Herzöge, Hexen und Zauberer

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Die Zahl 13 bewegt zur Zeit vor allem in Braunschweig Diskussionen zur Landesgeschichte in interessanter vielfältiger Weise. Ganz anders in Wolfenbüttel. Dort wird ein 13er-Jubiläum in auffällig einseitiger Weise begangen: Vor 400 Jahren, im Oktober 1613, wurde Herzog Heinrich Julius mit allen möglichen Ehren und höfischem Pomp in der Wolfenbütteler Marienkirche bestattet. Mehrere Veranstaltungen erinnern an dieses Ereignis.

 

Die Herzog August Bibliothek zeigt u.a. eine bestaunenswerte Darstellung des Leichenzuges aus Holzschnitten von Elias Holwein. Nach einer Festveranstaltung mit einem Vortrag des Historikers Brage bei der Wieden fand in der HAB unter dem Titel „Politiker und Gelehrter mit europäischem Profil“ ein dreitägiges internationales Symposium statt. Referiert wurden von 11 profilierten Fachleuten 12 Themen wie zum Beispiel „Heinrich Julius als Bauherr“ oder „Dramen des Herzogs am Schnittpunkt von Historie und literarischer

Überlieferung“. Wen interessieren eigentlich derartig „hochtrabende“ Themen? Da es sich aber dennoch um braunschweigische Landesgeschichte gehandelt haben soll, konnten die Veranstalter auf eine angemessene Finanzierung der einschlägigen Sponsoren durch die Stiftung Braunschweiger Kulturbesitz und der Stiftung NORD/LB-Öffentliche zurückgreifen.

HAB-Direktor Helwig Schmidt-Glintzer pries den „europäischen Rang des Fürsten“, Brage bei der Wieden trug seine Kenntnisse über das „Widerspiegeln der Repräsentation des Fürsten“  vor. Ganz anders Wolfenbüttels ehemaliger Landrat und jetziger Staatssekretär Jörg Röhmann. Er bezeichnete den Herzog als einen machtbesessenen Menschen, bei dem Hexenverbrennung Konjunktur gehabt habe.

Durch diesen Herzog Julius Heinrich ausgelöste braunschweigische Landesgeschichte begegnet man an der Westseite des Lechlumer Holzes auf dem Weg von Stöckheim nach Wolfenbüttel. Dort stößt man auf  die Stelle, an der sich zwischen dem 16. Jahrhundert und dem Juli 1795 die „Richtstätte des Herzoglichen Gerichts“ befunden hat. Neben verurteilten Kriminellen waren hier auch sogenannte Hexen und Zauberer hingerichtet worden. Auf einer Informationstafel heißt es unter anderem: Die Hexenverfolgungen hatten besonders während der Regierungszeit von Heinrich Julius (1589-1613) ein erschreckendes Ausmaß angenommen. So berichtet eine Chronik von 1590: In den Fasten dieses Jahres ließ der Herzog viele Hexenmeister und Zauberinnen zu Wolfenbüttelverbrennen, als wohin aus dem Lande Braunschweig, Göttingen und Calenbergischen Theils, alle Maleficanten zusammen gebracht und gerichtet wurden. Wie dann zu Wolfenbüttel öfters an einem Tag 10, 12 und mehr gebrant, und der Orts des Lecheln Holzes von den Zauberpfählen als ein kleiner Wald anzusehen gewesen.

Heinrich Julius, der in der bildungsbürgerlichen Gesellschaft in und um den Wolfenbütteler Elfenbeinturm zeitweilig viel lieber als „besonderer Liebhaber, Defensor, Patron und Befürderer der edlen Music“ denn als grausamer Herrscher gehandelt wird, ist auch heute noch für den Tod von Frauen und Männern mitverantwortlich, die aufgrund der Anklage der Hexerei oder Zauberei vor der grausamen Hinrichtung auch noch gefoltert worden sind.

So berichtete die Braunschweiger Zeitung (Karl-Ernst Hueske) im März 2004 über dieses „Düstere Kapitel unserer Geschichte“ anlässlich eines erinnernden „Menschenzuges“ zur Hinrichtungsstätte während der Wolfenbütteler Frauen-Kulturtage: Während der Regierungszeit des engagierten „Hexenverbrenners“ wurden 114 Hexen und Zauberer angeklagt, davon 97 Frauen und 17 Männer. 50 wurden verbrannt, drei enthauptet, eine Person starb in der Haft, 39 wurden freigelassen, vier ausgewiesen. Sieben Verfahren wurden eingestellt. Zehn hatten ein unbekanntes Ergebnis.

Der Kulturstadtverein bietet zu diesem Ereignis mehrere Veranstaltungen an, darunter ein  Konzert der von Heinrichs Hofkapellmeister Michael Praetorius komponierten Trauermusik – quasi am Grabe des Potentaten.

Sicher, diese Aufführung wird ein besonderes musikalisches Ereignis sein. Von „Hexenmorden“ ist in dem Programmflyer keine Rede.

Ein wenig Trauer über die Opfer dieses in höchster Glorifizierung zu Grabe getragenen Bischofs und Potentaten stünde der Lessingstadt Wolfenbüttel allerdings gut zu Gesicht. Glücklicherweise gibt es noch Wolfenbüttels Nachbarstadt Hornburg. Dort wurde im Januar 1597 nach schlimmer Folter Anna Landmann als Hexe verbrannt.

Die Geschichte dieses Hexenprozesses dokumentierte das Hornburger Altstadttheater kürzlich in einer beeindruckenden Vorführung. In einem Dokument in der HAB sind über den Tod des Herzogs folgende Aussagen zu lesen: Gleich wie ein Vater war Dein Schutz/ dein Schirm und Schild/sucht deinen Nutz. (…) Recht und Gnad wohnten in seinem Haus.

Die Ankündigung eines weiteren herzoglichen Todes-Jubiläumsjahres lässt vermuten, dass auch hier wieder eher einer Glorifizierung als einer realistischen Darstellung der Vorzug gegeben wird. Im Anton-Ulrich-Themenjahr 2014 wird des 300. Todestages dieses in Braunschweig und Wolfenbüttel geschätzten Herzogs gedacht. Wolfenbüttels Schlossmuseums, in dem die luxuriöse Lebensweise herzoglicher Familien in hervorragender Weise dargestellt wird, bereitet sich bereits darauf vor. Bleibt zu wünschen, dass nicht nur positive Taten des Herzogs in einer geplanten Ausstellung dokumentiert werden, sondern auch dessen Untaten, denen Menschen nicht entkommen konnten. Außerdem ist es an der Zeit, im Schloss neben den aufgeprotzten Räumen auch an die Menschen zu erinnern, die den „Hochwohlgeborenen“ dauernd zu Diensten sein mussten und ihr Essen eher mit Holzlöffeln als mit Gedecken aus Fürstenberger Porzellan zu sich einnahmen.

Foto: Findling an der ehemaligen Hinrichtungsstätte am Lechlumer Holz

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