Arbeit und Herrschaft –Arbeit und Emanzipation

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Die 8. Braunschweiger Gramsci-Tage am 21. und 22. November 2014

Ausgangspunkt war die Studie des US-amerikanischen Metallarbeiter Harry Braverman, die vor 40 Jahren, auf dem Höhepunkt der fordistisch-tayloristischen Industrieproduktion erschien. Braverman beschreibt die Dequalifizierung der Arbeiter, deren Zustimmung mit relativ guter Bezahlung erkauft wurde. Es gab keine Alternativen mehr zu dieser Produktionsweise; sie bestimmte den Lebensrhythmus der Arbeitenden.

Seit den siebziger Jahren ist jedoch ein Paradigmenwechsel eingetreten. Während in der Phase der fordistische Massenproduktion das Management des Betriebs alles kontrollierte und bestimmte, regiert nun der Markt, mit dem die Beschäftigten direkt konfrontiert werden. Nun dominiert eine  finanzmarkt-getriebenen Produktionsweise  Im Mittelpunkt steht der Shareholder Value, die geforderte Rendite, die (in Anlehnung an nicht immer realistische Finanzmarktgewinne) in schwindelnde Höhen getrieben wird. Jetzt spielen, wie Hans-Jürgen Urban, Vorstandsmitglied der IG Metall ausführte, nicht nur die betrieblichen Bedingungen, sondern auch die politisch-gesellschaftlichen Rahmenbedingungen eine wesentliche Rolle. Eine „Entgrenzung“ findet statt, der auch die Tarife zum Opfer fallen. Durch indirekte Steuerung wird die Belegschaft, die wiederum keine Alternativen kennt, zur Selbstausbeutung getrieben. Die Beschäftigten werden dahingehend manipuliert, ihre Kompetenzen in einem Konkurrenzkampf mit anderen Betrieben einzusetzen – letztlich ein Pyrrhus-Sieg. Auch die neue Flexibilität bei der Arbeitszeit schlägt in permanenten Arbeitszwang um, bei dem wenig Spielraum für persönliche Freiheit  und Freizeit bleibt Als Leitbild dient ein neuer Typ¨ der coole Alleskönner. Oder die Alleskönnerin, die Beruf und Familie unter einen Hut bringt und angeblich noch Spaß dabei hat.

Was Urban einführend sagte, wurde im Verlauf der beiden Tage durch andere Referenten bestätigt: Die totale Ökonomisierung führt dazu, dass „der Markt“ setzt bestimmte Vorgaben setzt, und die Belegschaften der Werke versuchen sie zu erfüllen. Betriebsräte verschiedener Unternehmen berichteten, wie schwer es ihnen fällt, den Beschäftigten die Notwendigkeit allgemeinverbindlicher Regeln wie z.B. Tarifverträge zu vermitteln.  

Die Beschäftigten sind nicht mehr die Dequalifizierten von einst, im Gegenteil: lebenslanges Lernen ist politisch gewollt. Aber es kommt kaum der persönlichen Emanzipation zugute. Noch immer lebt man, um zu arbeiten, statt umgekehrt.

Ein großer Vorzug der diesjährigen Gramsci-Tage war die Verbindung von Wissenschaft und betrieblicher Praxis, die sich gegenseitig ergänzten und durchdrangen. Wünschenswert aus der Sicht der Zuhörer wäre mehr Zeit für Diskussionen bzw. eine sorgfältigere Beantwortung der Fragen durch die Referenten gewesen.

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