Polizeigewahrsam – Ungekürzte Redebeiträge der Betroffenen

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Nachfolgend lesen Sie die zwei Ansprachen, die vor der Polizeidirektion in Braunschweig von Beteiligten der Ingewahrseinnahme durch die Polizei gehalten wurden. Sie geben ungekürzt einen Bericht zu den Geschehnissen in jener Nacht wieder. Der Braunschweig-Spiegel berichtete darüber. (Red.)

1. Redebeitrag von Karl P.

Polizisten sind doch auch nur Menschen, und die machen doch auch nur ihren Job, bekam ich schon so oft zu hören …

Ich frage dich: Was würdest du, wenn du es könntest mit Menschen tun, die dich kontrollieren weil ihnen deine Hautfarbe nicht passt, die dich gegen deinen Willen in einen 10m² großen gefliesten Raum einsperren, die dir ins Gesicht treten, die dich auf den  Boden schmeißen, dich fixieren, um dich anschließend komplett auszuziehen, die dir drohen deinen Arm zu brechen.

So oft haben mir Polizisten und Polizistinnen gesagt, sie können da auch nichts machen, das ist halt ihr Job, sie müssen halt tun was ihnen von oben gesagt wird und im Zweifelsfall heißt das halt zu schlagen, wenn ihnen das gesagt wird, zu foltern, wenn ihnen das gesagt wird, einzusperren, wenn ihnen das gesagt wird.

Doch sich damit rauszureden, Befehlen zu gehorchen ohne darüber nachzudenken und somit zu versuchen, sich der direkten Verantwortung für das eigene Handeln zu entziehen,  hat gerade in Deutschland eine lange Tradition …

Die tägliche Konfrontation mit der eigenen Macht und die Gewohnheit, dass die meisten Menschen tun was Polizist_innen ihnen sagen in Kombination mit Befehlen, welchen die Polizist_innen mit niedrigeren Dienstgraden von ihren Vorgesetzten ausgesetzt sind, erzeugt bei einigen Polizist_innen eine maßlose Brutalität und Sadismus, der über die befohlene Brutalität hinausgeht.      

Der Auftrag einer Polizistin oder eines Polizisten besteht in den seltensten Fällen darin, die Bevölkerung vor Mörder_innen und Vergewaltiger_innen zu schützen, sondern die tägliche Ordnung aufrechtzuerhalten.

In die tägliche Ordnung passt es eben nicht, dass Menschen Polizist_innen bei einer Kontrolle  fragen, was sie da machen, in die tägliche Ordnung passt es nicht, dass sich Menschen dem Transport von radioaktivem Müll in den Weg stellen, in die tägliche Ordnung passt es eben nicht, dass Menschen ohne deutschen Pass und ohne Sondererlaubnis sich hier aufhalten,  in die tägliche Ordnung passt es eben nicht, dass Menschen umweltschädigende Bauprojekte oder Naziaufmärsche verhindern wollen …

Viel eher besteht der Auftrag von Polizist_innen darin diesen Staat zu schützen und die für die Aufrechterhaltung dieses Systems notwendigen Gesetze zu schützen.

Warum dürfen die das? Warum dürfen die Menschen kontrollieren und belästigen? Warum dürfen die Menschen verprügeln, sie einsperren? Sie ausziehen? demütigen?

Weil sie die stärkeren Waffen haben, weil sie sich unter einander decken, weil Richter_innen nicht gerne ihre Kolleg_innen verknacken, weil sie mit Hilfe von Lobbyarbeit und Medien immer wieder legitimiert werden, weil sie immer noch von einem Großteil der Bevölkerung akzeptiert und geachtet werden.

Weil wir sie lassen?

Ich bin überzeugt, dass ohne Polizei und Justiz sich die Menschen nehmen was sie brauchen würden, ohne Polizei und Justiz Menschen sich selber gegenseitig helfen würden, ohne Polizei die  Menschen sich selbstständig kreative Lösungen für Konflikte suchen und umsetzen würden.

Für ein Herrschaftsfreies Leben!

Für eine Welt ohne Polizei, Knast und Strafe!

Der Justiz und Polizeigewalt offensiv entgegentreten! 

 

2. Redebeitrag von Karl C.

 

Letzte Woche hat mich die Polizei hier in die Friedrich-Voigtländer-Straße in ihr  Hauptrevier verschleppt. Sie hat dafür Gewalt eingesetzt, sie hat sich Mühe gegeben mich psychisch zu traktieren, sie hat mich eingesperrt. Warum das alles?

Letzten Dienstag lief ich in Richtung der Wohnung, wo ich zu Besuch war. Ich wollte mich um um das Abendessen zu kümmern, welches gerade auf dem Herd stand. Da sah ich verschiedene Polizeiwagen anfahren, Polizist_innen aus dem Auto springen und Leute abfilzen. Ich wollte das nicht einfach so stehen lassen, ging hin und fragte sie, was und warum hier so alles stattfinde. Als ich, mit der Antwort „Polizeiliche Maßnahme“ unzufrieden, weiter fragte, wurde ich von einem Polizisten dazu aufgefordert, mich mit den Händen an die Wand zu stellen. Diesem Befehl verweigerte ich mich und so wurde ich kurz darauf  auf recht unliebsame Art und Weise mit dem Kopf gegen eine Fensterscheibe geschlagen. Bei der Festnahme mit den Handschellen wurde ich dann auch auf den Boden gezwungen, bekam ein Knie ins Gesicht, blutete. Ich rief um Hilfe, rief dass ich blutete, doch offensichtlich waren die Passanten, die das alles auch sahen zu sehr von der Polizei abgeschreckt, um mir zu helfen.

Dann wurde ich in eine Polizeiwanne gesteckt, der für die Festnahme hauptverantwortliche Polizist versuchte seine Aktion mit dem von Polizisten routinemäßig hervorgebrachten Vorwurf „Widerstand gegen die Staatsgewalt“ zu rechtfertigen. Anschließend wurde von mir ein „freiwilliger“ Alkoholtest verlangt, weil mir sonst eine zwangsweise Blutentnahme bevorstünde. Welch ein Hohn!

Jetzt wurde ich also in die Friedrich-Voigtländer-Straße gefahren , dort in die Zelle geworfen. Meine Hose wurde mir ausgezogen und weggenommen. Da ich barfuss war und nur mit kurzer Hose und Hemd gekleidet war, hatte ich also nur noch mein Hemd an und meine Genitalien waren zu sehen. Ich interpretiere die Nicht-Rückgabe der Hose als bewusste Demütigung. Jetzt hatte ich aber den Schlüssel der Wohnung in der Hosentasche stecken und den fand die Polizei da  auch. Da stand nun auch die Adresse der Wohnung drauf, und weil ich keinen Personalausweis dabei gehabt hatte, wurde dies, statt am nächsten Tag das Einwohnermeldeamt zu kontaktieren, als Begründung genommen, mit dem Schlüssel in die Wohnung einzudringen.

Davor kamen die Polizisten aber mit Arzt in meine Zelle, um mir gegen meinen Willen Blut abzunehmen. Dabei trat mir einer auf meinen Hodensack, glücklicherweise nicht richtig schmerzhaft, ich war ja komplett nackt. Ich sagte das dem Hauptakteur, der mich auch festgenommen hatte, und dieser entgegnete mir, dass er mir die Eier schon abmachen werde. Als sie dann mit der Blutabnahme beginnen wollten auch, dass er mir den Arm brechen würde, den sie grad fixierten, wenn ich mich sträuben würde. Wenig später fuhren die Polizisten los, mit der Bemerkung, ich sei ja schuld, wenn das ganze Haus jetzt „hopps“ genommen würde.

Wenig später standen 8 Polizisten in voller Montur mit schussicheren Westen vor der Wohnungstür und fummelten mit dem Schlüssel im Schloss herum. Geistesgegenwärtig rief jemand von innen „Passwort?“  und dann klingelte und es hieß „Polizei!“. Jemand schloss jedoch schnell den Riegel von innen vor. Die Polizist_innen  forderten Personalausweis und Schuhe, und als es aus der Wohnung hieß: „ohne Hausdurchsuchungsbeschluss dürft ihr hier nicht rein“, kam als Antwort „Gefahr im Vollzug! Polizei-wir dürfen alles!“ Daraufhin wurde von innen heraus der Personalausweis ausgehändigt, nach Aufforderung sogar der eigene. Für die Schuhe, die im Flur lagen, ging der Mensch dann raus. Dies nutzten die Polizisten aus, um dem Menschen, der die Schuhe herausgab, an die Gurgel zu gehen, mit den Schlüsseln die Tür zu öffnen und die Wohnung trotz Protest zu inspizieren.

Irgendwann kamen meine Unterstützer dann vor die Polizeiinspektion in der Friedrich-Voigtländer-Straße. Zwei davon gingen in Absprache mit dem Pförtner aufs Gelände, um herauszufinden, wo ich mich befinde und was mir vorgeworfen wird. Einer wurde daraufhin auch in eine Zelle gesperrt,jemand anderes bekam einen Platzverweis. Drei  Personen standen dann vor dem Eingang der Polizeiinspektion und malten mit Kreide auf dem Bordstein. Wenig später sprangen aus zwei Polizeiwannen dann grimmige aussehende Polizist_innen heraus,um mit der Aussage „Mensch, wann kapiert ihr es denn endlich“ die Leute festzunehmen und unter anderem mit Würgegriff in verschiedene Zellen zu sperren. So saßen wir alle eingesperrt in den Gefängniszellen. Die Zellen , asind weiß gekachelt und absolut lebensfeindlich und es gibt kaum Beschäftigungsmöglichkeiten ausser im Kreise zu laufen und sich im Kopfe Bilder in Kachelmuster vorzustellen. Zusammen mit den permanenten Demütigungsversuchen der Polizist_innen ergiebt das eine sehr triste Wirklichkeit.

Am nächsten Morgen wurde ich dann zur erkennungsdienstlichen Behandlung vorgeführt. Dabei wurde ich an den Haaren gezogen , der Daumen wurde mir verrenkt so dass es knackste, der Arm mit aller Gewalt auf den Rücken verrenkt, sich über mich lustig gemacht. Ca. 8-10 Polizisten standen um mich herum, und ich nackt, allein und nur mit passivem Schutz unter ihnen.

Gefängnis ist für mich nichts Abstraktes mehr.

Polizeigewalt schon gar nicht.

Staat und Polizei abschaffen!

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