ist so gewählt, dass er sich an vorhandenen Radwegen orientiert“ – sicherlich eine Aussage, die auf der Veranstaltung gegenüber der Presse so getätigt wurde.

Radtourismusinitiativen nach diesem Strickmuster ohne Beteiligung von ADFC und anderen Radtourismus-Erfahrungsträgern aus der Region sind politischer Selbstbetrug, der vom Steuerzahler teuer bezahlt wird und in den Medien kritisch beleuchtet werden sollte – zumal es erfolgversprechendere Alternativen gibt!

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Die Städte Braunschweig und Magdeburg haben aus Anlass des 25-jährigen Jubiläums ihrer Städtepartnerschaft die Planung eines „Städtepartnerschaftsradweges Braunschweig-Magdeburg“ begonnen. Unter Einbindung der Landkreise Wolfenbüttel, Helmstedt und Börde sowie der betroffenen Gemeinden hat sich ein geplanter Streckenverlauf über 112 km mit rund 700 Höhenmetern herauskristallisiert, der in der obigen Karte als dunkelrote Linie wiedergegeben ist. Der Weg ist heute bereits befahrbar, aber nicht ausgeschildert.

Die Streckenführungen des Städtepartnerschaftsradweges und des Radfernweges Amsterdam-Berlin sollten mit ihren Vor- und Nachteilen gegeneinander gehalten und soweit wie möglich synchronisiert werden.
Ergebnis der Befahrungen vom 26.04. und 03.05.2014:

Streckencharakteristik
Der West-Ost-Radweg verläuft zwischen Braunschweig und Helmstedt überwiegend auf gut befestigten Wirtschaftswegen. Mehrmals weicht der Partnerschaftsradweg für kurze Abschnitte von der Trasse West-Ost-Radweges ab, wobei diese Abweichungen im radtouristischen Sinne nicht unbedingt Verbesserungen darstellen. Von Königslutter wird nur der nördliche Stadtrand gestreift; hier sollte den Radtouristen ein fahrradoptimierter Abstecher ins Zentrum und zum Kaiserdom angeboten werden. Zwischen Süpplingenburg und Helmstedt beschreiben beide Wege gleichermaßen einen großzügigen südlichen Schlenker über Frellstedt, dessen Sinn einem Radtouristen rätselhaft bleibt, zumal im kleinen Höhenzug Elz eine unangenehme Kopfsteinpflaster-Passage inbegriffen ist – eine mögliche Abkürzung um 5 Kilometer auf Wirtschaftswegen über Emmerstedt hat stellenweise auch unbefriedigende Wegequalität, führt aber ganz dicht an den imposanten Lübbensteinen vorbei.

Das brisanteste Teilstück des Weges wartet direkt an der ehemaligen Grenze auf die Radtouristen: Hier verläuft die Strecke ab der Magdeburger Warte ohne Radweg über rund 2 km direkt auf der stark befahrenen Bundesstraße B1 – ein Himmelfahrtskommando! Eine Entschärfung durch einen Radweg ist hier wohl geplant; bis zu dessen Fertigstellung wird eine Umgehung über gut befahrbare Forstwege im Lappwald angeboten (kleine Einschränkung im Bereich der Autobahnunterführung).

Danach ist man wieder auf ruhigeren Landesstraßen unterwegs, passiert die Gedenkstätte Deutsche Teilung Marienborn, schwenkt auf den Aller-Radweg ein und erreicht schließlich über ein Stück unbefestigten Weges den Ort Marienborn.
Östlich von Wefensleben wird man auf der Trasse des Aller-Radweges zweimal aus dem Allertal über weitläufige Schlenker auf Anhöhen zwischen Hülberg und Osterberg geführt; hier gibt es zwar eine schöne Fernsicht zu genießen, die aber die beiden Anstiege über jeweils 40 Höhenmeter und die Umwege nicht lohnt, zumal holperige Betonplattenwege und Kopfsteinpflaster hier über weite Strecken das Fahren sehr beschwerlich machen. Danach geht es über straßenbegleitende Radwege entlang der B245 nach Eilsleben hinein und dann weiter über eine Kreisstraße und Stück der B246a nach Ovelgünne.

Auch nach Ovelgünne folgt noch einmal eine Passage auf einem Wirtschaftsweg mit sehr schlechter Wegequalität. Über unspektakuläre Landesstraßen führt der Weg weiter über Dreileben nach Drackenstedt. Mit dem Einschwenken auf den Holunderradweg kurz hinter Drackenstedt wird die Wegequalität durchgehend gut. Lediglich auf dem straßenbegleitenden Radweg zwischen Niederndodeleben und Diesdorf wird der Fahrgenuss tageszeitabhängig von starkem Autoverkehr getrübt – ca. 500m weiter nördlich verläuft hier alternativ ein ruhiger Wirtschaftsweg, der allerdings im Moment aus sehr holperigen Betonplatten besteht und so keine Alternative darstellt. Auf den letzten Kilometern fährt man weitgehend unbehelligt von Autoverkehr auf dem Börderadweg in die Magdeburger Innenstadt hinein.
Naturerlebnis
Die Strecke verläuft weitgehend durch landwirtschaftlich genutzte Kulturräume, die aber durch abwechslungsreiche Blicke auf Rieseberg, Elm, Dorm, Lappwald und die Hügellandschaft der Magdeburger Börde nicht eintönig erscheinen. Wer ein Auge dafür hat, wird unterwegs die verschiedensten Greifvogelarten beobachten können, mit ein bisschen Glück auch Störche und Graureiher. Lerchen, Bachstelzen und Schwarzkehlchen sind schon fast ständige Begleiter, oft kreuzen auch Feldhasen und anderes Wild den Weg.
Gastronomie und Übernachtung
Im niedersächsischen Abschnitt gibt es auch in vielen kleineren Orten zumindest einen Gasthof, teilweise sogar mit Übernachtungsmöglichkeit. In Königslutter und insbesondere in Helmstedt gibt es ein breites Angebot.
In Sachsen-Anhalt ist das Angebot dagegen mit Ausnahme von Eilsleben sehr dünn, viele ehemalige Gasthöfe sind aufgegeben und liegen brach. Radtouristen sollten sich gut mit Proviant versorgt auf diese Teilstrecke begeben.
Fazit
Der Partnerschaftsradweg lässt durch die teilweise problematische Wegequalität im sachsen-anhaltischen Streckenabschnitt die Herzen von Radtouristen nicht unbedingt höher schlagen. Und auch nicht jeder Radtourist interessiert sich so brennend für die Städtepartnerschaft Braunschweig-Magdeburg und die Geschichte der deutschen Teilung und Wiedervereinigung, dass dies die Unzulänglichkeiten der Wegequalität aufzuwiegen vermag. Mit dem bisherigen Konstrukt läuft der Partnerschaftsradweg daher Gefahr, zu einer radtouristischen Totgeburt zu werden.

Mit einem etwas offeneren, nicht so sehr auf die Städtepartnerschaft und die deutsche Teilungsgeschichte fixierten Konzept lässt sich viel leichter ein Streckenverlauf finden, der schon jetzt weitgehend den elementaren Ansprüchen von Radtouristen entspricht und sich mit überschaubaren Investitionen auf einen hervorragenden Wegezustand ausbauen lässt. Trotzdem können die historischen Stätten der deutschen Teilung und Wiedervereinigung gut zur Geltung kommen, wenn man sie als freiwillige Abstecher anbietet. Mit einem gut ausgearbeiteten Rundkurs von Helmstedt über die Gedenkstätte Marienborn und das Schöninger Speeremuseum „Paläon“ zurück nach Helmstedt ließen sich bestimmt viele Radtouristen sogar animieren, einen Besichtigungstag einzulegen und sich erst nach einer zweiten Übernachtung in Helmstedt wieder „auf Strecke“ zu begeben.

Die Radverbindung Braunschweig-Magdeburg könnte darüber hinaus überregionale und sogar internationale Bedeutung erlangen, wenn man sie in das Konzept des Fernradweges Amsterdam-Berlin integriert. Mit den damit zu erwartenden Radtouristenzahlen wäre dann auch die Legitimation für umfangreichere Investitionen in die Wegequalität gegeben. Manchmal gilt auch für Radwegeplanung der Spruch von David L. George: „Fürchte dich nicht vor einem großen Schritt, wenn dieser nötig sein sollte. Eine Schlucht kannst du auch nicht mit zwei kleinen Schritten überwinden.“!

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