Stellungnahme zum Exxon-Schreiben „Lassen Sie uns über Fracking reden“ vom 19.09.2014

0

Sehr geehrte Damen, sehr geehrte Herren,

das internationale Erdgas-/Erdölunternehmen ExxonMobil startete letzte Woche eine intensive Propaganda-Kampagne in Deutschland, um die Förderung vom unkonventionellen Erdgas und Erdöl der Bevölkerung schmackhaft zu machen. Bunte Internetauftritte zeigen das Vorhaben der Öl- und Gasindustrie nur von der Schokoladenseite. Aber, wie es der amerikanische Spruch sagt, „it ain’t necessarily so.“

ExxonMobil läutete diese Kampagne mit einem offenen Brief ein. Das Unternehmen ließ ihn vielen Tageszeitungen und in Zeitschriften erscheinen und und schickte ihn direkt an Politiker, Umweltorganisationen und Bürgerinitiativen, die sich gegen Fracking gestellt haben. Den Brief können Sie hier lesen.

Wichtiges lässt Exxonmobil aus seinem Bild der heilen Welt des Frackings weg. „Der Frackingprozess im Boden ist nur ein Schritt bei der Förderung von Schiefergas und Schieferöl. Was in [in Exxons Ausführung] fehlt [eine Erwähnung von]:

die Bohrung selbst
der Transport enormer Mengen von Hilfsstoffen im ländlichen Raum mit schweren LKW
das Entweichen von Methan und anderer Gase bei der Bohrung
die jahrelangen Gasemissionen durch Risse/Lücken in der Zementverschalung
das Auffangen und Entsorgen großer Mengen giftiger Rückflüsse
die Sicherung der Bohrlochintegrität über Jahrzehnte
und vor allem die enorme Zahl von Bohrungen.“

(Quelle: Dr. Steffen Bukold – EnergyComment)

ExxonMobil will uns schlau machen, dass Deutschland „für viele Jahrzehnte eigenes Erdgas – insbesondere das heimische Schiefergas.“ Exxon will uns aber nicht zugeben, dass die Erdgasproduktion aus konventionellen Quellen sinkt. Die Erschließung von unkonventionellen Lagerstätten würde lediglich die Erdgasproduktion stabilisieren. Die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) schätzt die förderbare Menge Erdgas aus unkonventionellen Lagerstätten (=Schiefergas) mit 0,7 bis 2,3 Billionen Kubikmeter (m³). Bei einem jährlichen Erdgasverbrauch in Deutschland von rund 100 Milliarden m³ würde diese Menge Gas rechnerisch für 7 bis 23 Jahre reichen. So lange Deutschland Erdgas benötigt, bleibt das Land extrem abhängig von Importen.

Das Erdgas ist nur „heimisch,“ weil es aus deutschem Boden stammt. Das Erdgas gehört jedoch Exxonmobil bzw. den anderen Erdgasunternehmen, die aktuell ihre Fördergebiete abstecken. Damit können diese Unternehmen machen was sie wollen. Deutschland bezieht fast seinen ganzen Erdgasbedarf auf Norwegen, den Niederlanden und Russland. Aus Deutschland wird etwa so viel Erdgas exportiert, wie produziert. Exxon behauptet, dass die unkonventionelle Erdgasförderung „eine Chance auf bezahlbare Energiepreise bietet“. Preise für Öl und Gas werden am Weltmarkt bestimmt. Das wenige Gas und Öl aus deutschen Lagerstätten wird keinen Einfluss auf die Weltpreise für Gas und Öl haben.

Auf Exxons Webseite wird der „geringe“ Flächenbedarf behauptet. Ich möchte erwähnen, im US-Bundesstaat Pennsylvanien in der Marcellus Shale-Region geht man von 400 Tausend neuen Bohrungen aus. Es wird geschätzt, in Deutschland müssen mindestens 17.000 neue Erdgasquellen gebohrt werden. Vielleicht noch viel mehr. Von ExxonMobil kommt keine Aussage. Bekanntlich geht die Produktion von neu gefrackten Erdgasbohrungen im ersten Jahr bis zu 90% zurück. Entweder müssen die Unternehmen diese Erdgasbohrungen wiederholt „fracken,“ oder sie müssen weitere Erdgasquellen bohren.

Der Wasserbedarf ist enorm, um diese Erdgasbohrungen zu „fracken.“ Zwar hat Deutschland (noch) viel Grundwasser, aber das Wasser ist nicht überall verfügbar, wo es benötigt wird.
Regional wird Wasser immer knapper. Hamburg bezieht sehr viel Wasser aus der Nordheide. Die Situation um die Wasserversorgung ist ausgerechnet dort sehr gespannt, wo Unternehmen wie Exxonmobil unkonventionelles Erdgas fördern wollen.

Exxon behauptet es werde zukünftig nur ungiftige Chemikalien verwenden. Das ist unglaubwürdig. Für jedes Frack wird abhängig vom Gestein und anderen Bedingungen ein ganzes Arsenal von nachweislich Krebs verursachenden und Hormonen verändernden Chemikalien eingesetzt. Auch wenn reines Wasser verwendet wird, wird es mit Lagerstättenwasser vermischt, welches NORM (natürlich vorkommendes radioaktives Material), Quecksilber, Krebs erregendes Benzol und Toluol und weitere Gesundheit und Umwelt gefährdende Stoffe enthält. Das beim Fracking verwendete Wasser wird dem Wasserkreislauf nicht mehr zur Verfügung stehen. Menschen, Tiere und Pflanzen können dieses Wasser nicht mehr benutzen.

Das hochkommende Lagerstättenwasser soll dann wieder in die Erde verpresst werden. Wenn 40% der Wassermenge hochkommt, welches in ein Bohrloch hinein gepumpt wird, ist das eine SEHR GROßE MENGE, die verpresst werden muss. Auf Grund von möglichen Reformen im Wasserhaushaltsgesetz ist zu befürchten, dass nicht geeignete Bohrungen durch „Besitzstand“ für das Verpressen von Bohrmaterial verwendet werden. Die Internet-Journalisten bei Pro Publica haben das Thema „Injection Wells“ (Verpressbohrungen) in den USA recherchiert und deckten massive Kontaminationen und durch nicht sachgemäßes Verpressen verursachte Erdbeben auf („Injection Wells The Hidden Risks of Pumping Waste Underground“).

Exxon verschweigt die Luft-, Boden- und Wasserkontaminierung durch undichte Bohrungen und fehlerhafte Zementierungen. Das ist ein schmutziges offenes Geheimnis der Öl- und Gasindustrie, welches seit Beginn der Tiefbohrungen Probleme bereitet. Gase und Lagerstättenwasser können zwischen Rohr und Bohrlochwand direkt an die Oberfläche gelangen. Sie können auch durch natürliche Frakturen, die nichts mit Fracking zu tun haben, durch alte Bohrungen, Schächten und Stollen tausende Meter oder mehr von der eigentlichen Bohrung das Grundwasser kontaminieren. Das sagt sogar die US-amerikanische Society of Petroleum Engineers. Die meisten Offshore-Plattformen an der US-amerikansichen Küste sind undicht. Schlechte Zementierungen waren die wesentliche Ursache für die Deep Water Horizon-Katastophe im Golf von Mexiko von 2010 (British Petroleum) und die riesige Havarie auf der Gas-Plattform in der Nordsee im Jahre 2012 (Total Oil). Sechs Prozent aller Bohrungen sind sofort undicht. Nach 20 Jahren sind es ungefähr die Hälfte aller Bohrungen. Diese Bohrungen müssen für immer dicht bleiben. Bürgerinnen und Bürger, wir Steuerzahler, müssen uns um diese verlassenen Erdöl- und Erdgasbohrungen kümmern, wenn sie nicht mehr produzieren und Exxon und andere Gas- und Ölunternehmen weiterziehen. Wir und unser Nachkommen tragen die Umwelt- und Gesundheitskonsequenzen.

Quarzsand soll laut Exxon als Stützmittel dienen. Die Gewinnung von Quarzsand, dessen Lagerung und Transport sind sehr gefährlich. Silikatstaub ist bekanntlich gesundheitsschädigend. Er ist wie Asbest Auslöser von Lungenkrebs und anderen schlimmen Krankheiten. Menschen, die in der Nähe von Sandgruben, entlang der Transportwege und in der Nähe von Verladestellen leben und auch die Mitarbeiter von Transportunternehmen und auf den Bohrplätzen leiden unter den Feinstaubbelastungen. Diese Problematik taucht in Ihrer Internet-Hochglanzbroschüre nicht auf.

Jede Menge Methan entweicht während der Bohrprozesse in die Atmosphäre. Auch Kompressorstationen, Gasreinigungsanlagen und Rohrleitungen sind undicht. Ich wäre gespannt, welche Gaswolken eine Spezialkamera auch bei Exxons konventionellen Öl- und Gasbohrungen aufdecken würde. Methan ist noch viel schlimmer als CO2 als GHG (Greenhouse Gas / Treibhausgas). Auch eine Menge andere Gase wie Radon und VOC (volatile organic compounds – zum Teil sehr böse Substanzen für die Menschen und die Natur) entweichen. Bei der Ölförderung wird Methan als Nebenprodukt meist einfach nutzlos abgefackelt. Dadurch wird viel CO2, VOC und Feinstaub freigesetzt. Pro Jahr werden weltweit rund 150 Milliarden Kubikmeter Methan abgefackelt. Diese Menge Gas würde den gesamten EU-Bedarf für 4 Monate abdecken. Aber die Öl- und Gasindustrie ist nicht daran interessiert, dieses Gas zu verwerten. Lieber wollen Exxon und Co. neue Löcher in die Erde bohren und noch mehr Methan und CO2 in die Atmosphäre sinnlos freisetzen.

Ein aktuell veröffentlichtes Gutachten des Wissenschaftliches Beirats der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen mit dem Titel „Sondergutachten Klimaschutz als Weltbürgerbewegung“ drängt auf den schnellstmöglichen Ausstieg aus fossilen Brennstoffen. Dieses Gutachten bestätigt den Bericht des IPCC ,International Panel on Climate Change, einer UNO-Behörde. Nach diesen beiden Berichten müssen wir alles tun, um fossile Brennstoffe in der Erde zu belassen. Ich bin überzeugt, es ist höchste Zeit, dass Exxon und Co ihr Geschäftsmodell ändern.

Die Öl- und Gasindustrie sowie die Fracking-Befürworter aus der Politik sagen uns, wir müssen die Risiken mit den Vorteilen von Fracking abwägen. Ich und viele meine Mitstreiter sehen keinen Vorteil für den Einzelnen und für die Gesellschaft von unkonventionellem Erdöl und Erdgas. Auf Risiko ohne möglichen Vorteil geht kein vernünftiger Mensch ein.

Exxonmobils Hochglanzprospekte über die „Freude an Fracking“ entpuppen sich als eine bestenfalls unvollständige Darstellung des Themas. Es gibt jedoch viele kritisch denkende Menschen, die auch vom Fach sind, welche die von Exxon und Co. präsentierte bunte, heile Welt des Frackings durchschauen. Am Ende werden wir leider feststellen, dass wir ohne Erdgas und Erdöl leben können aber nicht ohne sauberes Wasser. Aber dann wird es möglich zu spät sein.

Am 11.10.2014 finden im Rahmen des „Global Frackdowns“ weltweite Proteste und Veranstaltungen gegen Fracking und gegen die unkonventionelle Öl- und Gasförderung. Auch im Braunschweig finden an diesem Tage Aktionen statt. Ich hoffe, viele Menschen werden die Chance nutzen, sich richtig über Fracking und über unkoventionelle Erdgas- und Erdölförderung zu informieren.

Möchten Sie den Artikel kommentieren

Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein!
Bitte geben Sie hier Ihren Namen ein

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.