Brüssels Zeitplan ist aus den Fugen

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Weil das EU-Parlament drei Kommissar/-iinnen in spe durchfallen ließ, kann die Kommission nicht pünktlich zum 1. November ihren Job antreten. Und manche meckern jetzt: das Parlament sei ein zerstrittener Haufen, Ursula von der Leyen habe ihre Truppe nicht im Griff…

LobbyControl

Ich teile diese Kritik nicht. Wir beobachten die Anhörungen der Anwärter/-innen auf die Kommissarsposten seit Wochen sehr genau. Wir sehen dabei ein Parlament, das neue Kontrollrechte hat und diese selbstbewusst wahrnimmt. Erstmals kann es den Daumen zu bestimmten Personalvorschlägen senken, noch bevor es überhaupt zur Anhörung kommt. Nämlich schon dann, wenn Bewerber/-innen mit ihren Angaben zu früheren Tätigkeiten und ihrem Vermögen zeigen, dass sie nicht die nötige Unabhängigkeit und Transparenz für das hochrangige Amt mitbringen. Zwei Personen fielen schon bei dieser Vorprüfung durch, Rumänien und Ungarn müssen deshalb neue Kandidat/-innen nominieren. Weiter bei Lobby Control

Plakat auf einer FFF-Demo in Braunschweig. Foto: Uwe Meier

Wir sehen in diesen turbulenten Wochen ein Parlament, das bei der Besetzung der wichtigsten EU-Posten sehr genau hinhört und nachfragt – und das Kandidat/-innen auch ein zweites Mal vorlädt, wenn Zweifel bleiben. Das ist nur angemessen angesichts der Machtfülle der EU-Kommission! Und wir sehen ein Parlament, in dem nicht von vornherein eine Große Koalition durchzieht, was sie zuvor „ausgekungelt“ hat, sondern das sich bei jeder Entscheidung zu Mehrheiten durchringen muss. Solch gelebte Demokratie steht dem EU-Parlament gut zu Gesicht.

Mag sein, dass das Aus für die französische Kandidatin Sylvie Goulard auch ein bisschen von Rache an Präsident Macron motiviert war. Dieser hatte bei der Besetzung des Amts der Kommissionspräsidentin die Kandidat/-innen des Parlaments abgelehnt und so von der Leyen ins Amt manövriert. Aber es gab auch handfeste inhaltliche Gründe, Goulard abzu-lehnen: Zum einen läuft gegen sie ein Verfahren wegen Scheinbeschäftigung, d.h. wegen Zweckentfremdung öffentlicher Mittel. Und zweitens konnte sie nicht nachvollziehbar erklären, wofür sie jahrelang neben ihrem EU-Abgeordnetenmandat monatlich rund 10.000 Euro von der Denkfabrik eines Milliardärs erhielt. Das Geld – rund 350.000 Euro insgesamt – stammt übrigens von dem umstrittenen früheren Karstadt-Eigentümer Nicolas Berggruen.

Der Fall Goulard hat eine weitere Konsequenz: Jetzt schlagen einige EU-Abgeordnete vor, die Höhe der Nebeneinkünfte grundsätzlich zu deckeln. Eine lobenswerte Initiative! Denn bei Nebeneinkünften, die ebenso hoch sind wie die Diät (oder sogar höher) fragt man sich, was im Zweifelsfall mehr wiegt: Das Interesse der Wähler/-innen, oder das Interesse hinter dem Zusatzeinkommen?

Den Einfluss von Konzernen und anderen finanzstarken Sonderinteressen zurück-drängen: Das sollte auf der Aufgabenliste aller EU-Institutionen in den nächsten fünf Jahren ganz oben stehen. So haben wir es in unserer Unterschriftenaktion zur Europawahl ein-gefordert, an der sich bisher fast 28.000 Menschen beteiligt haben. Bisher wollte sich Ursula von der Leyen nicht dazu äußern, doch sobald ihr Team steht, werden wir nach Brüssel fahren. Dann konfrontieren wir die gesamte Kommission mit unseren Forderungen nach mehr Transparenz und Ausgewogenheit.

Gehört werden wir nur, wenn klar ist, dass wir für viele Menschen sprechen. Deshalb meine Bitte an Sie: Unterzeichnen auch Sie unseren Appell und stärken uns damit den Rücken:

Jetzt mitmachen: Europa nicht den Konzernen überlassen!

Die weiteren Anhörungen werden wir natürlich ebenso genau beobachten wie die bisherigen. Mehrere Kommissar/-innen haben wir bereits im Detail beleuchtet. Sie finden sie in der Einzelkritik im Newsletter, außerdem weitere Neuigkeiten aus Brüssel zu „TTIP 2.0“.

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