Eine Reise zum Ende des 1. Weltkriegs (Teil 3) Verdun – Ein Symbol …

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… des Eliteversagens und des Zivilisationsbruches

Ich berichte von meiner Reise auf die ehemaligen Schlachtfelder des 1. Weltkriegs. Dieses ist nach der 1. Folge über Ypern, der 2. Folge über das Gebiet der Somme, die 3. Folge über Verdun in Lothringen. Im Laufe der Zeit sind die ersten beiden Folgen immer wieder ergänzt worden, sodass es für Interessierte sinnvoll sein könnte, die Folgen noch einmal im Gesamtzusammenhang zu betrachten. Es wird jedoch nicht nur über die Reise berichtet. Zahlreiche Verlinkungen weisen auf besondere oder vertiefende sachliche oder emotionale Belege hin und werden mit Fotos ergänzt.

Sag mir wo die Blumen sind


Verdun – eine Stadt von besonderer Bedeutung

Verdun in Lothringen, im Herzen des Departement Meuse (Maas) nimmt einen ganz besonderen Platz in der kollektiven Erinnerungskultur ein. Hier wurde Weltgeschichte geschrieben. Die „Heldenstadt“, wie Verdun immer wieder bezeichnet wird, hat jedoch nichts mit Helden zu tun. Sie hat zu tun mit Verantwortungslosigkeiten der sog. Eliten und dem Sterben hunderttausender Menschen auf engstem Raum. Insofern nicht „Heldenstadt“ sondern „Stadt des Elitenversagens“.

Die Schlacht von Verdun ist einzigartig in ihrem Ausmaß der Verbreitung von Schrecken und Leid. 300 Tage, 300 Nächte, unaufhörliche Kämpfe auf einem nur 20 Quadratkilometer großen Areal. Zu beklagen sind über 300.000 Tote, sowohl Deutsche als auch Franzosen, mehr als 400.000 Verwundete…,. Es macht keinen Sinn hier noch mehr Zahlen anzufügen. Es geht um Menschen, jeden einzelnen, und nicht um abstrakte Zahlen und Statistiken.

Heute ist Verdun Anziehungspunkt für Geschichts- und Gedenktourismus. Durch seinen tragischen Ruhm wurde Verdun auch zum Symbol des ständigen Bemühens um Toleranz und Aussöhnung in Europa zum „Nie wieder!“

Das „Nie wieder“ währte nur kurz. Es dauerte nur wenige Jahre, da beging Deutschland einen weiteren Zivilisationsbruch unvorstellbaren Ausmaßes.

Johnny Cash performs „Blowin‘ In The Wind“

Deutsche Übersetzung

Mein Weg führt durch die Dörfer und Landschaften an der Somme, wie z.B. die Kleinstadt Peronne, die seinerzeit völlig zerstört war und in denen die Schlachten des 1. Weltkriegs tobten. Er führte nach Verdun, dem Symbol extremster Menschenverachtung. Was waren das für Menschen, die hier befahlen, die die uniformierten Menschen in den sicheren Tod sandten.

Viele politische Entscheidungsträger und Befehlshaber, sicher mit humanistischer Bildung, treu sorgende Väter, sog. Eliten. Gab es denn nie eine Aufklärung, nie einen Kant, nie einen Lessing und Friedrich Schiller. Was nützt die ganze humanistische Bildung, wenn die Menschen zuerst belogen und dann in den Krieg geschickt werden mit dem Hinweis wie süß doch der Heldentod sei, wenn das Vaterland in Gefahr ist. Der Humanismus führte direkt in die Schützengräben und Granatentrichter und letztendlich unter ein Kreuz, falls die Körperteile gefunden wurden.

Soldatenbriefe aus dem 1. Weltkrieg

Hier und anderswo waberte der Zynismus dieser „Gläubigen“ und „Gebildeten“. Sie sprachen von Verantwortung und Vaterland und meinten: geh´ du in den Tod.

„Hölle von Verdun“

Die Schlacht von Verdun von 1916 ist ein frontaler Zusammenstoss – die mörderischste der Geschichte zwischen Frankreich und Deutschland. Dieser Kampf der totalen Vernichtung von Menschen, im Rahmen eines noch nie dagewesenen Artillerieduells, stellt ein Symbol und eine Zusammenfassung des industriellen Krieges dar. Erstmalig war die Industrie der Gewinner – der Einzige.

Das Schlachtfeld von Verdun befand sich im Nord-Osten am Rande der Stadt und ist teilweise wieder in einem Wald gelegen. Dort wo kein Wald wächst, stehen die Ehrenmale und liegen die Friedhöfe. Im gelben Bereich ist das „deutsche“ Hinterland, im blauen das französische. Und im roten Bereich liegt die Stadt Verdun.

1 Siegesdenkmal, 2 Unterirdische Zitadelle, 3 Weltzentrums des Friedens, der Freiheit und der Menschenrechte, 4 Beinhaus von Douamont, 5 Gedenkstätte von Verdun, 6 Fort von Douamont, Fort Vaux, 8 Bajonettgraben

Am 21. Februar 1916 beginnt die deutsche Armee ihre Großoffensive zur Eroberung Verduns. An diesem Tag beginnt ein Albtraum für alle Menschen, die gemeinhin als Soldaten bezeichnet werden. Die „Hölle von Verdun“. – 10 Monate unaufhörliche mörderische Kämpfe. Über 200.000 Tote lagen auf dem Schlachtfeld. Am Frontverlauf hatte sich fast nichts geändert. So wurde Verdun zum Inbegriff für den Stellungskrieg und das sinnlose Sterben deutscher und französischer Menschen.

Nach dem Kriegsende steckten die Behörden eine rote Zone ab, welche die Hauptkriegsschauplätze umfasste. Die „rote Zone“, der Brennpunkt des Konflikts, trägt noch heute die tiefen Kriegsnarben der Landschaft. Eine Kraterlandschaft –  jedoch nicht überall gnädig von Bäumen bewachsen. Der Boden ist noch heute schwer verseucht.

Schlachtfeld am Ford Vaux. Die Trichter der Ganateneinschläge sind auch nach 100 Jahren noch zu sehen.

Tief bewegend die Krypta des Beinhauses von Douaumont, der Weg durch die endlosen Gräberfelder und durch die Galerien der Forts und Vaux und Douaumont. Die großen Befestigungen sind zu besichtigen. Meterdick der Beton, endlose Kasematten, gepanzerte 30 cm Haubitzen geschützt durch Stahlkuppen. Uneinnehmbar angeblich und doch im Handstreich mit wenigen Leuten genommen. Was erst so wichtig war und Tausende dem Tod aussetze, wurde plötzlich als unwichtig aufgegeben. Deutsche besetzten das Fort gleich zu Beginn der Schlacht.

Auf dem vernarbten Fort Vaux mit den Stahlkappen (Einmannbunker) und geschützten Stellungen für 30 cm Geschütze (rechts).

Fort Douaumont, es wurde über fast 30 Jahre erbaut. Die Fläche des Forts beträgt 3 Hektar und das Fort hat eine Länge von mehr als 400 Metern. Das „Dach“ besteht aus verstärkten Beton und Erdlagen. Zusammen ist diese Schicht mehr als 12 Meter hoch. Das Fort hat 2 unterirdische Stockwerke mit einem Netzwerk von Gängen. Eigentlich war das Fort geplant worden für etwa 800 Menschen. Während der Schlacht suchten oft mehr als 3000 Menschen gleichzeitig Zuflucht. Das Leben im Fort muss zu dieser Zeit wohl unerträglich gewesen sein.

Fort Douaumont, mitten in der Kampfzone gelegen von oben besehen. Der umliegende Wald bedeckt Gräben, Verbindungswege und vor allem Granatentrichter. Auf dem Foto die Stahlkappen zum Schutz der ausfahrbaren 30cm Geschütze und im Vordergrund ein Beobachtungsstand.

Obwohl das Fort am Anfang des Krieges um Verdun eines der wichtigsten französischen Verteidigungsbauwerke war, wurde es im Laufe der ersten zwei Kriegsjahre „entkleidet“. Das heißt, die Geschütze wurden abgebaut und die  Mannschaften an andere Orte der Front verlegt. Das Fort sollte nicht mehr verteidigt werden. Die französische Heeresleitung hatte diesen strategischen Beschluss getroffen, weil sie nicht mehr an die Verteidigungsfähigkeit des Forts glaubte, denn zuvor waren die belgischen Forts  alle durch die deutsche Beschießungen durch schwere Artillerie zu Beginn des Krieges genommen worden. Darüber hinaus rechnete man nicht mit einem großen Angriff auf Verdun. Durch diese französische Entscheidung konnten deutsche Truppen am 25. Februar 1916 ohne viel Mühe das Fort Douaumont einnehmen. Nur ungefähr 60 Französische Soldaten hielten im dem Moment die Stellung.

Nach der Einnahme verstärkte die deutsche Armee das Fort rasch mit neuen Waffen. Die spätere Zurückeroberung durch die Franzosen kosteten denen wiederum viele tausende Tote. Am 8. Mai 1916 gab es eine extreme Explosion im Fort. Ein Lager für Handgranaten, welches die Deutschen im Fort hergerichtet hatten, explodierte. Mehr als 650 deutsche Menschen ließen dabei ihr Leben. Da es keine Möglichkeit gab die Toten zu beerdigen, wurde der Raum, in dem sich das Lager befand, zugemauert. Vor dieser Mauer wurde eine Gedenkstätte errichtet. Die toten Menschen ruhen noch immer im Inneren des Forts.

Vor dem zugemauerten Gang die Gedenkstätte

Figur in der Gedenkstätte

Vor der Zurückeroberung des Forts durch die Franzosen, lag das Fort lange Zeit unter gewaltigen Beschuss. Mehr als hunderttausend Granaten trafen das Fort. Das würde heißen, dass das Fort pro Quadratmeter von mehr als 1000 Granaten getroffen wurde. Überlebende berichteten, dass während des französischen Trommelfeuers auf das Fort Douaumont manch ein Deutscher in den Wahnsinn getrieben wurde.

Das zentrale Ehrenmal

besteht aus einem Turm zweiseitig verbunden mit dem Beinhaus und einer  großen Friedhofsanlage.

Das Gräberfeld war ein Teil des Schlachtfeldes, denn um die leichte Anhöhe wurde zwei Jahre gekämpft.

Vom Turm ein Blick über das Schachtfeld,  – weiße Kreuze für die Franzosen. Christen an den weißen Steinkreuzen, Mohammedaner an weißen Stelen, die Köpfe der Toten gen Mekka.

Am Ehrenmal liegen 16.000 Franzosen, danach Menschen aus dem Commonwealth, weiter weg Deutsche. Nur im Beinhaus (rechts und links vom Turm) liegen 130.000 Menschen, nicht identifizierbar, alle Nationen durcheinander – die Knochen. Alle sind gleich, aber wohl erst im Tod – das hat auch etwas Tröstliches.

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