Neues von Frau Elvira Gashi – Aufnahme in die Härtefallkommission?

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Elivira Gashi (22 J.) ist mit ihren beiden Kindern wieder in Wolfenbüttel. Am Samstag, den 27.03.10, kam sie auf dem Flughafen in Hannover an.

Der Fall ist ungewöhnlich. Unter unglaublichen Umständen war sie im Juni 2009 nachts gegen 2.30 Uhr mit ihren beiden kleinen Kindern in Wolfenbüttel abgeholt worden und wurde mit ihnen in den Kosovo abgeschoben. Elvira Gashi gehört zu den Roma-Flüchtlingen, die im Zuge der Kriege in Ex-Jugoslawien Anfang der 90iger Jahre mit ihren Eltern nach Deutschland gekommen war. (Nähere Infos dazu in unser-braunschweig.de:
http://www.unser-braunschweig.de/index.php?searchword=elvira+gashi&ordering=&searchphrase=all&option=com_search
vom 09.07.2009 und 02.08.2009 sowie auf der Webseite des Niedersächischen Flüchtlingsrates www.fluerat.org ).
Auch der Wolfenbütteler Teil der Braunschweiger Zeitung berichtete mit Foto und Stellungnahmen von Politikern: http://mobil.newsclick.de/artikel/11996734.xml unter der Überschrift: Landesflüchtlingsrat fordert Daueraufenthaltsrecht für Gashi. Heimische Politiker kündigen Unterstützung für die am Samstag aus dem Kosovo zurückgekehrte Frau an.

I.    Entwicklung vom Juni 2009 –März 2010

Um die Brisanz des Falles zu verstehen, sind einige Hintergrundinformationen wichtig:
Im Februar 2008 wurde der Kosovo unabhängig, und die Abschiebung von Flüchtlingen dorthin wurde bis dahin durch die UNMIK, die zuständige UN-Behörde United Nations Interim Administration Mission meist untersagt. Durch die Unabhängigkeit des Kosovos fiel die Zuständigkeit nun an die Vertreter des neuen Staates, und die Bundesregierung handelte ein Rückführungsabkommen mit dem Kosovo aus. Dadurch war die Möglichkeit von Abschiebungen gegeben – allerdings mit dem Hinweis, dass bestimmte Standards erfüllt sein müssen.

Nun erfolgten erste Abschiebungen – oft unbemerkt von der Öffentlichkeit, in einigen Fällen auch von starken Protesten begleitet.

In diese Phase fiel die Abschiebung von Elvira Gashi, die gegen elementare Menschenrechtsstandards verstieß (z.B. dürfen in Deutschland keine Personen nachts abgeholt werden; Frau Gashi hatte keine näheren Verwandten im Kosovo u.a.m). Der Rechtsanwalt von Frau Gashi informierte die Presse, so dass der Fall in die Medien kam und auch der Kreistag in Wolfenbüttel von der Abschiebung und ihren Umständen erfuhr. Der reagierte schnell, und beschloss am 25.06.2009 mit Stimmen aller 5  im Kreistag vertretenden Parteien eine Rückholung von Frau Gashi.

Das gestaltete sich allerdings schwieriger als gedacht, da in Niedersachsen durch Innenminister Schünemann eine besonders rigide Abschiebepraxis gehandhabt wird,  Niedersachsen bundesweit eine negative Vorreiterrolle spielt und auch in der Innenminister konferenz eine besonders harte Linie vertreten wird. Während es in anderen Bundesländern bisher einige positive Fällen von erfolgreichen Rückholungen gab (z.B. in Berlin, Hamburg und Hessen, wobei jeweils bestimmte Kriterien erfüllt sein müssen, z.B. Krankheit der Eltern usw.) , schien die Situation in Niedersachsen völlig aussichtslos zu sein. Auch die Härtefallkommission arbeitete im Vergleich zu anderen Bundesländern sehr uneffektiv. Hier schien nur zu zählen, dass Abschiebungen so schnell und so effektiv wie möglich durchgeführt wurden. Innenminister Schünemann unterstützte die Rückholung nicht.

Im Sept.09 fuhr ein Vertreter von ProAsyl – angesichts zunehmender Abschiebungen – in den Kosovo, um dort die Situation abgeschobener Roma-Flüchtlinge zu untersuchen. Der Bericht von Stephan Dünnwald beschreibt die katastrophale Lage von  dorthin abgeschobenen Personen (siehe: Bericht „ Zur Lebenssituation von aus Deutschland abgeschobenen Roma, Ashkali und Angehörigen der Ägypter Minderheit im Kosovo“, Frankfurt, Okt 2009, unter www.proasyl.de ).

Ähnlich kritisch sah dies auch der Menschenrechtskommissar des Europarates (!), Thomas Hammarberg, der in seinem Bericht vom 2.7.2009 die europäischen Regierungen auffordert, noch keine Minderheiten in den Kosovo abzuschieben, angesichts einer anhaltenden Diskriminierung insbesondere der Roma, Ashkali und Ägypter (RAE).

Zu einer ganz anderen Einschätzung kam eine Delegation des Niedersächischen Innenministeriums, die vom 15.-18 Nov. 2009 im Kosovo war, um dort die Situation der „Rückkehrer“ vor Ort kennenzulernen.  Zwar hörte man auch kritische Stimmen, aber die Leistungen des Kosovos für Rückkehrer und ihre Unterstützung wurden positiv hervorgehoben. – Insgesamt ein geschönter Bericht, um die Abschiebungen weiter mit gutem Gewissen  fortsetzen zu können (www.nds-fluerat.org : „Bericht über die Reise einer Delegation des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres, Soziales und Sport in die Republik Kosovo vom 15.-18.Nov.2009“).

Wie ist es möglich, dass Einschätzungen so unterschiedlich sein können?

Im konkreten Fall von Elvira Gashi setzte sich der Rechtsanwalt von ihr mit dem ZDF in Verbindung , und im Januar 2010 flog ein Kamerateam des ZDF nach sorgfältigen Recherchen in den Kosovo und drehte einen Film über sie sowie über Servete Dallashaj und ihren Kindern (14J/ 16 J), die aus Borken in NRW abgeschoben waren. Das ganze Ausmaß der trostlosen und desolaten Situation, das Elend der betroffenen Personen wird nun filmisch festgehalten und in der Sendung „Mona Lisa“ im ZDF am 17.01.2010 ausgestrahlt.
Der Beitrag ist im Internet zu finden in der Mediathek des ZDF.

In der Zwischenzeit bemühte sich der Landkreis Wolfenbüttel um ein Besuchsvisum für Elvira Gashi, um ihr eine befristete Rückkehr zu ermöglichen. Nach Überwindung zahlreicher Widerstände und Schwierigkeiten erfolgte eine Genehmigung für vier Wochen. Ein Ziel dabei war dabei auch, eventuell ein Daueraufenthaltsrecht in Deutschland zu bewirken.

II.    Die aktuelle Situation im März/April 2010

Elvira Gashi ist wieder in Wolfenbüttel – aber ihre Situation ist noch völlig offen. Eine Hoffnung gibt es: die Härtefallkommission. Wenn sie als Fall dort angenommen wird (dazu müsste sie verschiedene Kriterien erfüllen), würde die Abschiebung ruhen, solange der Fall behandelt wird. – Im konkreten Fall gäbe es sogar Aussichten, dass ihr Fall –sofern er angenommen würde – auch positiv entschieden würde, nicht zuletzt auch wegen der großen öffentlichen Aufmerksamkeit. Das hieße, dass Elvira Gashi dauerhaft hier bleiben könnte. Inzwischen wird der Antrag für die Härtefallkommission vorbereitet.

III.    Die weiteren Umstände: drohende Massenabschiebungen

Die Rückkehr von Elvira Gashi fällt in eine Zeit, in der die massenweise Abschiebung von Roma-Flüchtlingen in den Kosovo geplant ist. Über 10 000 sind es, insgesamt sollen in den nächsten vier Jahren ca 14 000 Roma-Flüchtlinge aus Deutschland dorthin abgeschoben werden. Gegen diese geplante Massenabschiebung gaben die Fraktionen der SPD und der Grünen im Niedersächischen Landtag vor kurzem gemeinsam eine Presseerklärung heraus (Pressemitteilung Nr.16-089 vom 16.03.10).

IV.    Könnte der Fall von Elvira Gashi etwas bewirken?

Zunächst einmal wäre es wichtig, dass ihr Fall in die Härtefallkommission kommt und dann dort auch positiv entschieden wird. Sollte das der Fall sein, könnte es ein Signal für weiteres sein:
–    dass die Öffentlichkeit durch einen solchen drastischen Fall auf die Fragwürdigkeit der Abschiebungen und ihrer konkreten Umsetzung aufmerksam wird
–    dass es eigentlich um eine grundsätzliche Änderung im Umgang mit Flüchtlingen und insbesondere Roma-Flüchtlingen geht
–    dass eine Lösung nicht nur auf Landesebene liegt, sondern eine neue Bleiberechtsregelung gefragt ist, die auf Bundesebene entschieden wird

Vielleicht kommt durch diesen Fall einiges in Bewegung. Oft laufen ja Abschiebungen unbemerkt von der Öffentlichkeit – durch diesen Fall wird die Thematik wieder öffentlicher und kann vielleicht zu einer Änderung in der Wahrnehmung führen. Im Fall von Elvira Gashi sind inzwischen auch verschiedene Bundestagsabgeordnete in der Region angesprochen und informiert worden; durch weiteren Nachdruck könnte dies Thema auch im Bundestag neu behandelt werden, eventuell mit weiteren Auswirkungen auf die EU-Ebene.

– Ausführliche Infos zu dem Fall findet man auf der Webseite des Niedersächischen Flüchtlingsrates (www.nds-fluerat.org) , der Elvira Gashi immer wieder geholfen und auch finanziell unterstützt hat.

–  Weitere Infos auch unter: www.proasyl.de sowie im ZDF unter Mediathek des ZDF

–  Am Do, den 8.April 2010, wird es anlässlich des Internationalen Tag der Roma Veranstaltungen dazu in Hannover geben:
Do, 8.4.10: Demo am Tag der Roma – 16.30 Uhr, Hannover Hbf
Do, 8.4.10: Vortrag und Diskussion –   19.30 Uhr Pavillon, Lister  Meile 4
Weitere Infos unter www.roma-treffen.de

–  Außerdem es gibt jetzt seit März 2010 eine neue internationale Kampagne von amnesty international zur Situation der Roma in Italien und Rumänien: www.amnesty.de/wohnen

Möge es auch angesichts der geschichtlichen Verantwortung in diesen Fragen zu positiven Entwicklungen kommen. Vielleicht kann der Fall Gashi ein kleiner Beitrag zu dieser Entwicklung sein.

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