Buchrezension von Bernhard Piest
Es ist ein Wagnis, in dieser Zeit ein Buch über Corona zu schreiben. Fast täglich werden neue Erkenntnisse veröffentlicht. Wird das Buch bei seinem Erscheinen nicht schon veraltet sein? Auch sind die möglichen Leser durch die Medien gründlich vorinformiert. Was kann da ein Buch, das sich an den medizinischen Laien wendet, Neues bringen? Das Besondere des Buches wird aber bei genauem Blick auf den Titel klar: Es geht in erster Linie nicht um Entstehung und Verlauf der Infektion oder deren gesellschaftlichen Folgen, sondern darum, wie jeder Einzelne die Gefahr einer Erkrankung verringern kann.
Der Autor ist Gesundheitswissenschaftler und Medizinjournalist und arbeitet derzeit als Kommunikationsleiter in der DSMZ (Deutsche Sammlung von Mikroorganismen und Zellkulturen), ein Leibniz-Institut in Braunschweig.
In den ersten beiden Abschnitten des Buches wird das Basiswissen über den Virus, die Pandemie sowie Medikamente im Teststadium und die Entwicklung von Impfstoffen zusammengefasst. Dann beginnt das Hauptthema: einer Corona-Infektion vorbeugen. Die üblichen Hygieneregeln wie Händewaschen oder das Tragen der Mund-Nasen-Maske werden dargestellt. Es geht um das richtige Verhalten, mit dem das Eindringen des Virus in den Körper verhindert oder dezimiert werden kann. Auch das Rauchen wird an dieser Stelle in einem kurzen Abschnitt abgehandelt. Rauchen reduziert die Abwehrkraft des Körpers. Eine Einführung in das Immunsystem mit seinen Organen, Zelltypen und Abwehrstoffen folgt auf den nächsten Seiten.
Die folgenden drei Kapitel mit den Themenbereichen Ernährung, Bewegung und Stress führen zur zentralen Aussage des Buches: Mit einer passenden Ernährung, ausreichender körperlichen Bewegung und angemessener Stressverarbeitung lässt sich das Immunsystem stimulieren und so das Risiko einer Corona-Infektion deutlich vermindern. An die erste Stelle von den drei genannten Bereichen stellt der Autor die Ernährung. Die Basis einer Vollwertkost wird definiert von der „5 am Tag“-Regel, das heißt 3 Portionen Gemüse und 2 Portionen Obst am Tag. Testreihen am Menschen haben gezeigt, dass Probiotika, das sind Bakterienstämme zum Einnehmen in Pulver- oder Kapselform zur Verbesserung der Darmflora, die Widerstandskraft gegen Erkältungsinfekte erhöhen können. Auf diesem Hintergrund empfiehlt Müller in Coronazeiten die tägliche Einnahme von Probiotika. Das Immunsystem des Körpers kann weiterhin durch die Einnahme von Gewürzen wie Chilli, Vitamin D, den Spurenelementen Zink und Kupfer und anderen Substanzen gestärkt werden.
Sehr gut gelungen ist das Kapitel „Wie Bewegung das Immunsystem stärkt“. Auf die notwendigen Trainingszeiten wird hingewiesen, auf das Vermeiden von Überlastungen, die günstigsten Sportarten (Ausdauersport) und den „Open Window-Effekt“. Letzterer ist eine Phase erhöhter Infektanfälligkeit nach übermäßiger Anstrengung.
Das letzte dieser drei zentralen Kapitel ist der Wirkung von Stress auf das Immunsystem gewidmet. Die Corona-Epidemie und die entsprechenden Gegenmaßnahmen wirken in vielfältiger Hinsicht als Stressoren. Sozial- und familiäre Kontakte ändern sich, eine neue Tagesstruktur muss eventuell entwickelt werden. Dauerstress beeinträchtigt wiederum das Immunsystem. Zur Bewältigung des Stresses ist es nötig, sich über die Ursachen klar zu werden und nach möglichst konkreten Hilfen zur Konfliktlösung zu suchen. In Kurzform wird auf verschiedene Entspannungstechniken hingewiesen, aber auch auf so etwas Einfaches wie „ausreichend schlafen“.
Am Ende des Buches werden einige Fragen zu Coronathemen beantwortet und kurze Stellungnahmen der WHO zu Alltagsthemen angehängt.
Interessant ist ein eingefügter Aufsatz von Ellis Huber, dem ehemaligen Präsidenten der Ärztekammer Berlin und jetzigem Vorsitzenden des Berufsverbandes Deutscher Präventologen. Untermauert mit vielen Zahlen stellt er die Epidemiologie der Corona-Pandemie in den Kontext anderer globaler Infektionskrankheiten wie Tuberkulose und AIDS und auch früherer Pandemien. Es ergibt sich eine Sichtweise, bei der einige bedrohliche Dramatiken relativiert werden können. Huber wirbt für eine Medizin, die die Gesundheit des Einzelnen und „soziale Resilienzen“ stärkt.
Das Buch ist reich bebildert, stößt den Leser auf die drei Lebensbereiche Ernährung, Bewegung und Stress und weist auf ihre Bedeutung in Zusammenhang mit der Corona-Pandemie hin. Das ist gelungen.
Die Bedeutung der Probiotika wird möglicherweise überschätzt. Gibt es doch auch Untersuchungen, die im Resultat keinen Effekt bei der Infektprophylaxe zeigen. Darauf hätte hingewiesen werden müssen. Ebenso ist Skepsis angebracht bei der Bedeutung von einer Einnahme von Spurenelementen als Infektprophylaxe. Das Thema Zigarettenrauchen als schädlicher Faktor für das Immunsystem hätte mehr Raum verdient. Irritierend ist die unnötige Nennung von einigen Firmennamen bei Nahrungsergänzungsstoffen.
Leider finden sich im Buch wiederholt störende Textdoppelungen. Fachbegriffe oder Abbildungen werden häufiger nicht erläutert. Eine Zuordnung von Textteilen zur angegebenen Literatur fehlt. Manche Behauptungen werden auf der nächsten Seite widerrufen.
Diese Kritiken beeinträchtigen den positiven Gesamteindruck des Buches. Sicher gibt es die Möglichkeit zur Überarbeitung bei einer zweiten Auflage.
Autor: Sven-David Müller
182 Seiten, Horn-Verlag, 16,95 €