Stirbt die Hoffnung zuletzt? Den Klimatod?

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Im Zeitungsinterview mit dem Klimaschutzmanager zum Thema: „Wie kann Braunschweig seine Klimaschutzziele erreichen“?

Von Edgar Voegel

„Dabei hoffen wir“ …, „Dafür praktikable Mittel und Wege müssen erst noch gefunden werden“…, „Das ist ein Stück weit auch eine Wette auf die Zukunft“…, „Ich fände es spannend, wenn wir bis 2030 in der Lage wären“, …“ Wir sind gerade dabei, eine Potenzialanalyse zu erstellen“. …  

Mit solchen Aussagen wird der Braunschweiger Klimaschutzmanagers Matthias Hots im Interview zitiert (BZ, 16.02.24). Braunschweig soll bis 2030 klimaneutral werden, so lautet die ambitionierte Zielvorgabe (Ratsbeschluss, 09/2022). Eine erste Zwischenbilanz liegt seit Ende Oktober vor. Laut ihr wird an der Umsetzung von 38 stadtweiten Maßnahmen gearbeitet. Das klingt gut und das soll es auch. Darin werden Vorhaben, Projekte, Untersuchungen und Planungen aufgelistet. Denn wo die Fakten nichts anderes hergeben, bleibt nur das Prinzip Hoffnung (s.o.). Doch das liegt beileibe nicht am fehlenden Engagement des allzu kleinen Stabs von Mitarbeitenden in der Verwaltung. Aber die Zeit läuft unerbittlich und 2030 ist schon in sechs Jahren. Was ist da los? Kann das Ziel irgendwie doch erreicht werden?

Von entscheidender Bedeutung, aber nicht (bzw. wie) angesprochen:

Der essentielle Beitrag des Individualverkehrs zum Klimaschutz – war im Interview kein Thema. Laut Stadtbaurat Leuer ist bis 2035 mit den aktuell geplanten Maßnahmen nur eine Zielerreichung von einem Drittel zu erwarten, d.h. bis zum städtischen Ziel 2030 würde es rechnerisch nur für gut 20% reichen.

Der (Nicht-)Beitrag der städtischen GmbH-Gesellschaften zum Klimaschutz (v.a. Flughafen) war kein Thema.

Ein Ende der enorm klimaschädlichen Flächenversiegelung durch neue Bau- und Industriegebiete war auch kein Thema. Da ist die Stadt offenkundig genau in der Gegenrichtung unterwegs.

Wenn alle Stricke reißen, könnte ja das immer noch überschüssige CO2 in ausgebeuteten Lagerstätten verbuddelt werden – Zauberwort „Dekarbonisierung“ – “die Mittel und Wege finden wir noch“.

Die energetische Gebäudesanierung ist eines von drei zentralen Gelingens-Elementen. Gesucht wird ein „Musterquartier“, an dem diese beispielhaft erprobt werden soll, gekoppelt mit Fördermöglichkeiten der Investitionen. „Idealerweise würde der Gebäudebestand für das Ziel eines Treibhausgas-neutralen Braunschweig einmal „durchsaniert“. Die hierfür bis 2030 zu erreichende Sanierungsquote von 12,5 %, würde allerdings eine Verzehnfachung der aktuell angenommenen Sanierungsquote bedeuten“. (IKSK, S. 89) Das alles mit nur einem Musterquartier, das erst noch gesucht und gefunden werden muss? 

Fernwärmeausbau – economy first

Die Möglichkeiten, durch den Ausbau von klimaneutral erzeugter Wärme die Klimaziele der Stadt überhaupt zu erreichen, hängen wesentlich vom Verhalten von BS-Energy ab. Aber die sind durch die ökonomischen Interessen der Firma extrem limitiert. Akribisch lässt BS-Energy derzeit simulieren und prüfen, wo sich Ausbauprojekte überhaupt rechnen würden. Dabei sind die folgenden Grundprinzipien schon vorab gesetzt:

  • Kein Ausbau in Stadtrandbereichen, wegen langer, neu anzulegender Leitungswege.
  • Kein Ausbau in vielen Stadtvierteln, in denen Einfamilien- und Reihenhäuser dominieren.
  • Ausbau lediglich entlang bereits bestehender Leitungen und Arrondierung/Beseitigung weißer Flecken (z.B. Mehrfamilienhäuser im östlichen und westlichen Ring) und generell in Neubaugebieten.

Anders als in den Berechnungen der Zielplanung von IKSK 2.0 verlängert BS-Energy zudem den Kohleeinsatz um zwei Jahre bis zunächst 2024 mit entsprechend negativerer CO2-Bilanz – die anderweitig wieder kompensiert werden muss/müsste. 

Nein, von alledem war nicht die Rede im Interview. Das wäre aber nötig, wenn realistisch über ein „Erreichen“ gesprochen werden soll (und nicht nur, z.B., von einem Städtischen Wärmeplan bis 2025).

Zitat: Das Energieerzeugungskonzept von BS|ENERGY für eine Treibhausgasneutralität bis 2035 ist bisher nicht bekannt.“ (IKSK, S. 45)

Die Planungen von BS-Energy beziehen sich durchgehend auf 2035 als unternehmensseitiges Ziel. 

Ein Bekenntnis zum Ratsbeschluss und damit zu den Braunschweiger Klimazielen gibt es ebenso wenig wie einen verbindlichen Beitrag des Konzerns zur Zielerreichung bis 2030.

Edgar Vögel

How can you sleep, when our beds are burning? Midnight Oil, 1987

Links:

https://www.braunschweiger-zeitung.de/braunschweig/article241691832/Wie-kann-Braunschweig-seine-Klimaschutzziele-erreichen.html

1 Kommentar

  1. Zu der Aussicht, das Klimaproblem durch Entziehen von CO2 aus der Atmosphäre (CCS) lösen zu können:

    Laurence Tubiana, die als Frankreichs Chefverhandlerin 2015 den Durchbruch (1,5 Grad-Ziel) erreichte, lehnt CCS nicht prinzipiell ab, stellt aber dazu fest:
    „Wir kennen weder das mögliche Volumen (der erzielbaren Mengen zur Einlagerung, A.M.) noch die Kosten noch den nötigen Energieeinsatz. Ich habe den Eindruck, die Hoffnungen sind übertrieben.“
    Sie habe den Verdacht, dass die Öl- und Gasunternehmen nach den CCS-Beschlüssen der Konferenz von Dubai nun davon ausgingen, dass sie so weitermachen könnten wie bisher. (FAZ, 22.2.24)

    Die CCS-Taube auf einem fernen, hohen Dach wird also kaum eine konsequente Politik des Klimaschutzes in unserer Stadt im Hier und Jetzt ersetzen können.

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