Nach uns die Sintflut

0

Medienanalyse „Ökonomie schlägt Nachhaltigkeit 7:1“ des Denkwerks Zukunft

Meinhard Miegels „Denkwerk Zukunft“ zeigt auf wie wichtig unsere Leitmedien das Thema Nachhaltigkeit nehmen und in welchem Verhältnis diese zu Wirtschaftsthemen stehen. Es zeigt sich, dass in den Redaktionsstuben „Nachhaltigkeit“ deutlich seltener ein Thema ist als die Wirtschaft – also kurzfristiges Denken vorherrscht. Das ist wenig erstaunlich, denn der Kunde will wissen, was im Moment aus seinem Geld wird und wie sich sein Konto mittelfristig entwickeln wird (red). Lesen Sie diesen Auszug aus der Analyse.

Anlässlich der Vorstellung der Medienanalyse des Denkwerks Zukunft „Ökonomie schlägt Nachhaltigkeit 7:1. Analyse ausgewählter Printmedien vom 1. April bis 30. Juni 2014“ am 3. September 2014 in Berlin erklären Professor Dr. Meinhard  Miegel und Stefanie Wahl:

Wirtschafts- und Finanzthemen nehmen in der Berichterstattung der Medien breiten Raum ein. Dagegen befassen sich diejenigen, die sich mit Fragen der Wirtschaft beschäftigen, nur selten mit dem was diese trägt: natürliche
Ressourcen, Umwelt und nicht zuletzt Menschen. Dies ergibt eine Medienanalyse des Denkwerks Zukunft. Gegenstand der nicht repräsentativen Untersuchung waren für die Dauer vom 1. April bis zum 30. Juni die vier Tageszeitungen BILD, Süddeutsche Zeitung (SZ), Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) und Bonner General-Anzeiger (GA) sowie das Wochenmagazin Der Spiegel.

Das Ergebnis: Mit Ausnahme der Bild-Zeitung, die allerdings kaum Wirtschaftsthemen behandelt, waren vor allem die Tageszeitungen betont wirtschaftslastig. Im Durchschnitt aller ausgewählten Medien kamen im Untersuchungszeitraum auf einen Bericht  zum Thema Nachhaltigkeit sieben Berichte über allgemeine Wirtschafts- und Finanzaktivitäten. Die
wirtschaftsorientierteste Zeitung war die FAZ, in der das Verhältnis 19:1 betrug. Ihr folgten die SZ mit 9:1, der GA mit 5:1, der Spiegel mit 2:1 und BILD mit 1:1.

Wirtschaftsthemen werden aber nicht nur breit aufbereitet, sondern in der Regel auch positiv konnotiert. Die Ambivalenz wirtschaftlicher Aktivitäten wird nur selten deutlich. Zumeist gilt Wirtschaftswachstum unhinterfragt als gut, auch wenn es zu einer Erhöhung der Schadstoffbelastung, einer zusätzlichen Versiegelung der Böden oder zu einer Überforderung der Menschen beiträgt. Wenn überhaupt wird von solchen Folgen sehr viel knapper und oft ohne unmittelbare Bezugnahme zu ihren Ursachen berichtet.

Häufig bekommt der Leser innerhalb einer Printausgabe widersprüchliche Signale. Dies macht es ihm fast unmöglich,  Zusammenhänge beispielsweise zwischen Art und Umfang von Wirtschaftsaktivitäten und deren Folgen für Natur, Umwelt, Mensch und Gesellschaft herzustellen. Da wird über die Billigproduktion in Drittweltländern für bestimmte deutsche Kaufhäuser geklagt und nur zwei Printausgaben später die Neueröffnung just eines dieser Kaufhäuser gefeiert. Da wird auf die klimaschädlichen Folgen der gegenwärtigen Konsumweisen hingewiesen und drei Seiten weiter unkommentiert über die konsum- und wachstumstreibenden Wirkungen des Osterfestes berichtet. Da wird dem Thema Konsumverzicht eine Titelgeschichte gewidmet und in derselben Ausgabe seitenweise für Autos, Uhren und Männermode
geworben.

Das quantitative Ungleichgewicht und die inhaltlichen Widersprüche zwischen Wirtschafts- und Nachhaltigkeitsberichterstattung führen zu einer verzerrten Wahrnehmung der Wirklichkeit, die wiederum folgenschwere Fehleinschätzungen verursacht. Wenn es heute leicht ist, national wie international zum Teil äußerst riskante Strategien zur Mehrung von Wirtschaftswachstum zu verfolgen, aber schwierig, Maßnahmen für die Erhaltung von Lebensgrundlagen
durchzusetzen, dann ist dies ein Zustand, der dringend überwunden werden muss. Medien können hierzu entscheidend beitragen.

Hierfür müssten sie allerdings ihre Verantwortung als Meinungsbildner im Bereich Nachhaltigkeit wahrnehmen und eine konsistente, langfristigangelegte Strategie entwickeln. Um Nachhaltigkeitsthemen mehr Geltung zu verschaffen, sollten sie ferner Rubriken für Nachhaltigkeit einrichten. Um die Ambivalenz wirtschaftlicher Aktivitäten bewusst zu machen, sollten die
Medien Nachhaltigkeitsaspekte in die allgemeine Wirtschaftsberichterstattung integrieren. Voraussetzung hierfür ist allerdings, dass Journalisten über Fachkenntnisse im Bereich Nachhaltigkeit und eine gewisse Sensibilität für Nachhaltigkeitsthemen verfügen. Ferner sollten Institutionen, die sich mit Nachhaltigkeit befassen wie wissenschaftliche Einrichtungen, NGO’s und hier vor allem Stiftungen, die Medien auf Berichtenswertes im Bereich Nachhaltigkeit vermehrt hinweisen. Schließlich sollten weitere Kanäle wie eigenständige Nachhaltigkeits-Webportale geschaffen werden, über die sich
Journalisten und Medienunternehmen schnell, umfassend und kompetent über Nachhaltigkeitsthemen informieren können.

Bonn, 3. September 2014

Die Medienanalyse „Ökonomie schlägt Nachhaltigkeit 7:1. Analyse ausgewählter Printmedien vom 1. April bis 30. Juni 2014“ kann auf der Homepage heruntergeladen werden.

Möchten Sie den Artikel kommentieren

Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein!
Bitte geben Sie hier Ihren Namen ein

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.