Nach Krypton-85-Unfall: Hat die PTB etwas zu verbergen?

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PTB rechts Kanzlerfeld, links oben Watenbüttel Foto: wikimedia.org/w/index.php?curid=29754221

Bei der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB) ist etwas gründlich schief gelaufen. Aus einer Messapparatur ist radioaktives Krypton-85 entwichen. Das ist sowohl für die dort Beschäftigten als auch für die zahlreichen Anwohner im Kanzlerfeld und in Watenbüttel ein wenig erfreuliches Ereignis, das im Interesse der eigenen Gesundheit genau aufgeklärt werden muss. In der Strahlenschutz-Verordnung ist festgelegt, wie mit einem solchen „bedeutsamen Vorkommnis“, wie es dort heißt, umzugehen ist. Die PTB informierte zunächst das Gewerbeaufsichtsamt und die Öffentlichkeit und versprach gründliche Aufklärung der Ursachen des Unfalls.

Um diese Ursachen zu ermitteln, beauftragte sie einen Sachverständigen des TÜV Nord. Dessen Bericht liegt seit einiger Zeit vor. Ein Anwohner und der Braunschweig-Spiegel beantragten nun, diesen Bericht zur Verfügung gestellt zu bekommen, damit sich Anwohner wie Öffentlichkeit ein Bild davon machen können, wie es zu dem Unfall kam. Natürlich geht es dabei vor allem darum, dafür zu sorgen, dass sich ein solcher Vorfall nicht wiederholen kann.

Die PTB weigert sich hartnäckig, diesen Bericht zur Verfügung zu stellen.

Sie behauptet, eine Veröffentlichung wäre gesetzlich untersagt, weil sie die Weitergabe von Aufzeichnungen des jeweiligen Verantwortlichen für Strahlenschutz an „Unbefugte“ bedeuten würde. Anwohner und Öffentlichkeit, obwohl unmittelbar betroffen, sollen also unbefugt sein, alles über den Hergang eines Unfalls zu erfahren. Die PTB ist nicht einmal bereit, eine Kopie herauszugeben, in der einige Stellen geschwärzt werden könnten.

Unfälle in Zwischen- und Endlagern von Atommüll – als Geheimsache zu behandeln?

Diese von der PTB behauptete Rechtslage müsste, hätte sie recht, für alle Einrichtungen gelten, die mit radioaktiven Stoffen zu tun haben, also auch für Kernkraftwerke und für Zwischen- und Endlager von Atommüll (also etwa Asse oder Schacht Konrad in unserer Region). Nicht zuletzt dann auch für das Atommüll – Zwischenlager in der PTB selber. Dort sind seit 2004 immerhin 161 Tonnen radioaktiven Abfalls des Versuchsreaktors der PTB in einigen hundert Fässern gelagert (Bericht des Niedersächsischen Umweltministeriums „Atomaufsicht und Strahlenschutz in Niedersachsen, 2018, S. 60 f.). Die vielen Bürger, die nur wenige hundert Meter von diesem Zwischenlager entfernt wohnen, sind zu ihrem Schutz existenziell darauf angewiesen, dass hier keine Fehler oder Nachlässigkeiten begangen werden. Sie müssen sich darauf verlassen können, dass alle Schutz- und Vorsichtsmaßnahmen jederzeit eingehalten werden.

Wie sollen sie das kontrollieren, wenn im Falle eines „bedeutsamen Vorkommnisses“ die dann folgende Untersuchung durch die PTB wie eine Geheimsache zu behandeln wäre? Den Bürgern bliebe dann nichts übrig, als sich mit den Informationskrumen zufrieden zu geben, die ihnen die PTB zukommen lassen würde. Selbst überprüfen könnten sie diese Informationen nicht. Sie würden zu Bittstellern um Information degradiert.

Verletzung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen?

Hilfsweise schiebt die PTB noch eine weitere Begründung für ihr Verhalten nach: Das Betriebs- und Geschäftsgeheimnis der Firma, die das Röhrchen hergestellt habe, aus dem das Krypton entwichen sei, würde durch eine Veröffentlichung des Berichtes verletzt. Der Untersuchungsbericht hätte lediglich eine „isolierte Analyse der eingesetzten Gerätschaft (also des Röhrchens, b.k.) zum Gegenstand“ gehabt. In der Presseinformation der PTB vom 15.04.21 war dagegen wörtlich erklärt worden: „Um die Ursachen des Vorfalls zu ermitteln, hat die PTB einen externen Sachverständigen eingeschaltet.“ Es handelte sich also nach eigener Aussage um einen umfassenden, allgemeinen Auftrag. Und selbst wenn eine „unzureichende Lötung“ im besagten Röhrchen das Krypton entweichen ließ, wäre damit noch lange nicht alles klar: Wurde zum Beispiel die zulässige Nutzungsdauer überschritten? Schließlich ist es kaum vorstellbar, dass ein solches Röhrchen, dessen Material ständiger radioaktiver Belastung ausgesetzt ist, ewig hält.

Umweltinformationsgesetz lässt „Schutz des Betriebsgeheimnisses“ nicht gelten

Der Bundesbeauftragte für Datenschutz und die Informationsfreiheit (BfDI), um eine Stellungnahme gebeten, teilt mit, dass das Argument des Betriebsgeheimnisses entfällt, wenn das Umweltinformationsgesetz angewandt wird. Die Stellungnahme des BfDI, dem die PTB offenbar das Gutachten ebenfalls vorenthalten hat, fällt zwar zurückhaltend aus.

Er hält es aber für „denkbar, dass die Norm (auf die sich die PTB beruft, b.k.) lediglich organisatorische Vorgaben für den strahlenschutzrechtlich Verantwortlichen bestimmt, und damit nicht geeignet ist, den Informationszugang auszuschließen.“ (Schreiben des BfDI vom 25.11.2021)

Warum verweigert die PTB die Herausgabe des Gutachtens?

Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, warum die PTB diesem Gedanken nicht folgt und einfach eine Kopie des Gutachtens zur Verfügung stellt, in der etwa sensible Daten, die das Geschäftsgeheimnis betreffen, geschwärzt sind. Warum weigert sie sich derart hartnäckig, wenn doch die alleinige Ursache eine „unzureichende Lötstelle“ gewesen wäre und ansonsten alles richtig gemacht wurde? Der Gedanke, dass sie Gründe dafür hat, dass sie also etwas zu verbergen hat, drängt sich auf.

Die PTB untersteht dem Bundeswirtschaftsministerium. Eigentlich, so sollte man meinen, hat der Staat eine besondere Verantwortung gegenüber seinen Bürgern, gerade was die Transparenz betrifft. Im vorliegenden Fall ist davon allerdings wenig zu spüren.

Gegen die ablehnende Entscheidung der PTB wurde nun Klage eingereicht.

Der Braunschweig – Spiegel unterstützt diese Klage.

Wir werden über den Fortgang der Sache wie über den Gerichtstermin weiter berichten.

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