Bericht aus Bumsdorf VI – Einsame Helden oder Allein unter Müttern

0

Väter sind einsame Menschen. Insbesondere solche, die sich um die Aufzucht und Pflege ihrer Kinder kümmern, während ihre Lebensabschnittsgefährtinnen oder Ehefrauen – jedenfalls die Mütter der gemeinsamen Brut – arbeiten gehen.

„Nee, ich mach auch gerade nix“, sagt mir ein ehemaliger Mitschüler, der gerade sein Studium geschmissen hat, auf einem Klassentreffen, als ich ihm erzähle, dass ich mich vollzeit um meine Tochter kümmere, um zusätzlich halbtags arbeiten zu gehen.

Anfangs bin ich – ein moderner Mann in einer emanzipierten Beziehung – noch optimistisch. So gehe ich denn auch mutig in den Müttertreff bei uns im Stadtviertel, um mich über das dortige Angebot zu informieren. „Müttertreff“, denke ich, „heißt es sicherlich noch aus traditionellen Gründen, weil es damals – im letzten Jahrhundert – mal so benannt worden war.“

Man bzw. Frau sieht mich dort an als wäre ich ein entlaufener Kinderschänder auf der Suche nach neuen Opfern. Auch Nele in ihrem Kinderwagen stimmt sie nicht milder. Nur sehr widerstrebend reicht mir die Dame den Programmflyer.

Tatsächlich: Auch dort ist ausschließlich von „Frauen“ und „Müttern“ die Rede. „Männer“ und „Väter“ kommen dort nicht vor. Oh Wunder der jungfräulichen Geburt!

Lediglich im allerletzten Programmpunkt werden sie erwähnt, nämlich bei der „Beratung für alleinerziehende Mütter“. Zärtlich werden sie dort als „Unterhaltszahler“ bezeichnet.

Dann eben nicht. Stattdessen gehe ich auf den Spielplatz. Dort kommt man bekanntlich schnell ins Gespräch, so wie all die Hundebesitzer beim Gassigehen.

Außer mir und Nele ist aber niemand da.

Dann endlich kommen sie, sogar gleich ganz viele. Ein ganzes Rudel Frauen trifft ein, eine hübscher als die andere. Soweit ich das beurteilen kann, denn die meisten sind mehr oder weniger verschleiert. Einige beschränken sich auf ein attraktives Kopftuch, andere bevorzugen einen Ganzkörpervorhang, der ihren Leib als einen monolithischen Block erscheinen lässt.

Gerne möchte ich mich zu ihnen setzen, ein wenig plaudern über volle Windeln, die Schlafgewohnheiten der lieben Kleinen und ob es eigentlich normal ist, dass stillende Frauen ein so geringes Bedürfnis nach Sex haben.

Leider werde ich jedoch massiv ignoriert. Nur manchmal, wenn sie besonders auffällig an mir vorbeischauen, weiß ich, dass sie mich sehen, wenn auch nicht sehen wollen.

Sie packen derweil ihre Lebensmittelpakete aus und stapeln sie zu hohen Bergen auf dem Holztisch des Spielplatzes. Gierig schaue ich zu ihnen hinüber: Käse, Wurst, Fladenbrote, gefüllte Weinblätter, Salate, Kuchen, noch mehr Kuchen, Türkischer Honig… Nichts davon ist für mich bestimmt, niemand lädt mich ein.

Nur die Kinder lassen sich nicht separieren. Sie spielen einträchtig miteinander, bewerfen sich freundlich mit Sand, klauen sich gegenseitig das Spielzeug und drängeln auf der Rutschenleiter. Was Kinder eben so tun, um sich ihre Zuneigung zu zeigen.

Am nächsten Tag versuche ich es auf einem anderen Spielplatz. Diesmal habe ich mehr Glück. Nur eine einzige Frau ist da, offensichtlich ebenfalls mit einem „Migrationshintergrund“. Schnell kommen wir ins Gespräch, auch wenn sie die deutsche Sprache nur gebrochen beherrscht, derweil sich unsere Kinder mit ihrem Sandspielzeug verhauen.

„Wo Mutter?“ fragt sie.

„Bei der Arbeit“, antworte ich.

Sie schlägt die Hände über den Kopf zusammen: „Oh, oh, armes Kind, oh, oh, armes Kind.“

Auch ich schlage die Hände über den Kopf zusammen: „Oh, oh, armer Vater, oh, oh, armer Vater.“

————————————————————————–

Link zum letzten Bericht aus Bumsdorf

Mehr Geschichten und Glossen von Braunschweiger Autoren:
Bumsdorfer Gerüchteküche
mit Axel Klingenberg, Daniel Terek und den Gästen Till Burgwächter, Michael Völkel und Karsten Weyershausen
15. November, 20.00 Uhr
Kaufbar, Bolchentwete 1, Braunschweig
https:/www.drk-sprungbrett.de

Möchten Sie den Artikel kommentieren

Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein!
Bitte geben Sie hier Ihren Namen ein

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.