Vortrag: Fritz Bauer (1903 – 1968) – zur Biographie eines Juristen im Kampf um das Widerstandsrecht

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Der nächste Vortrag des Instituts für Braunschweigische Regionalgeschichte an der TU Braunschweig, Fallersleber-Tor-Wall 23, findet statt am

 Donnerstag, dem 22. August 2013, 19.00 Uhr

 Fritz Bauer (1903 – 1968) – zur Biographie eines Juristen im Kampf um das Widerstandsrecht

von

Privatdozentin Dr. Irmtraud Wojak, München/Eschenlohe

Eintritt frei

 Fritz Bauer (1903 – 1968) wurde am 16. Juli 1903 in Stuttgart geboren. Die Eltern waren der jüdische Textilkaufmann Ludwig Bauer und dessen Ehefrau Ella, geb. Hirsch. Nach seiner Schulzeit in Stuttgart studierte Fritz Bauer von 1921 bis 1924 Rechts- und Wirtschaftswissenschaften an den Universitäten Heidelberg, München und Tübingen. Nach juristischen Staatsprüfungen und Doktorarbeit begann er 1928 seine Laufbahn als Hilfsstaatsanwalt bei der Staatsanwaltschaft Stuttgart. Als er am 1. April 1930 zum Richter am Amtsgericht Stuttgart ernannt wurde, war Fritz Bauer der jüngste Richter im Deutschen Reich. Zu diesem Zeitpunkt war er bereits vielfältig politisch aktiv, seit 1920 in der SPD Mitglied, zählte zu den Mitbegründern des Republikanischen Richterbundes, war Mitglied im »Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold« und seit 1930 Vorsitzender von dessen Ortsgruppe Stuttgart. Seine persönliche Haltung war geprägt von demokratischer Überzeugungen und humanistischen Idealen. Bereits am 23. März 1933 wurde Fritz Bauer wegen seiner Mitgliedschaft in der SPD und der politischen Aktivitäten von den nationalsozialistischen Machthabern in »politische Schutzhaft« genommen und in das neu eingerichtete KZ Heuberg, später nach Ulm verbracht. Die grausame Maschinerie des Ausschaltens Andersdenkender war in Gang gekommen und die »überaus lebhafte Tätigkeit« des Stuttgarter Reichsbannervorsitzenden, SPD-Mannes und Juden führte schließlich durch die Nazis bis zum Ausschluß aus dem Justizdienst aufgrund des »Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums« am 24. Mai 1933. »Bauer verlor sein Amt nicht wegen seines jüdischen Glaubens, sondern aufgrund seiner politischen Betätigung. Der Antrag des Justizministeriums wies ausdrücklich darauf hin, eine Entlassung nach Paragraph 3, dem „Arierparagraphen“, sei auch möglich, es komme aber gegen ihn die schärfere Bestimmung des Paragraphen 4 in Anwendung«.

Erst Ende 1933 wieder aus der Haft entlassen, emigrierte er 1936 nach Dänemark, wo seine Schwester lebte, und floh 1943 ins Exil nach Schweden. Dort hatte sich Fritz Bauer der SPD im Exil (SoPaDe) angeschlossen und gründete gemeinsam mit Willy Brandt und Willy Seifert die Zeitschrift »Sozialdemokratische Tribüne«. Von 1945 bis 1949 lebte er zunächst wieder in Dänemark und  kehrte 1949 nach Deutschland zurück. Er wurde zunächst Landgerichtsdirektor, dann Generalstaatsanwalt in Braunschweig.

Bereits damals sah Fritz Bauer in der politischen Haltung des Widerstandes die »Basis für die Realisierung einer postdiktatorischen demokratischen Gesellschaftsordnung in Deutschland«. In der Nachfolge des ersten Generalstaatsanwaltes in Braunschweig, Curt Staff, der zu Unrecht in Vergessenheit geraten ist (und dem in Braunschweig unser nächstes Symposium gewidmet wird), wurde Fritz Bauer schließlich am 1. August 1950 zum Generalstaatsanwalt am Oberlandesgericht in Braunschweig ernannt. Es war keine leichte Aufgabe für ihn, der sich die Aufklärung und Anklage krimineller Verstrickungen in die nationalsozialistischen Verbrechen zum Ziel setzte. Die Justiz selbst war zu diesem Zeitpunkt noch zu großen Teilen mit nationalsozialistisch belasteten Vertretern durchsetzt, die Alliierten und die Politik zunehmend weniger interessiert und einem politisch aktiven Juristen wie Bauer stand man in der eigenen Zunft eher distanziert und misstrauisch gegenüber.

Ziel für Bauer war es, bei dem im März 1952 vor dem Landgericht stattfindenden »Remer«-Prozeß die »Rehabilitierung der Widerstandskämpfer« zu erreichen und er machte die Legitimation des Widerstands gegen den Unrechtsstaat zum Gegenstand des Strafverfahrens.

Das Urteil im Remer-Prozeß bedeutete letztlich die Anerkennung der Legitimität des Widerstands vom 20. Juli 1944. Damit war, wie der frühere Präsident des Oberlandesgerichts Braunschweig, Rudolf Wassermann, feststellte, nicht nur »eine Wende in der Bewertung des 20. Juli« erreicht, sondern der Braunschweiger Remer-Prozeß vor 61 Jahren war zugleich der »bedeutendste Prozeß mit politischem Hintergrund seit den Nürnberger Kriegsverbrecherprozessen und vor dem Frankfurter Auschwitz-Prozeß«. Fritz Bauer hat mit seinem Bemühen den Weg zu einer dauerhaften Rehabilitierung des Widerstands ebenso erschlossen wie die strafrechtliche »Bewältigung« der nationalsozialistischen Vergangenheit. Trotz vieler gesellschaftlicher Widerstände und persönlicher Anfeindungen blieb Fritz Bauer seiner Überzeugung treu und der erste Frankfurter Auschwitz-Prozeß von 1963 bis 1965 sowie sein ungebrochenes Bemühen um die Aufklärung nationalsozialistischer Verbrechen belegen dies beispielhaft – ebenso wie seine Beteiligung bei der Verfolgung der Naziverbrecher wie etwa Adolf Eichmann. »Remer-Prozeß« in Braunschweig und der große »Frankfurter Auschwitz-Prozeß« waren Meilensteine in der Geschichte der Aufarbeitung der deutschen Vergangenheit und stets verbunden mit der Person und dem Wirken von Fritz Bauer. »Westdeutschlands ‚Nazijäger‘ Nr. 1« war ein aufrechter Demokrat, der in der Justiz und einer breiten Öffentlichkeit ein notwendiges Bewußtsein für Menschenrechte und Menschenwürde in schwierigen Zeiten des Vergessens wachgehalten und befördert hat.

 


Kommentare

0 #1 Ilona Ziok 2013-08-25 14:39
Lieber Herr Meier, auch wenn es mich sehr freut, dass Fritz Bauer endlich die verdiente Aufmerksamkeit erfährt, so bin ich immer wieder erschüttert darüber, wie man bei Menschen jüdischen Glauben in Deutschland niemals vergißt, dies zu erwähnen. Da ich einige Sprachen fließend spreche, kann ich versichern, dass man im Englischen,Fran zösischen,Spanischen,Russische m, Polnischen bei einer Formulierung „jüdischer Kaufmann“, „jüdischer Staatsanwalt“ (welchen Staates Anwalt ist derjenige dann?),“jüdisch e Musiker“(auch dann wenn dieser Mensch Wagner-Opern singt oder zum Wiener Cabarets gehört?)zucken und fragen würde, ob die Person, die diese Formulierungen benutzt, ein Antisemit sei. Bei uns ist das Normalität. Hitlers Regime hat ganze Arbeit geleistet! Gestern gab es im Berliner Rathaus Schöneberg eine Diskussion dazu, bei der die anwesenden Ausländer sich alle darüber entsetzt zeigten. Daher: Hoch lebe der DEUTSCHE Fritz Bauer, dem ich einen erfolgreichen Film widmete – bald wieder im TV.

 

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