Vom Wägen der Worte oder die Verschiebung von Wahrheit (Teil 2)

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Am 14. März stellt ein Leserbrief in der Braunschweiger Zeitung einleitend fest: „Die Braunschweiger SPD fischt jetzt also das linke Spektrum nach Wählerstimmen ab, ….“ Ein anderer Brief stellt am gleichen Tage einleitend fest: „Innerhalb der Braunschweiger SPD hat sich vor den Kommunalwahlen offensichtlich ein deutlicher Linksruck vollzogen.“

Will der eine Brief die Behauptung von Rosenbaum untersagt haben: „die Kommunalaufsicht habe der Privatisierung des Abwassergeschäfts nicht zugestimmt“, so ging es beim anderen um die Behauptung, „die Privatisierung des Abwassergeschäfts sei von der Kommunalaufsicht nicht genehmigt worden.“

Gleiche Einleitung, gleiche Wortwahl – alles nur Zufall? Wohl kaum. Die desinformierende Wortwahl des Oberbürgermeisters hat wohl Früchte getragen oder Junge bekommen.

Am 9. März verwiesen wir hier auf die Presseerklärung des Oberbürgermeisters zum Gerichtstermin, in der er gleich fälschlich behauptet, Peter Rosenbaum wolle nicht anerkennen, „dass das Entwässerungsgeschäft genehmigt ist“ – obwohl es bei der Unterlassungklage gar nicht um das „Entwässerungsgeschäft“ ging, sondern ganz speziell um eine genehmigte „Veräußerung von Anteilen“ der Stadtentwässerung.

Das eigentliche „Geschäft“: die Vereinnahmung des Erlöses in den städtischen Haushalt, ist gar nicht genehmigungspflichtig, bedarf gar keiner Genehmigung. Allerdings muss es von der Aufsichtsbehörde erlaubt werden und diese Erlaubnis liegt bisher ausdrücklich noch nicht vor, sie kann also auch noch verwehrt werden, was gar nicht so unwahrscheinlich ist, angesichts der abgründigen Voraussetzungen: ein solcher „Erlös“ aus der Stadtentwässerung wurde seit 1997 schon einmal im Haushalt vereinnahmt. [Link]

Ziemlich genau ein Jahr zuvor ging es um einen anderen Fall der Verschiebung von Wahrheit durch Sprache. Ein Rückblick:

Ohne architektonischen Rückgriff auf Schlossbaumeister Carl Theodor Ottmer sei das Einkaufszentrum im innerstädtischen Schlosspark nicht durchsetzbar, hatte der Braunschweiger Oberbürgermeister Dr. Gert Hoffmann vor der Kaufmännischen Union erklärt. Immer wieder wurde in der Braunschweiger Zeitung und von ihm, dem Oberbürgermeister selbst, behauptet, es würde dort das alte Ottmer-Schloss wieder aufgebaut („rekonstruiert“), obwohl doch nur Sandsteinfassadenplatten vor ein Betongebäude mit dem vielfachen Volumen des alten Schlosses gehängt werden sollen, um das Kaufhaus zum Teil mit dem äußeren Anschein des alten Ottmer-Schlosses zu verblenden.

Diese sprachlich unsaubere Verwendung: „Schloss“ stadt „Schlossfassaden“, diente – das ist entscheidend – als Brechstange zur Durchsetzung eines politisch höchst umstrittenen, wirtschaftlich und städtebaulich höchst fragwürdigen Projektes. Ein „Schloss“ lässt sich politisch und kommerziell vermarkten, aber „Fassaden“? Von der Braunschweiger Zeitung wurde dieses sprachliche Verwirrspiel so auf die Spitze getrieben, dass sich der deutsche Presserat zu einer Rüge veranlasst sah, und zwar eine Rüge in der schärfst möglichen Form.

Die Reaktion des Oberbürgermeister auf die Rüge des Presserates in der Braunschweiger Zeitung (10. März 2005) setzte Maßstäbe: „Aber natürlich ist das eine Schloss-Rekonstruktion,“ behauptete Hoffmann unbeeindruckt. Da werde, so Hoffmann – man staune, dies im Zusammenhang mit dem Schloss-Arkaden-Projekt! – „versucht, aus jeder Mücke einen Elefanten zu machen. Kein Bürger wird das verstehen, vielleicht ist das eine gute Vorlage für die nächsten Büttenreden.“

Ein vergleichender Blick auf das, was dort zur Zeit gebaut wird: Ist die Einheit des Baukörpers, der da zur Zeit auf über 24.000 qm Grundfläche entsteht, ein Schloss? – wie Dr. Hoffmann behauptet – oder ist es nicht doch eher der Baukörper eines gigantischen Kaufhauses mit einigen öffentlichen Einrichtungen, vor das die Fassade des alten Ottmer-Schlosses gehängt werden soll?

Manchmal schlägt der Zufall denkwürdige Kapriolen. Nur einen Tag nach der Auslassung des Oberbürgermeisters, am 11. März 2005, kam eine Wortmeldung in der Zeitung dazu aus dem fernen Berlin: Die Presserüge sei „offenkundig Unfug“ und „hier liegt absolut kein Verstoß gegen journalistische Verhaltensregeln und keinerlei Verletzung von Sorgfaltspflichten vor. Der Presserat mischt sich in Dinge ein, die ihm nicht zustehen und überschreitet in diesem Fall seine Kompetenzen.“ …. Begründungen für diese vernichtende Rüge der Arbeit des Presserates wurden keine gegeben.

Die Wortmeldung aus Berlin kam vom Pressesprecher der Firma Veolia, und erst – oder auch: nur – wenige Wochen später wurde die Ausschreibung eingeleitet, mit welcher die Braunschweiger Stadtentwässerung der Firma Veolia in die Hände gespült werden sollte.

Und da sind wir nun wieder am Anfang unserer Ausführung um das politische Verwirrspiel mit Worten, beim „Abwassergeschäft“ – nein, Verzeihung, das ist, wie wir wissen, noch immer nicht erlaubt, wir sind also bei der genehmigten „Veräußerung von Anteilen“.

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