Ärzte fordern „rasche Notbremsung“ – und in Braunschweig?

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Coronavirus Foto:Pixabay

Zuerst war das Virus in China, weit weg. Dann kam es nach Italien, schon näher und diesmal auch in einem Industrieland, aber so mancher dachte „na ja, die Italiener“. In Braunschweig wurde noch das Reitsportturnier „Classico“ mit vielen Tausend Besuchern durchgeführt. „Bei uns zirkuliert das Virus ja nicht“, meinte eine Gesundheitsministerin aus Braunschweig.

Nun aber stellt das Robert-Koch-Institut heute fest, dass bereits über 8.198 Menschen auch in Deutschland infiziert sind, und vor allem: „Wir sind am Anfang einer Epidemie, die noch viele Wochen und Monate unterwegs sein wird.“ Lothar Wieler, der Präsident des Instituts spricht von „exponentiellem Wachstum“, mit dem sich das Virus zur Zeit in Deutschland verbreite.

Der Aufruf der beiden ärztlichen Organisationen, der gestern im Braunschweig-Spiegel veröffentlicht wurde, ist also voll gerechtfertigt. Es ist ein Aufruf an die Bevölkerung, also an jeden von uns, und an die Politik. „Eine rasche Notbremsung“ wird gefordert, die bisher von der Politik festgelegten Maßnahmen seien richtig, aber noch nicht ausreichend.

Schock – Beispiel Elsaß: „Es gibt keine COVID-19-Betten mehr“

Wie recht sie haben, zeigt ein Blick auf unsere französischen Nachbarn. Aus dem Elsaß, einer recht wohlhabenden Region Frankreichs mit einer guten medizinischen Versorgung, kommen höchst beunruhigende Stellungnahmen verantwortlicher Ärzte, zum Teil in Form von Brandmails. Der schlimmste Ansteckungsherd befindet sich in der Stadt Mulhouse; in der zweiten Februarhälfte fand dort eine Woche lang eine evangelikale Massenveranstaltung mit zweitausend Teilnehmern statt, die zu einer frühen und weiten Verbreitung des Virus geführt hat. Bereits dreißig Menschen sind in der Stadt bereits gestorben. Marc Noizet, Leiter der Notfallmedizin in Mulhouse, teilt mit, dass seit Ende der letzten Woche täglich sechs bis zehn schwere Fälle der Erkrankung hinzukämen. Obwohl man die Bettenzahl für COVID 19 – Kranke auf 134 aufgestockt habe, seien alle belegt, auf der Intensivstation seien nun schon 43 Patienten statt sonst 10. In der gesamten Region gibt es unzureichende Bestände an Beatmungsmaschinen, Schutzüberzügen, FFP2-Masken und anderem mehr. Es komme schon vor, dass Patienten 160 Kilometer weit transportiert werden, um ihnen ein Notaufnahmebett zu verschaffen (alles aus FAZ, 18. März).

Ins Café auf dem Kohlmarkt oder in die Natur?

Der Blick ins Elsaß könnte ein Blick in unsere eigene Zukunft werden, wenn die „Notbremsung“ nicht schnell und konsequent gelingt. Das heißt für uns alle, dass wir uns und denen, die uns nahestehen, die notwendigen Verhaltensweisen schnell angewöhnen müssen. Auf dem Kohlmarkt in großer Zahl in Straßencafes zu sitzen, passt nicht mehr. Und auch jugendliche Unbekümmertheit, so sympathisch sie normalerweise sein mag, ist in dieser Frage nicht angebracht. Nicht nur, weil sie dazu führen kann, dass die Eltern- und Großeltern-Generation gefährdet wird, sondern weil sie auch gegen das eigene Interesse ist: Christine Fiat, Leiterin des Krankenhauses von Colmar (Elsaß) sagt, dass es „sehr wohl Intensivpatienten im Alter von 30 Jahren und ohne Vorerkrankung“ gebe. Und wie die Ärzte (siehe oben) fordern, sind weitere Maßnahmen wie die Schließung aller gastronomischen Betriebe nötig, mehr als fünf (bekannte) Personen sollten nicht mehr zusammentreffen, und anderes mehr.

Alle müssen sich umorientieren. Das Gute: es gibt keinen Grund, nicht in einen Park oder die Natur am Stadtrand zu gehen, um den Frühling zu genießen, wenn man nur immer Abstand zu den anderen Menschen hält; man muss dann ja nicht irgendwo einkehren, sondern kann es sich mit selber Mitgebrachtem gemütlich machen.

Und die Politik in Braunschweig?

Unter allen Fachleuten ist es unumstritten, dass es in den Krankenhäusern nun darauf ankommt, die Kapazitäten für COVID – Kranke schnell auszudehnen, um auf die zu erwartende Welle schwer Erkrankter vorbereitet zu sein. Das erfordert auch beim Braunschweiger Klinikum und den anderen Krankhäusern eine erhebliche Umorganisation und Abstimmung, viele zusätzliche Maßnahmen und Anschaffungen – und vor allem mehr Personal, vermutlich der wichtigste Engpaß. Auch die Aufgaben des Gesundheitsamtes haben stark zugenommen.

Die Politik hat die Aufgabe, diese Prozesse voranbringen und die Handelnden nach Kräften zu unterstützen, mit Geld, Personal und allen möglichen Hilfestellungen. Wir vermuten, dass sich Vieles beschleunigen und bündeln ließe, wenn der Oberbürgermeister das nun endlich zur Chefsache macht.

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