Die deutsche Bürokratie gilt als die beste der Welt. Nirgendwo gibt es so viele unnütze Beamte wie hier. Nirgendwo ist der Bürger so gefordert wie hier. Wir haben auch die überflüssigsten Vorschriften, fälschungssichersten Personalausweise und umfangreichsten Formulare. Wir sind die Könige des Verwaltungsirrsinns!
Das durften Anita und ich auch im letzten Jahr feststellen, als wir nach Italien in den Urlaub fahren wollten. Dazu bräuchten wir Personalausweise bzw. für unsere Kinder Reisepässe, wurde uns gesagt. Obwohl wir ja noch nicht mal Europa verlassen wollten und Italien ja kaum noch wirklich als Ausland bezeichnet werden kann.
Ich will hier gar nicht darüber lamentieren, wie teuer es ist, Reisepässe anfertigen zu lassen und wie viel Zeit man dabei verschwendet, in einem verlorenen Verwaltungsaußenposten zu hocken – nein, ich möchte ich nur von einem Beamten erzählen, der sich die biometrischen Porträtfotos anschaute, die meine Frau von unseren Kindern gemacht hatte. Das eine von unserer damals sechsjährigen Tochter ließ er durchgehen, das andere von unserem Sohn beäugte er misstrauisch. Er legte eine Schablone darüber, dann verkündete er: „Das Gesicht ist zu rund.“
„Aber es ist ein Baby. Babys haben so runde Gesichter.“
Er legte die Schablone ein weiteres Mal drauf.
„Nein, es ist zu rund.“
Sollten wir es mit nach Hause nehmen und mit Photoshop in die Länge ziehen? Auf jeden Fall war ein taktischer Rückzug angesagt.
Am nächsten Tag starteten wir einen neuen Angriff. Anita hatte das Bild etwas aufgehellt. Vielleicht wirkte es dadurch etwas freundlicher.
Vielleicht lag es aber auch einfach daran, dass ein anderer Sachbearbeiter da war, der sich mit Babys besser auskannte, vielleicht auch schon mal eins aus nächster Nähe gesehen hatte.
Er akzeptierte das Foto, ohne mit der Wimper zu zucken.
Wir fragen uns nur, was wir mit einem Ausweis machen sollen, der bis zum Jahr 2015 gültig ist. Wird es uns gelingen, dafür zu sorgen, dass er seinen Babyspeck nicht verliert?
Damit wir nicht eines Tages mit irgendwelchen Zöllnern folgenden Dialog führen müssen: „Das Gesicht Ihres Kindes ist schmaler als das auf dem Foto.“
„Wie bitte?“
„Das Gesicht ist zu schmal!“
Link zum letzten „Bericht aus Bumsdorf“
Mehr von Axel Klingenberg und anderen Braunschweiger Autoren:
„Bumsdorfer Gerüchteküche“ – die Braunschweiger Lesebühne mit Axel Klingenberg, Roland Kremer, Daniel Terek, Hauke Trustorff und dem Stargast Hartmut El Kurdi
11. Oktober, 20.00 Uhr
Kaufbar, Bolchentwete 1, Braunschweig
