Von der Aussage der puren Ästhetik: Monkiewitsch’s „Überräume“ im Städtischen Museum

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Green before Black. Was wie eine transparente Schicht aussieht, ist in Wahrheit auf eine simple Tischlerplatte aufgepinselt. Foto: Staädtisches Museum Braunschweig / Gerd Druwe

Zwei geometrische Flächen in Grün und Schwarz, sich überlappend in brüllend RAL-genauem Acryl und Pigment. Als Arrangement in ihrer 2,50 mal 3,00 Meter großen Monstrosität inkompatibel mit jedem Sozialwohnungswohnzimmer – und ein optisches Verwirrspiel für BesucherInnen, die genauer hinschauen. Denn was transluzid wie eine getönte Glasscheibe vor einer schwarzen Folie aussieht, ist beim Näherheransehen eine Komposition, gemalt auf zwei solide Tischlerplatten. Erst die Nuancierung der Grüntöne erweckt im Betrachter den Raum, Lienhard von Monkiewitsch’s „Überraum“, der der Werkschau den Titel gibt.

 

Lienhard von Monkiewitsch sucht in seinem Farblabor die passenden Pigmente für seine Werke heraus. Foto: Städtisches Museum Braunschweig / Stadt Braunschweig

49 Jahre seines Schaffens möchte Braunschweigs Städtisches Museum zumindest anreißen – ein schier unmögliches Unterfangen angesichts der Produktivität des 1941 in SZ-Steterburg geborenen Villa-Massimo-Stipendiaten und Professors der HBK Braunschweig (seit 1980), der seine Ateliere noch immer in Braunschweig und auf Sardinien unterhält. Vier wesentliche Phasen seines Schaffens werden beleuchtet. Wild durcheinanderkomponiert und kontrastierend, im großartigen Lichthof des Städtischen Museums mal besser, im LED-Kunstlicht der Sonderausstellungsfläche (Westflügel) wegen der ungewollten Schattenwürfe manchmal suboptimal inszeniert.

 

Für das Werk „Naples“ (Neapel) verwendete der Künstler Original-Asche vom Vesuv. Foto: Städtisches Museum Braunschweig / Stadt Braunschweig

Wo steckt die politische Aussage eines Künstlers, der sich seit 1969 immer mehr der dinglichen Weltbeschreibung entfremdet hat? Monkiewitsch: „Kunst ist politisch, aber muss keine konkrete Aussage haben. Es ist bereits politisch, wenn wir über Räume nachdenken.“ Museumsdirektor Dr. Peter Joch zitiert im Ausstellungskatalog Immanuel Kant, wenn er schreibt: „Raum wird auch bei allen abstrakten Überlegungen stets mitgedacht; der Mensch bewegt sich zwangsläufig in Denkräumen.“

Monkiewitsch erschafft diese Denkräume in den frühen Werken durch das Weglassen logischer Konstruktionen. Die Perspektiven und Schattenwürfe architektonisch genauer (Bleistift-) Zeichnungen bilden Fußböden ab, die hochvertikal auf unbearbeiteten Flächen enden – und den BetrachterInnen kaum eine andere Möglichkeit geben, als in den virtuellen Raum eigene Phantasien zu projezieren. Dieses System des kreativen Leerraums erweitert er mit seinen römischen Architekturbildern („Nacht am Tempel“, 1989) bis zur abstrakten Negierung jeglichen Raums: Im Zyklus seiner „Kompositionen mit dem Zufall“ müssen jeweils ein scharzes Parallelogramm, ein Quadrat und ein Rechteck ausreichen, um assoziative Gedanken aus den Herzen der BetrachterInnen herauszureißen. Besucher seines Ateliers durften die geometrischen Konstrukte auf den Entwurf werfen. Wie Mikadostäbe. Was dann runterfiel, wurde gemalt.

Fast Jamaika. Der Farbraum unter dem Schwarz bedarf der Inanspruchnahme von Lesebrillen. Foto: Städtisches Museum Braunschweig / Stadt Braunschweig

 Parallel dazu entstanden Bildplastiken aus gegossenem Zement oder jahrhundertealter Eiche, deren dreidimensional bearbeitbare Oberfläche nur dem perfekten Schwarz zur Aufnahme in der zweidimensionalen Sichtfläche gereichte: Sie offenbaren virtuelle Strukturen beim puren

Einblick ins Nichts. „Die sehen aus wie leere Schalen, wiegen aber einen halben Zentner. Bei einem Erdbeben ist einem Sammler in den USA mal eine von der Wand gefallen. Ich mußte hinfliegen und sie für ihn restaurieren“, erzählt Monkiewitsch beim Rundgang mit dem braunschweig-spiegel beiläufig. Seinen Farbwerken aus der Schaffensneuzeit widmet er andere Aufmerksamkeiten: Das Lapuslazuli eines im Frühmittelalter gefundenen Strichs („Fenster“, 2016), die Abkehr von reinen Linearkonstrukten zugunsten einer halbverdeckten Ornamentik, die ein simpler Wischmop auf der Leinwand hinterlässt („Transform 10“, 2018). Das Spätwerk wird zum Anfang eines Radikalimpressionismus, der plötzlich poetischen Liebreizen die Pforte öffnet. Eiderdaus.

Monkiewitsch beruft sich in seinem Tun auf Malewitsch und das von ihm geschaffene „Das schwarze Quadrat“, den mittelalterlichen Mathematik-Taschenspieler Leonardo da Pisa (auch Fibonacci genannt), das Bauhaus, und leider keinerlei Mieter von Sozialwohnungswohnzimmern. Die später entartete Revolution der 68-er Generation hat sich der Kunstbetriebsprofessor erhalten in dem alten „Stones“-Klassiker „paint it black“ – optisch transluzid umgesetzt. Mit als schwarz lasiert erscheinendem Milchglas-Pinselschwung über Antworten, die nicht mehr revolutionär, aber wahrscheinlich gut verkäuflich sind. Wem’s gefällt und wer die passende Immobilie hierzu besitzt, findet in der puren Ästhetik Monkiewitsch’s bestimmt auch die zu ihm passende Bildaussage („Ist doch hübsch zu dieser Vase aus Krawuttnien, oder Horst?“)

Nein, das kann so sein, es wäre dem Monkiewitsch innewohnenden Künstler aber nicht gerecht. Er hat an der Kunstgeschichte mitgeschrieben; zumindestens der Braunschweigs. Ein PopArtist der letzten Sekunde in der niedersächsischen Provinz. Handwerklich professionell, gedanklich eindimensional, sich zuspitzend öde, als Wertanlage für 10 Jahre wertvoll.

Sich seinem Werk zu nähern, kann das Städtische Museum Braunschweig aufgrund der beengten Räumlichkeiten leider nur unzureichend nachkommen. Ein MUSS für alle BesucherInnen ist die didaktische Hilfe des hervorragend gemachten Katalogs, ohne den sich die Ausstellung nicht erschliesst. Leider ist Letzterer nicht nur schön, sondern auch sauteuer (Wienand Verlag, ca. 36 Euro). Falls die Stadtbibliothek ihn mal in den Bestand aufnimmt, wird er auch temporär für Hartzer und Alleinerziehende verfügbar sein.

 Veranstaltungen:

Künstlerführungen durch die Ausstellung mit Lienhard von Monkiewitsch

Samstag, 9. Juni, 15 Uhr (mit Günther Langer, Vorsitzender des Kunstvereins Wolfenbüttel)

Samstag, 23. Juni, 15 Uhr

Führungen durch die Ausstellung mit Sabine Wolfsbauer

Sonntag, 3. Juni, 15 Uhr

Sonntag, 17. Juni, 15 Uhr

Sonntag, 1. Juli, 15 Uhr

Vortrag des Kunstschriftstellers, Journalisten und Kurators Walter Vitt „Lienhard von Monkiewitsch – Begegnungen mit dem Künstler, mit dem Werk.“

Donnerstag 28. Juni, 17 Uhr

 

Informationen:

Städtisches Museum Braunschweig

Haus am Löwenwall

Steintorwall 14, 38100 Braunschweig

Öffnungszeiten: Di-So 10-17 Uhr

Tel.: (05 31) 4 70 45 21

E-Mail: staedtisches.museum@braunschweig.de

Internet: www.braunschweig.de/museum

Eintritt:

– Erwachsene 5 Euro;

– Ermäßigung (für Schüler, Studierende, Auszubildende, Menschen mit Behinderung, Rentner sowie Inhaber des „Braunschweig Passes“) 2,50 Euro;

* Kinder von 6 bis 16 Jahre 2 Euro;

* Schulklassen und Kinder bis 6 Jahre freier Eintritt.

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