Der brennende Hühnerstall und wie wir mit Tieren umgehen

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Nach Informationen aus der Braunschweiger Zeitung wird die Ursache des Brandes, der die Hähnchenproduktionsanlage in Alvesse/Üfingen zerstört hat, Brandstiftung sein. Sollte es so sein, handelt es sich um ein Kapitalverbrechen und dieses muss verfolgt und geahndet werden. Darüber sollte kein Zweifel bestehen.

Zweifeln oder Verzweifeln muss man jedoch an etwas anderem, an unserem Umgang mit Lebewesen in einer angeblich zivilisierten Welt. Dazu ein Hintergrund in zwei Folgen.

Kaum eine Haltung von uns Menschen ist widersprüchlicher als unsere Einstellung zu Tieren. Schlagen wir die Zeitungen auf blicken uns kulleräugige Tierkinder entgegen. Wie süss, da geht einem doch das Herz auf. Vor einigen Wochen wurden mehrere Entenküken von der Feuerwehr aus einem Gully gerettet. Ein wichtiges Ereignis: Großes Foto in der Zeitung mit den rettenden Händen eines Feuerwehrmannes, der das zarte unschuldige Wesen errettete. Wer wollte da Zweifel hegen; nicht an der Rettung, sondern an unserem Umgang mit Tieren. Niemand kam auf den Gedanken, dass enge Verwandte dieser kleinen unschuldigen Geschöpfe zu Millionen ausgebrütet, mit übergroßen Entenbrüsten bis zum Umfallen in wenigen Wochen auf engstem Raum herangezogen und dann am Fließband getötet werden. Welch ein Gegensatz im Handeln, in unserer Wahrnehmung, in unserer Einstellung zum Leben – bei der gleichen Kreatur.

Eine wichtige sowohl ethische als auch gesellschaftspolitische Frage ist: Welche Beziehung haben wir Menschen zu Tieren (und zu Pflanzen)? Haben wir ein Recht zu töten (auch Pflanzen) und wenn ja, unter welchen Bedingungen, und wo liegen die Grenzen?

Die Wissenschaft der Angewandten Ethik ist sich weitgehen einig: Der Mensch hat ein Recht zu töten, sofern er die Würde des Lebewesens respektiert. Die Schweiz hat in einer Volksabstimmung vom Mai 1992 beschlossen, den Passus über die Würde der Kreatur (somit auch die Pflanze) in die Bundesverfassung aufzunehmen. Die Biologin Florianne Koechlin meint zur Würde von Pflanzen, dass jedes Lebewesen, dem man Würde zugesteht, einen Wert an sich hat, losgelöst von menschlichen Interessen oder einem Zweck. Neben Menschen haben auch Tiere und Pflanzen einen Eigenwert deren Nutzung rechtfertigungspflichtig ist. (Die geschundene Kreatur: Interview mit Florianne Koechlin).

Kaum Zweifel bestehen in der Agrarethik, dass eine reduzierte Betrachtung von Lebewesen, nämlich nur auf deren Leistungsfähigkeit und wirtschaftliche Verwertbarkeit hin, abzulehnen ist, weil eine Grundbedingung nicht eingehalten wird – der Respekt vor dem Lebewesen und der in ihnen dargestellten Natur, er wirtschaftet nicht im Kreislauf, wie die Philosophin und Biologin Prof.  Nicole Karafyllis von der Braunschweiger TU es ausdrückt. Der Respekt vor dem Lebewesen, und deren Kreisläufe des Lebens müssen ausreichend gewürdigt werden. Der Mensch orientiere sich in seinem Inneren an der Natur.

Der Philosoph und Gastrosoph Harald Lemke schreibt dazu: „Obgleich also für den Menschen das Töten anderen Lebens essistenziell unvermeidbar scheint, ist die entscheidende Tatsache für eine gastrosophische Ethik, wie mit diesem „…Schuldzusammenhang“ agrikulturell bzw. esskulturell umgegangen wird. Eine … naturgerechte Wiedergutmachung dieser unvermeidlichen Schuld besteht darin, für das mögliche Wohlleben der genutzten Pflanzen und Tiere und allem anderen, was der Menschheit als Mahl geopfert wird, bestmöglich zu sorgen. Dieses gute Behandeln der Natur sei im Grunde die Gegengabe für das unvermeidbare Töten.

Fortsetzung folgt

 

 


Kommentare   

 
0 #1 Susanne Schmedt 2011-07-28 13:18
Sie sprechen mir aus dem Herzen, sehr guter Bericht
DANKE!

 
 

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