Regionsgipfel – kleinkariert

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Wolfram Wolters aus Salzgitter ist zur Ein-Mann-Demo gekommen

Eine zukunftsweisende Initiative der Braunschweiger Zeitung: dieser Regionsgipfel am 10. März im Haus der Wissenschaft in Braunschweig! Alle wichtigen Akteure der Region sind erschienen. Aber dann wird nach langen Stunden klar: Im Blick auf die Zukunft der Region Braunschweig herrscht Sprachlosigkeit bei den Verantwortlichen.

Die Verantwortlichen der Region blicken auf zum fernen Stern „Region Braunschweig“

Innenminister Boris Pistorius hat zu Beginn seinen starken Auftritt: Er nennt die Probleme der Region: demographischer Wandel, Kleinteiligkeit, mangelnde Abstimmung,  wirtschaftlich problematische Räume. Nur Dialog ist zielführend, Konsens bei regionaler Reform erforderlich. Dabei unterstützen wir euch, sagt er. Sein gutes Beispiel als Vorbild: die Region Weser-Ems. Die spricht jetzt mit einer Stimme und erreicht viel.

Anschließend wird mir als Vechelder Bürger deutlich vor Augen geführt, dass ich in einer der schönsten Regionen Deutschlands lebe: Alle „Hauptverwaltungsbeamten“, ob Oberbürgermeister oder Landräte, preisen wirtschaftliche Dynamik und Lebensqualität in ihrem Verantwortungsbereich. Einige wollen das „Wir“-Gefühl stärken. Aber eigentlich ist man sich selbst genug. Landrat Franz Einhaus erwähnt die Region kaum. Sein Problem: Der Landkreis Peine ist ein bißchen klein. Deshalb wäre die Fusion mit Hildesheim nicht schlecht.  Der Kollege dort geht zur passenden Zeit in den Ruhestand. Welche Chance! Marion Lau aus Gifhorn sieht ihren Landkreis in einer Position der Stärke. Landrätin Christiana Steinbrügge aus Wolfenbüttel betont die Kraft der vielen. Nur der Kreis Helmstedt ist richtig pleite.

Aus den Landkreisen Gifhorn, Peine, Wolfenbüttel kein Wort zum katastrophalen öffentlichen Nahverkehr, kein Wort von mangelndem Zugangsmöglichkeiten der Bewohner zu kulturellen Angeboten in den großen Städten. Schließlich fahren die meisten in unserer „Mobilitätsregion“ ohnehin Auto.  Überalterung und Bevölkerungsrückgang  – nun ja,  das habe man im Griff. Die Eingemeindungswünsche der drei großen Städte lehnen die Landkreise kategorisch ab. Sie wollen selbst von den Speckgürteln profitieren, aber natürlich auch keinen Kaufkraftabfluss.

Probleme kommen erst langsam zur Sprache. Da klagt der Präsident Schmid von der Industrie- und Handelskammer Braunschweig über den mangelhaften Zuschnitt des Kammergebietes, das dem Wirtschaftsraum nicht entspricht. Sein Kollege aus Lüneburg, auch für Wolfsburg zuständig, widerspricht: Gebietsveränderungen sind nicht sinnvoll! Natürlich nicht, wer gibt schon große Beitragszahler freiwillig auf! Da kann der Kammerzuschnitt noch so unsinnig sein.

Ein Vertreter des Konzernbetriebsrates von VW klagt über die Verkehrssituation Braunschweig-Wolfsburg, über die mangelnde Leistungsfähigkeit der Weddeler Schleife, den fehlenden Weiterbau der A 39 in Richtung Norden. Die AWO stellt fest, dass Einrichtungen im ländlichen Bereich keine Arbeitskräfte finden, da diese mit öffentlichen Verkehrsmitteln nicht erreichbar sind. Der Generalintendant des Staatstheaters in Braunschweig stellt fest, dass er wegen Freifahrten der  Theaterbesucher im öffentlichen Nahverkehr mit vielen Akteuren verhandeln muss. Das fällt auf beim Gipfel: Vor allem diejenigen Teilnehmer, die etwas weiter von der Kommunalpolitik weg sind, betonen die Notwendigkeit und die Chance einer engeren Zusammenarbeit der Region. Als Ausweg taucht aus dem Inferno unterschiedlichster Interessen der Zweckverband Großraum Braunschweig auf! Eine Direktwahl der Verbandsversammlung und neue Aufgaben könnten den Verband stärken. Allerdings: Über vierzig Jahre hat er lediglich einen Verbundtarif zustande gebracht, nicht mal einen Verkehrsverbund der Region!

Das Bemerkenswerteste für mich: Während sich Redner um zukunftsweisende Vorschläge für eine stärkere Region mühen, schaltet  die Körpersprache der Hauptverwaltungsbeamten“ aus Gifhorn, Peine und Wolfenbüttel auf Abwehr: Nicht mit mir! Substantielles geben wir nie ab. Allenfalls Hochwasserschutz kann neue Aufgabe des Zweckverbandes werden!

Einen Lichtblick zum Schluss bietet Gerald Heere, grüner Landtagsabgeordneter aus Braunschweig. Er benennt einige der „heißen Kartoffeln“: öffentlichen Nahverkehr in der Region verbessern,  Interessen der Bevölkerung besser wahrnehmen, notwendige Mitbestimmung bei Gebietsfragen sicherstellen.

Mein Fazit nach dem Regionsgipfel:

Es gibt viel Verbindendes in unserer Region, aber auch massive  Kommunikationsblockaden zwischen den drei großen Städten und dann auch zwischen Städten und Landkreisen. Vielleicht sollte jede Kommunalpolitikerin, jeder Kommunalpolitiker unserer Region mal in die Situation seiner Kontrahenten versetzen, ihr Denken und Handeln verstehen lernen.

Mein Rat an uns Bürgerinnen und Bürger: Auch wenn wir gern hier leben – jeder von uns ist betroffen von den eklatanten Schwächen unserer Region. Nehmen wir nur den Nahverkehr. Lassen wir nicht zu, dass die Kommunalpolitiker unbeobachtet von der Öffentlichkeit ihr kleinkariertes Süppchen kochen. Reden wir mit, fordern wir Bürgerbeteiligung. Lasst uns Druck ausüben auf die Politiker: Sie sollen sich zusammenzuraufen zugunsten einer lebenswerten Region!

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