„Es wird – Oh, es wird!“

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Gedenktafel mit Worten von Gefangenen der NS-Zeit in der Kirche der JVA Wolfenbüttel

Gedenkfeier in JVA Wolfenbüttel – eine Feier mit Lücken

Feierlich sollte es sein, und feierlich war es hinter Stacheldraht und Gefängnismauern. Normalerweise kein Ort des Feierns sondern der Tristess, gaben sich die Organisatoren erfolgreich alle Mühe, dem Anlass gerecht zu werden.

Natürlich musste man zur Teilnahme an der Feier angemeldet sein, denn sie war hinter den Gefängnismauern nicht öffentlich. Aber wer wollte, konnte als Gast mitmachen. Das war schon was Besonderes und die Bediensteten taten alles, um den Zutritt und vor allem den Austritt so angenehm wie möglich zu gestalten. Hier gilt es einen Dank an die Organisatoren im Justizdienst auszusprechen.

Etwa 100 Gäste waren erschienen und nahmen an der Feier teil. Für den kulturellen Rahmen sorgte das Magenta Klarinetten-Quintett mit Bass-Saxophon. Passend und würdevoll eröffnete es die Feier mit dem Largo von Händel.

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In der Anstaltskirche sorgte das Klarinettenquintett für einen angemessen würdigen Rahmen

 

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Die Veranstaltung war sehr gut besucht. Vorne von links: Landrätin Frau Steinbrügge, Bürgermeister von Wolfenbüttel Herr Pink, Ministerin der Justiz Frau Niewisch-Lennartz und Kultusministerin Frau Heiligenstadt

Selbstverständlich eröffnete der Hausherr, der Anstaltsleiter Herr Münzeberg, die Veranstaltung. Er begrüßte die Gäste und insbesondere die zahlreichen hohen Repräsentanten des Staates, was er zu Recht als Zeichen der Wertschätzung der Anstalt mit Gedenkstätte verstand. Diese wolle sich der Vergangenheit stellen und wisse um ihre Rolle in der Justiz in der Nazizeit. Er begrüßte ausdrücklich Dr. Helmut Kramer und sein Engagement für die Gedenkstätte, der sich im Publikum befand. Und er erinnerte zu Recht an die Umtriebe und Brandstiftung der Neonazis in Sachsen-Anhalt.

Der Geschäftsführer der Stiftung niedersächsische Gedenkstätten, Herr Jens-Christian Wagner, begrüßte insbesondere die Angehörigen der Opfer, die teilweise anwesend waren, und dankte seinen Mitarbeitern, die sich über ihre Arbeit hinaus für diese Feier engagiert hätten. Wagner führte aus, dass über 500 Häftlinge in der Anstalt ermordet wurden. Und das besonders nach Urteilen der Justiz. Es gelte der Justizmorde hier zu gedenken.

Schade, so möchte ich hier kommentieren. Gerne hätte man etwas von Herrn Wagner gehört zur Rolle der Justiz in der Nachkriegszeit, über Rehabilitation der Opfer, über die problematische Geschichte dieser Gedenkstätte in den 80er Jahren, die kurz vor dem Abriss stand. Zu gedenken reicht nicht, möchte ich als Kommentar weiterführen: was und wie wurde gesühnt von der Justiz, wie wurden die Terrorurteile im nachhinein bewertet? Welche Justiz-Karrieren wurden von den Blutrichtern fortgeführt und begonnen? Das ist Forschungsthema dieser Gedenkstätte. Welche Forschungsresultate gibt es? Und was wird wie der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt?

Grußworte sprach der Bürgermeister von Wolfenbüttel, Herr Pink. Er erinnerte zu Recht an Töplitz. Das Bürgerengagement gegen Neo-Nazis wären wir den Opfern schuldig. Die Landrätin, Frau Christina Steinbrügge, ging in ihrem Grußwort auf einige Daten ein. So befreiten die Amerikaner die Gefängnisinsassen um 11: 30 Uhr. Die letzte Hinrichtung fand am 15. März statt, und insgesamt seinen 516 Menschen in Wolfenbüttel hingerichtet worden, darunter auch zahlreiche Widerstandskämpfer.

„Wir lernen, wenn wir nicht vergessen“, so Steinbrügge weiter. Daher wird die Gedankstätte erweitert und erneuert. Sie soll Bildungs- und Erinnerungstätte sein. Erinnerung an die NS-Justiz.

Die Kultusministerin, Frauke Heiligenstadt, sprach die Hoffnung an. Wir wollen neu beginnen…, so auf der oben gezeigten Inschrifttafel, die in der Gefängniskirche hängt. Die Zeilen stammen von einer Widerstandsgruppe von Gefangenen. Die Ministerin erinnerte an Bürgerengagement, dem es zu verdanken sei, dass die Hinrichtungsstätte als Gedenksätte in den 80er Jahren nicht abgerissen wurde. Diese Gedenkstätte habe eine europäische Dimension als zentrale Haftstätte politischer Gefangenen. Die Gedankstätte stehe unter der Überschrift „Gedenken, Bewahren, Erforschen“.

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Ministerin Antje Niewisch-Lennartz im Gespräch mit Dr. Helmut Kramer, dem „Retter der Gedenkstätte“ und ehemals Richter am Oberlandesgericht und heute Rechtshistoiker.

Die Ministerin für Justiz, Antje Niewisch-Lennartz, erinnerte an die Todesurteile der NS-Justiz. Dabei ging sie auf die Geschichte der Terrorjustiz ein und den damit verbundenen Gesetzen. Die Richter mussten keine Todesurteile aussprechen, sie waren nicht in Gefahr, wenn sie milder urteilten. Todesstrafen auf Abhören von Feindsendern waren nicht unüblich. Besonders der Volksschädlingsparagraf war eine Allzweckwaffe des Terrors. Sie schildert exemplarisch die Exekutionen der Nacht- und Nebelgefangenen, die im Minutentakt durchgeführt wurden.

Die Ministerin sprach auch über die gravierenden Versäumnisse in der Nachkriegszeit, die an eine Pervertierung der Rechtsordnung erinnere.

Kommentierend muss hinzugefügt werden, dass die Ministerin kritisch auf die Rolle der Justiz in der Nachkriegszeit einging. Etwas umfassender wäre notwendig gewesen. Denn es ging nicht nur um die offensichtlichen Blutrichter und deren Karrieren. Es geht dabei auch und insbesondere um das wie in der NS-Zeit weitere Ausgrenzen und Diskriminieren von kritischen Juristen, Homosexuellen, Sinti und Roma, Deserteuren oder Kommunisten in der entstehenden Bundesrepublik.

Abschließend lasen Schülerinnen des Theodor-Heuss-Gymnasiums Wolfenbüttel Texte aus ihrem Projekt „ZeitWechsel“ vor.

Die Veranstaltung endete mit dem Magenta Klarinetten-Quartett, die „Air“ von Johann Sebastian Bach aus der 3. Suite für Orchester (D-Dur; BWV 1068) spielten.

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Hinrichtungsstätte und Gedenkstätte in der JVA Wolfenbüttel

Abschließen wurde Kränze an der Gedenkstätte niedergelegt. Das Gedenken an die Morde durch die „Rechtsprechung“ hauptsächlich braunschweiger Richter vom Sondergericht in Braunschweig fand bei der Kranzniederlegung statt.

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Intensiv wurde das reichhaltige Büffet auf dem Zellenflur diskutiert. Ob es der Situation und dem Ort angemessen war, mag jeder und jede für sich beantworten. Ich meine, dass man auf eine Bewirtung hätte verzichten können. Die Speisen wurden von der Gefangenenküche zubereitet.

Kommentar: Es war in der JVA in der Nähe der Hinrichtungs- und Gedenkstätte eine würdige Veranstaltung, die unter den speziellen Bedingungen des Ortes gut organisiert war. Den Ideengebern, den Organisatoren und den Ausführern ist zu danken. Die gesprochenen Worte waren dem Anlass angemessen. Doch es sollten vorhandene Gräben zugeschüttet werden, um einer vorurteilsfreien Aufarbeitung der Jusiz-Nachkriegszeit intensiver nachzugehen. Dafür brauchen wir allen Sachverstand, vor allem den der Kritiker – ohne Ausgrenzung. Auch das sind wir den Opfern schuldig.

 


Kommentare   
 
0 #1 Gottchalk 2015-04-22 04:38
Wir lernen, wenn wir nicht vergessen – diese Aussage ist wahr.
Wo von vornherein jedoch kein Wissen besteht, hilft auch nicht das Nichtvergessen.

Fehlende Kenntnisse und nicht nur Vergessen dürften bei der Justiz – Staatsanwaltschaft Hannover, Generalstaatsanwaltschaft Celle und Justizministeri um zu der Aussage geführt haben:
Die Worte: Den Toten – Gefallen – Ermordet – Vergast – Verbrannt – Verhungert – Vermisst auf einem Spruchband, gezeigt auf der Trauerveranstaltung des Volkstrauertage s
enthalten keine Hinweise auf Personen des jüdischen Volkes oder des Volkes an sich.
Link:http://helmutkaess.de/Wordpress/wp-content/uploads/2014/05/14-04-22-an-Generalstaatsan waltschaften+Anlagen.pdf

Haben die Staatsanwälte der jüngeren Geburtsjahrgänge keinen Wissenszugang mehr zu den Geschehnissen in den Konzentrations- und Vernichtungslagern?

Also positive Kenntnisse lernen.

Gottschalk

 
 

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