Auch wir haben Hunger

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Alle dürfen essen, nur wir Stadttauben nicht. Warum ist das eigentlich so? 

Die meisten „Weisheiten“ und Gerüchte, die über das Füttern von Tauben verbreitet werden, stimmen so einfach nicht. Auch hungrige Tauben vermehren sich und sie leiden natürlich ebenso sehr darunter wie andere Lebewesen, die keine Nahrung bekommen. Das Fütterungsverbot verhindert nicht die Vermehrung der Tiere, sondern verursacht nur noch mehr Tierleid. 

In Eintracht. Gerettete Tauben

Ich finde regelmäßig Tiere, die bis auf die Knochen ausgehungert sind. Tauben sind eigentlich reine Körnerfresser. Hier in der Stadt sind sie gezwungen, „Müll“, wie heruntergefallene Essensreste zu fressen. Dies verursacht bei ihnen starken Durchfall, der dann vom Menschen natürlich als störend empfunden wird. Deshalb sieht man auch so viele Tauben auf den Fußwegen herum laufen – sie suchen verzweifelt nach Futter.

Viele Menschen wissen gar nicht, warum die Tauben überhaupt in der Stadt leben. Die Stadttaube stammt von der gezüchteten Brieftaube ab. Diejenigen Vögel, die nicht nach Hause finden, bleiben bei uns in der Stadt und vermehren sich unkontrolliert weiter, da ihnen auch ein starker Brutzwang angezüchtet wurde.

Ich finde regelmäßig auch Tauben von Züchtern, die keine Verantwortung für ihre Tiere übernehmen wollen. Durch die Domestizierung sind Stadttauben auf menschliche Hilfe angewiesen – so wie streunende Hunde und Katzen.

Durch ihre Vorfahrin, der Felsentaube, sind Stadttauben standorttreu und können nicht einfach „in Bäumen leben“. Deshalb können Stadttauben auch nicht in ein nahes Naturschutzgebiet oder den Wald ausweichen.

Ekel oder gar Angst vor diesen Tieren oder eventuellen Krankheiten ist völlig unbegründet und bedarf dringend einer Aufklärung der Bürger. Auch der Taubenkot ist für Gebäude und Fassaden nicht so schädlich, wie allgemein angenommen (Gutachten: Technische Universität Darmstadt Bauaufsichtlich anerkannte Prüf-, Überwachungs- und Zertifizierungsstelle zum Thema Taubenkot).

Der erste „Modellltaubenschlag“ in der Nähe des Bahnhofs ist sehr wichtig und richtig, denn nur so kann eine kontrollierte Populationskontrolle (durch Austausch der Eier gegen Gipseier) gelingen – nicht durch Fütterungsverbote oder Vergrämungsmaßnahmen. Letztere Maßnahmen führen lediglich zu mehr Verletzungen und somit zu mehr Leid für diese Tiere. Am 10.09.2019 wurden erneut zusätzliche Spikes und Netze am Schloss angebracht, um Tauben zu vergrämen. Eine Lösung können hier nur weitere Taubenschläge sein.

Sogar der deutsche Tierschutzbund ruft mittlerweile zum Thema „#RespektTaube“ auf. Als Hochzeittaube, teure Brieftaube und als Friedenssymbol im Christentum, wird die Taube sehr positiv gesehen, nur die Stadttaube nicht.

Der Mensch hat diese Tiere Jahrhunderte lang als „Postboten“, Informationsübermittler im Krieg und als „Lieferant“ von Federn, Fleisch und Eiern genutzt. Nun, da wir ihre Dienste im modernen Informationszeitalter nicht mehr benötigen – sollten wir Menschen jetzt Verantwortung übernehmen und den Tauben ein tiergerechtes und würdevolles Leben in unseren Städten ermöglichen. 

9 Kommentare

  1. Toller Artikel, der hoffentlich vielen Menschen die Augen öffnet und die Welt für die Tauben ein wenig friedlicher macht! Hoffentlich werden noch mehr Taubenschläge in der Stadt aufgestellt , um die Vermehrung der Tauben zu kontrollieren und somit ihr Leiden zu verringern … !

  2. Völlig richtig, Fütterungsverbot und Vergrämungungsmassnahmen bringen nichts – nur Tierleid.
    Nur ein geregeltes Stadttaubenmanagement nach dem Augsburger Modell mit betreuten Taubenschlägen ist zielführend.
    Es bleibt zu hoffen, dass bald weitere Taubenhäuser in der Innenstadt entstehen.

  3. Ausgezeichneter Artikel, bitte mehr davon. Selbst für Taubenhasser ist es gut, die Tiere im betreuten Taubenschlag zu füttern, denn am Hunger sterben zwar viele, aber sie sterben nicht aus. Im Gegenteil, sie legen noch mehr Eier, selbst im Winter, weil ihr angezüchtetes Brutverhalten sie dazu zwingt. Lieber regelmäßig Füttern und die Eier gegen künstliche Eier austauschen, dann werden die Schwärme der Tauben kleiner und es geht ihnen gut.

  4. Gut erklärt, aber leider wahr. Schön wäre es auch, wenn die Menschen neben einem guten Stadttaubenmanagement wieder Achtung vor der Natur erlangen würden. Behandele einfach alles Leben, wie Du selbst behandelt werden möchtest.

  5. Es ist sehr traurig, dass in einem hoch entwickelten Land wie Deutschland kein entsprechend entwickeltes Verhältnis zum Leben vorhanden ist. Tauben sind Lebewesen, die essentielle Bedürfnisse nach Nahrung, Körperpflege, Miteinander haben. Es werden lieber Gelder für Ordnungsbeamte investiert, die die Einhaltung des Fütterungsverbots detektivisch verfolgen, als in ein humanes Tauben-Managements, das immer wieder blockiert wird. Diese Herzlosigkeit erschüttert mich.

  6. Ich war selbst für Stadttauben unterwegs, auch in den Städten. Es ist jedoch so, das Sie sich – bei Nahrungsangebot – gleich danach gebalzt hatten! Was ja deutlich aufgefallen ist, da vorher alle auf „energiesparmodus“ ruhig saßen oder nach Essbarem, suchten.

    Mit freundlichem Gruß

  7. Was ist das für ein Schmarrn, den Sie da erzählen, Herr Insider. Wenn eine Taube die Wahl hat, lässt sie für ein Korn Futter jedes Balzen sein. Und nach dem Füttern balzt sie nicht mehr als vorher, und es balzt auch nur der Täuber. Täubinnen fliehen regelrecht vor balzenden Täubern auf die futterreichende Hand! Tagtäglich seit Jahren erlebt. Nach dem Füttern stimmt der Taubenschwarm ein beruhigendes zufriedenes Gurren an. Täuber balzen, wenn Ihnen der Sinn danach steht. Hat mit dem Futter nix zu tun. Einen Täuber hab ich mal erlebt, der war so auf’s Balzen fixiert, dass ihn kein Kornhaufen davon abgehalten hat. Das Futter hat ihn überhaupt nicht interessiert. Kann mir nicht vorstellen, dass ihm vorher ein Züchter Kraftfutter verpasst hat.

  8. Sehr gut geschriebener Artikel! Aufklärung über Stadttauben ist so wichtig, leider gibt es immer noch zu viele Vorurteile über diese Tiere. Ich hoffe, dass bald noch mehr Taubenschläge in der Stadt entstehen, damit das Leid der Stadttauben endlich ein Ende nimmt.

  9. Ich finde es sehr gut und wichtig, dass solche Artikel in den Medien erscheinen!
    Das Leid unserer „Stadttaubis“ geht mir sehr ans Herz und ich wünschte, die Stadt würde viel mehr tun, um es zu verringern!
    Mir begegnen die hungrigen, verzweifelt umherlaufenden Tauben beinahe täglich und sie laufen manchmal neben einem her, als würden sie um ein paar Körner bitten…

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